Der Entwurf lässt erkennen, dass das BMF versucht, (fast) jegliche Art und Weise der Betätigung in dem Umfeld der Kryptowährungen und der daraus erzielten Einkünfte bzw. Gewinne der Besteuerung zu unterwerfen. Insofern dürfte die Verwaltungsauffassung vor allem für die Personen von besonderer Brisanz sein, die nicht nur klassisches Trading (Kauf/Verkauf) betreiben, sondern beispielsweise auch Mining vornehmen oder virtuelle Währungen anderen gegen eine Vergütung zur Nutzung überlassen.
Das BMF-Schreiben enthält folgende zentrale Aspekte, v. a. für im Privatvermögen gehaltene virtuelle Währungen:
Virtuelle Währungen als Wirtschaftsgüter
Einheiten von virtuellen Währungen sieht das BMF als „andere Wirtschaftsgüter“ i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG an (Rn. 39). Dies dürfte gemeinhin auf breiten Konsens stoßen, ungeachtet des Beschlusses des FG Nürnberg vom 08.04.2020 (Az. 3 V 1239/19), das eine solche Klassifizierung infrage stellt.
Mining
Laut BMF stellt Mining einen Anschaffungsvorgang dar, der nach dem jeweiligen Einzelfall entweder private Vermögensverwaltung oder gewerbliche Tätigkeit sein kann (Rn. 24). Gleichwohl wird hierbei – ungeachtet der Höhe der hierfür erforderlichen Aufwendungen (z. B. für Hardware und Strom) – widerlegbar vermutet, dass es sich beim Mining um eine gewerbliche Tätigkeit handelt (Rn. 28) und somit gewerbliche Einkünfte gemäß § 15 EStG vorliegen. Eine Unterscheidung zwischen dem Block-Reward und einer ausgelobten Transaktionsgebühr nimmt das BMF bzgl. der Besteuerung nicht vor. Beide Komponenten sollen der Besteuerung – sowohl im Privatvermögen als auch im Betriebsvermögen – unterliegen.
Sollte der Entwurf in dieser Gestalt final werden, könnte dies u. a. für die Fälle von Relevanz sein, bei denen selbst hergestellte Einheiten von virtuellen Währungen innerhalb eines Jahres veräußert werden, denn dann wäre der erzielte Veräußerungsgewinn als privates Veräußerungsgeschäft i.S.d. § 23 EStG voll steuerpflichtig.
Die Auffassung des BMF widerspricht der herrschenden Meinung, die im Mining respektive im Hinblick auf den erhaltenen Block-Reward keinen Anschaffungsvorgang sieht.
Weitere Beachtung sollten auch die Ausführungen zur Verlängerung der Spekulationsfrist bzw. Veräußerungsfrist finden. So kann sich im Falle des Staking die steuerlich relevante Veräußerungsfrist von einem auf zehn Jahre verlängern, da nach Ansicht des BMF die Nutzung einer Einkunftsquelle vorliegt (Rn. 47–49).
Trading-Umfang und die Frage nach der Gewerblichkeit
Beim Kauf und Verkauf von virtuellen Währungen kann sich mitunter die Frage stellen, ob ein hoher Umfang bereits eine gewerbliche Tätigkeit darstellt oder noch als privat anzusehen ist.
Für die Abgrenzung zwischen „gewerblich“ und „privat“ verweist das BMF auf die Kriterien zum gewerblichen Wertpapier- und Devisenhandel. Danach dürfte auch bei einem sehr aktiven Handeln mit virtuellen Währungen keine gewerbliche Tätigkeit begründet werden, sofern sich der Steuerpflichtige nicht wie ein „Händler“ bzw. „bankentypisch“ verhält und „keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb“ unterhält; eine Hintertür behält sich das BMF allerdings insoweit offen, als „im jeweiligen Einzelfall zu prüfen“ ist (Rn. 38).
Verwendungsreihenfolge
Im Hinblick auf das zur Anwendung gelangende Verbrauchsfolgeverfahren ist zwischen Betriebsvermögen und Privatvermögen zu unterscheiden:
Im Betriebsvermögen sind zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns grundsätzlich die individuellen (fortgeführten) Anschaffungskosten der veräußerten Einheiten einer virtuellen Währung zu anzusetzen. Den damit vorgesehen Grundsatz der Einzelbewertung als Standardmethode begründet das BMF damit, dass aufgrund „des Rückwärtsbezugs jedes Transaktionsoutputs eine Zuordnung und Identifizierung von Einheiten einer virtuellen Währung grundsätzlich bis hin zu deren Ursprungstransaktion (…) möglich ist.“ Sollte dies nicht möglich sein, kann auf die durchschnittlichen Anschaffungskosten abgestellt werden. (Rn. 37) Diese Möglichkeit ist, so zeigt unsere Erfahrung, begrüßenswert, da eine Einzelbewertung oftmals nicht durchführbar ist.
Werden Kryptowährungen im Privatvermögen gehalten, gilt ebenfalls der Grundsatz der Einzelbetrachtung. Aus Vereinfachungsgründen kann auch hier die FiFo-Methode angewendet werden; dies entspricht insoweit der Äußerung der Finanzbehörde Hamburg in ihrem Erlass vom 11.12.2017 (DB 2018, 159). Steuerpflichtige, die das LiFo-Verfahren verwenden (wollen), sollten diese Äußerungen (in ihren Planungen) berücksichtigen.
Ferner weist das BMF darauf hin, dass die einmal gewählte Methode auf jede einzelne Wallet anzuwenden ist. Erst nach einer vollständigen Veräußerung der Einheiten einer virtuellen Währung in dieser Wallet kommt ein Methodenwechsel infrage. Sonach besteht für jede virtuelle Währung in einer Wallet ein gesondertes Wahlrecht (Rn. 45).
Forks
Eine offenkundige Unterscheidung zwischen Hard- und Soft-Forks unternimmt das BMF nicht. Vielmehr wird davon ausgegangen, dass bei einem Fork die neuen Einheiten einer neuen virtuellen Währung als Bestandteil der Einheiten der vor dem Fork existierenden virtuellen Einheiten entgeltlich angeschafft werden (Rn. 56) und somit Anschaffungskosten erhalten, welche bei einer späteren Veräußerung von Relevanz sind. Eine im Schrifttum diskutierte und durchaus vertretbare Ansicht einer Steuerfreiheit mangels Anschaffungsvorgang billigt das BMF den Steuerpflichtigen nicht zu. Vielmehr hat es den Anschein, dass jegliche Wertsteigerung und anschließende Veräußerung im Rahmen eines privaten Veräußerungsgeschäfts der Besteuerung unterliegen soll.
Lending
Einkünfte aus Lendingaktivitäten sollen steuerbare Einkünfte sein, § 22 Nr. 3 EStG. Sollten die daraus erzielten Erträge in Einheiten einer virtuellen Währung erzielt werden, gelten diese im Zeitpunkt des Zuflusses als angeschafft (mit entsprechenden steuerlichen Folgen bei späterer Veräußerung).
Ob und inwieweit diese Ausführungen Zustimmung erfahren, mag offen bleiben. Gleichwohl ist auf einen Aspekt im Hinblick auf das Lending explizit hinzuweisen: Wenn Einheiten einer virtuellen Währung im Wege des Lendings gegen Entgelt überlassen werden, stellt dies nach Ansicht des BMF eine Nutzung als Einkunftsquelle dar, mit der Folge einer Verlängerung der steuerlich relevanten Veräußerungsfrist von einem auf zehn Jahre (Rn. 47).
Airdrops
Grundsätzlich ist zwischen aktiven und passiven Airdrops zu unterscheiden. Diese Differenzierung nimmt das BMF jedoch nicht explizit, sondern nur indirekt vor.
Bei aktiven Airdrops liegen infolge der aktiven Partizipation des Kunden steuerpflichtige sonstige Einkünfte i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG vor. Passive Airdrops könnten laut BMF hiervon nicht tangiert sein. Gleichwohl behält sich das BMF zur steuerlichen Erfassung eine Hintertür offen, da für die Fälle, in denen keine Gegenleistung erfolgt, eine Schenkung in Betracht kommen soll, für welche die schenkungsteuerlichen Regelungen gelten (Rn. 79).
Fazit
In der Zusammenschau lässt sich festhalten, dass das BMF mit seinem Entwurf zur Besteuerung von Kryptowährungen den Versuch unternehmen will, alle Vermögenssteigerungen und erzielten/erzielbaren Einkünfte aus Kryptowährungsaktivitäten steuerlich zu erfassen.
Anleger, die auf eine weniger strenge Auslegung bzw. Verwaltungsauffassung gehofft haben, dürften mit diesem Entwurf enttäuscht werden.
Insbesondere die undifferenzierte Fiktion, dass Mining einen Anschaffungsvorgang hinsichtlich beider Komponenten, dem Block-Reward und der Transaktionsgebühr, darstellt und grundsätzlich eine gewerbliche Tätigkeit repräsentieren soll, dürfte durchaus (berechtigte) kritische Resonanz hervorrufen.
Auch im Bereich der Airdrops, Forks sowie der Verlängerung der Spekulationsfrist von einem auf zehn Jahre (wie im Fall des Lendings) sollten einer Überprüfung seitens des BMF unterzogen werden.
Steuerpflichtige, die sich bislang nur rudimentär mit den steuerlichen Themen rund um Kryptowährungen und deren Darlegung gegenüber dem Finanzamt befasst haben, sind spätestens jetzt gut beraten, ihre bereits vollzogenen und geplanten Aktivitäten einer fundierten Analyse und steuerrechtlichen Betrachtung zu unterziehen.
Autor: Dr. Markus Ertel