Die Finanzverwaltung legte nach langwierigen internen Diskussionen kurz vor Ende des Jahres 2018 den Entwurf der Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 vor. Die finale Fassung steht derzeit noch aus. Ob durch die umfassende Verlautbarung der Finanzverwaltung nun die praktische Anwendung der modifizierten Regelungen geklärt ist oder ob hier noch weitere Klärung wünschenswert wäre, dazu sprechen wir mit unserer Nachfolgeexpertin Heike Schwind, Rechtsanwältin, Steuerberaterin und Partnerin bei Ebner Stolz in Stuttgart.
Frau Schwind, eine kurze Vorab-Einschätzung zum vorliegenden Entwurf der Erbschaftsteuerrichtlinien 2019 - klärt er mehr als er neue Fragen aufwirft?
In erster Linie werden mit dem Entwurf die bisherigen Äußerungen der Finanzverwaltung zu den erbschaftsteuerlichen Regelungen zusammengeführt und auf den aktuellen Gesetzesstand gebracht. Leider führt das BMF dabei aber einige bislang unbefriedigend gelöste Themen fort, ohne hier für eine praxisgerechte Lösung zu sorgen.
Eine der wesentlichen Änderungen bei der erbschaftsteuerlichen Begünstigung von Betriebsvermögen ist die Abkehr vom Alles-oder-nichts-Prinzip, wenn das nicht begünstigte Verwaltungsvermögen einen bestimmten Prozentsatz des gesamten Betriebsvermögens übersteigt, hin zur grundsätzlichen Herausnahme des Verwaltungsvermögens aus dem begünstigtem Vermögen. Was bedeutet das für Unternehmen?
Es ist noch mehr darauf zu achten, wie sich das Betriebsvermögen zusammensetzt. Ehemals konnte ein Anteil an Verwaltungsvermögen im Betriebsvermögen von bis zu 50 % des Unternehmenswerts vernachlässigt werden, ohne die erbschaftsteuerliche Begünstigung von in diesem Fall immerhin noch 85 % zu gefährden. Nun ist jedes Verwaltungsvermögen - nach Abzug eines Freibetrages - sofort voll steuerpflichtig und kann deshalb zu Diskussionen mit der Finanzverwaltung führen.
Verwaltungsvermögen kann unter dem aktuellen Regelungsregime sogar dazu führen, dass Betriebsvermögen komplett aus der Begünstigung herausgenommen wird, und zwar dann, wenn es mehr als 90 % des Betriebsvermögens beträgt. Das klingt doch nach einer Schwelle, die von den wenigsten, tatsächlich aktiven Unternehmen überschritten werden dürfte?
Die Schwelle klingt hoch. Sie wird in der Praxis aber doch sehr bald übersprungen. Das liegt daran, dass eine Verrechnung von Verwaltungsvermögen mit Schulden nicht vorgesehen ist. Auch die im Gesetz vorgesehenen Begünstigungen eines Teils des Finanzmittelbestandes im Unternehmen durch den sog. Finanzmitteltest dürfen bei der 90 %-Grenze nicht berücksichtigt werden. Es erfolgt also ein Ansatz des vorhandenen Verwaltungsvermögens zum Bruttowert. Allein eine Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten im Konzern ist vor Durchführung des Tests der 90 %-Grenze zulässig. Hat z. B. ein Großhandelsunternehmen hohe Forderungen gegenüber Kunden, aber leider auch hohe Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten ausstehen, können die Forderungen aufgrund der bei Anwendung der 90 %-Grenze nicht zulässigen Verrechnung von Finanzmitteln mit Schulden gegen Dritte zum kompletten Wegfall der erbschaftsteuerlichen Begünstigung führen, auch wenn sie in Realität ähnlich hoch wie die Verbindlichkeiten sind und deshalb bei der weiteren steuerlichen Prüfung anhand des Finanzmitteltests als begünstigtes Vermögen behandelt würden.
Nun geht es ja beim Betriebsvermögen oftmals nicht nur um eine Gesellschaft, sondern vielmehr um Unternehmensstrukturen mit mehreren Gesellschaften. Hier ist im Rahmen einer sog. Verbundvermögensaufstellung letztlich eine Gesamtschau vorgesehen, bei der - wie Sie gerade ausführten - ausdrücklich Forderungen und Verbindlichkeiten im Konzern, steuerlich Verbund genannt, verrechnet werden dürfen. Ist damit die 90 %-Schwelle im Rahmen der Konzernfinanzierung praktisch kein Problem?
Verrechnet werden grundsätzlich Forderungen z. B. der Muttergesellschaft gegenüber der Tochtergesellschaft mit den entsprechenden Verbindlichkeiten der Tochter- gegenüber der Muttergesellschaft in Höhe der Beteiligung. Nicht verrechnet werden jedoch - und das hat große praktische Auswirkungen in häufig genutzten Personengesellschaftsstrukturen -, wenn Forderungen einer Muttergesellschaft gegenüber Tochterpersonengesellschaften bestehen und damit sog. Sonderbetriebsvermögen der Muttergesellschaft bei der Tochterpersonengesellschaft darstellen. Im Richtlinienentwurf vertritt die Finanzverwaltung eine entsprechende Rechtsauffassung auch dann, wenn sich Forderungen im Sonderbetriebsvermögen der Muttergesellschaft und entsprechende Verbindlichkeiten der Tochtergesellschaft gegenüberstehen. Die Forderungen bleiben in diesem Fall also ungekürzt und erhöhen das Bruttoverwaltungsvermögen im Rahmen des 90 %-Tests.
Was raten Sie Ihren Mandanten in diesen Fällen? Gibt es hier ein allgemein gültiges Rezept?
Es sollte in diesen Fällen darauf geachtet werden, dass Tochterpersonengesellschaften durch Zuführung von Eigenkapital finanziert werden. Allerdings führt dies leider innerhalb von zwei Jahren nach der Zuführung dazu, dass der zugeführte Betrag als sog. junge Finanzmittel ohne Gewährung einer Begünstigung bei einer Erbschaft oder Schenkung besteuert würde. Alternativ sollten Tochtergesellschaften in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft geführt werden, da hier die Verrechnung der Forderung der Muttergesellschaft mit der Verbindlichkeit der Tochterkapitalgesellschaft zulässig ist. Dieses Beispiel zeigt zudem, dass die Auffassung der Finanzverwaltung nicht richtig sein kann. Man sollte sich also gegen entsprechende Steuerfestsetzungen in diesen Fällen wehren.