Der BFH hatte über einen Streitfall zu entscheiden, in dem ein verpachteter land- und forstwirtschaftlichen Betrieb infolge des Tods des Erblassers in 2016 auf seine sechs Erben zu gleichen Teilen überging. Diese erklärten nach dem Todeszeitpunkt des Erblassers die Aufgabe des Betriebs auf einen Zeitpunkt vor dessen Tod unter Inanspruchnahme der Rückwirkung von maximal drei Monaten nach § 16 Abs. 3b Satz 2 EStG. Dadurch entstand ein Aufgabegewinn, der im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2016 für den Erblasser berücksichtigt wurde und zu einer Einkommensteuernachzahlung nebst Nebensteuern führte.
Mit Urteil vom 10.5.2023 (Az. II R 3/21, DStR 2023, S. 2171) versagt der BFH die Berücksichtigung der Einkommensteuer und den damit in Zusammenhang stehenden Nebensteuern (Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) als eine vom Erblasser herrührende Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG.
Zwar werde nicht vorausgesetzt, dass zum Todeszeitpunkt des Erblassers und damit zum Zeitpunkt der Steuerentstehung eine rechtliche Verpflichtung bereits bestanden habe. Als Nachlassverbindlichkeiten könnten vielmehr bereicherungsmindernd auch Steuerschulden aus der Veranlagung des Erblassers für dessen Todesjahr zu berücksichtigen sein, obwohl sie beim Erbfall noch nicht rechtlich entstanden waren.
Entscheidend für den Abzug als Nachlassverbindlichkeiten sei aber, dass der Erblasser selbst steuerrelevante Tatbestände verwirklicht habe. Werden steuerrelevante Tatbestände hingegen durch den Erben als Gesamtrechtsnachfolger „für den Erblasser“ verwirklicht, sei der Abzug als Nachlassverbindlichkeiten abzulehnen. Da die Steuerbelastung erst durch die rückwirkend erklärte Aufgabeerklärung der Erben ausgelöst worden sei, verneint der BFH hier das Vorliegen einer Nachlassverbindlichkeit.
Hinweis: Zwar entschied der BFH mit Urteil vom 4.7.2012 (II R 15/11), dass der Abzug der Einkommensteuer für das Todesjahr als Nachlassverbindlichkeiten auch dann möglich sei, wenn im Zeitpunkt des Erbfalls die konkrete Steuerbelastung noch durch mögliche Wahlrechtsausübungen beeinflusst werden kann. Das stehe jedoch nicht im Widerspruch zur nun vorliegenden Entscheidung, da darunter nur Fälle zu fassen seien, in denen der Erblasser bereits den Tatbestand verwirklicht hat, an den die Einkommensteuerpflicht anknüpft. Die rückwirkende Erklärung der Betriebsaufgabe durch die Erben erfülle hingegen erstmals den steuerbegründenden Tatbestand.