Das wurde zu einem bahnbrechenden Erfolg: Inzwischen haben sich über 900 Mitarbeiter und damit fast 60 % aller berechtigten Mitarbeiter, für „valuetimES“ entschieden. Über die Motivationslage, den Prozess und die Fallstricke dieser Erfolgsgeschichte sprechen wir mit Norbert Pachl von der LBBW, Christian Wiecha von Penstrust sowie Moritz Berkenheide, Bereichsleiter Personal bei Ebner Stolz, und Dr. Hanno Rädlein, Rechtsanwalt und Partner bei Ebner Stolz.
Herr Berkenheide, was war seinerzeit die Motivation zur Einführung eines Wertkontos bei Ebner Stolz? Bzw. warum war es wichtig, das Thema Arbeitszeit und Überstunden auf ein solides Fundament zu stellen?
Herr Berkenheide: Die Motivation für die Einführung von valuetimES war vielschichtig. Zum einen haben wir den steigenden Wunsch unserer eigenen Mitarbeitenden nach Flexibilisierung gesehen und ernst genommen. Darüber bestand ein Berg von Rückstellungen für Resturlaub und Überstunden. Gerade das war ein wichtiger Punkt, um die Partnerschaft von der Einführung von valuetimES zu überzeugen. Aber auch im Wettbewerb um neue Kolleginnen und Kollegen kam vermehrt das Thema Arbeitszeitflexibilisierung und Arbeitszeitwertkonten zur Sprache. Darauf wollten wir reagieren - und damit punkten wir auch in unseren Vorstellungsgesprächen.
Herr Berkenheide, Sie haben sich ja interne und externe Berater ins Boot geholt. Warum war das erforderlich und die Frage an Sie alle, welche Rolle haben Sie als Berater eingenommen?
Herr Berkenheide: Die Einführung eines Arbeitszeit-Wertkontos ist eine sehr komplexe Mammutaufgabe, die aber lösbar ist, wenn man das richtige Team zur Verfügung hat. Es entstehen Fragestellungen rund ums Arbeitsrecht, die Lohnsteuer und Sozialversicherung sowie zu gesetzlichen, technischen oder unternehmensinternen Rahmenbedingungen, wie z. B. der zwingend notwendigen Insolvenzsicherung, die miteinander gelöst werden müssen. Da müssen Spezialisten ins Boot, vom Arbeitsrechtler über die Lohnsteuerexperten, die wir jeweils Gott sei Dank selbst im Unternehmen haben, bis zu den Experten zur FLEX II.
Herr Dr. Rädlein: Zunächst ging es darum, die wesentlichen rechtlichen Rahmenbedingungen aufzuzeigen. Ausgehend hiervon konnten wir gezielt das Team aus den verschiedenen Disziplinen zusammenstellen. Hierdurch waren wir in der Lage, auch auf neue Fragestellungen Antworten zu liefern, die sich erst im Laufe des Projekts gezeigt haben.
Herr Pachl: Die LBBW hat bereits umfangreiche Erfahrung bei der Konzeption und Umsetzung von Arbeitszeit-Wertkonten mit Kunden und Treuhändern. Für uns war es daher primär wichtig, die Intention und geschäftspolitischen Rahmenbedingungen von Ebner Stolz kennenzulernen. Im Team mit dem Unternehmen und den Treuhändern haben wir dann die notwendige Insolvenzsicherung der Arbeitszeit-Wertkonten für Ebner Stolz maßgeschneidert. Von Anfang an war klar, dass hier etwas geschaffen werden soll, was für Ebner Stolz passt. Von der ersten Teamsitzung an war dieser Ansatz zu spüren.
Herr Wiecha: Die PensExpert mit ihrem PensTrust als Treuhänder ist ein ganzheitlicher Systemanbieter für Zeitwertkonten. Wir führen die unterschiedlichen Teilbereiche bei der Gestaltung von Wertkonten zusammen und bringen sie zu einem Erfolg. Dabei unterstützen wir auch den Berater der LBBW als Produktlieferanten dabei, die Kapitalrückdeckung insolvenzfest zu organisieren, und zum anderen begleiten wir die einzelnen Abteilungen unseres Kunden Ebner Stolz bei der Zusammenführung der fünf Erfolgsfaktoren eines Zeitwertkontos. Zusammengefasst, wir unterstützen nicht nur in allen Fragestellungen rund um das Zeitwertkonto. Wir setzen die Systeme auch einfach und effizient für unsere Kunden um.
Herr Berkenheide: Zusätzlich hatten wir noch die Unterstützung aus dem Rechnungswesen und auch aus meinem Bereich, z. B. hinsichtlich des Personalmanagementsystems. Das war auch extrem wichtig und hat sich gerade später bei der Umsetzung ausgezahlt.
Wie wurde dann das unternehmensweit geltende Wertkonto aufgesetzt? Welche konkreten rechtlichen Hürden waren aus Ihrer Sicht, Herr Pachl, zu beachten?
Herr Pachl: Zwei rechtliche Komponenten bestimmen wesentlich ein derartiges Projekt: das Arbeitsrecht und der gesetzliche Rahmen für den Insolvenzschutz (FLEX II) aus dem SGB IV. Diese Vorgaben gilt es einzuhalten, ohne dass die Intention des Arbeitgebers verloren geht. Was hilft es, ein rechtskonformes Arbeitszeitmodell zu haben, das von den Mitarbeitern nicht angenommen wird und den Arbeitgeber übermäßig belastet. Die erfreulich hohe Akzeptanz bei den Beschäftigten zeigt, dass mit valuetimES die richtige Lösung für Ebner Stolz geschaffen wurde.
Wie kann der Insolvenzschutz sichergestellt werden? Aus welchen Gründen musste eine Treuhänderlösung gewählt werden, Herr Wiecha?
Herr Wiecha: Die Insolvenzsicherungspflicht von Wertguthaben ist im § 7e SGB IV geregelt, wobei der vom Deutschen Bundestag bevorzugte Weg das Treuhandmodell darstellt. Das Treuhandmodell bietet die Besonderheit, dass die Umsetzung der Insolvenzsicherung im Kollektiv für und ohne Mitwirkung eines einzelnen Beschäftigten durch das Unternehmen erfolgt. Dies hat den großen Vorteil, dass die Vermögenswerte kollektiv - also nur ein Depot - gehalten werden können. Ein aufwendiges einzelvertragliches Vorgehen, wie bspw. bei dem Sicherungsmodell Verpfändung, ist nicht notwendig. Zudem ergänzen wir die Sicherung um ein Insolvenzfestigkeitsgutachten, während Verpfändungen eher als Muster zur Verfügung gestellt werden und auch einige Fallstricke haben.
Wo lagen besondere Fallstricke in arbeitsrechtlicher Hinsicht, Herr Dr. Rädlein? Bzw. worauf ist besonders zu achten?
Herr Dr. Rädlein: Wesentlich war, die Gesamtheit der rechtlichen Fragestellungen im Auge zu behalten. Darüber hinaus ist es in einem solchen Projekt in der Regel nicht zielführend, nur seinen eigenen rechtlichen Ansatz durchzusetzen, sondern bereits bei den Gestaltungsalternativen die Implikationen auf die anderen Fachbereiche zu berücksichtigen. Der schönste Ansatz ist wenig wert, wenn er nicht durchsetzbar ist. Mithin gab es häufig nicht die eine Lösung, sondern jene, welche den Anforderungen aller Beteiligen am besten gerecht wurde.
Wie wird ein solches Wertguthaben sozialversicherungsrechtlich beurteilt?
Herr Dr. Rädlein: Aus der Sicht des Sozialversicherungsrechts ist zentral, dass der Mitarbeiter trotz der Freistellung sozialversicherungsrechtlich abgesichert ist. Anders als bspw. bei der Auszahlung von Überstunden wird bei Langzeitkonten das Ansparen nicht verbeitragt. Erst bei der Auszahlung erfolgt die Belastung mit gesetzlichen Abgaben. Hierdurch steht der Mitarbeiter auch in der Freistellungsphase in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis - obwohl er nicht arbeitet.
Welche systemseitigen Lösungen muss ein Unternehmen finden, wenn es ein Wertkonto umsetzen möchte und wie hat dies Ebner Stolz realisiert?
Herr Wiecha: Grundsätzlich besteht ein Wertkonto/ Zeitwertkonto aus fünf Elementen – Konzeption und rechtliche Gestaltung, Kontenführung, Insolvenzsicherung, Kapitalanlage und Kommunikation. Wenn alle Elemente wie Rädchen ineinandergreifen, entsteht ein Zeitwertkonten-System und kann erfolgreich wie im Fall von Ebner Stolz eingerichtet und umgesetzt werden. Ebner Stolz konnte einige Bereiche selbst abdecken, sodass wir als PensExpert lediglich Teile ergänzen mussten. In der Regel übernehmen wir als Systemanbieter die fünf Elemente und stimmen die einzelnen Punkte mit dem Berater, wie hier mit der LBBW, und dem Kunden ab.
Welche Bestandteile fließen in ein solches Arbeitszeitkonto ein und wie wird dann Arbeitszeit angespart? Und an welchen Punkten musste besondere Überzeugungsarbeit in der Partnerschaft geleistet werden?
Herr Berkenheide: In valuetimES können in jedem Fall Resturlaubsansprüche und Überstunden, sofern diese extra abgegolten werden, eingebracht werden. Aber auch Teile des Fixgehalts bzw. die variable Vergütung bzw. Teile hiervon können optional in valuetimES eingezahlt werden. Dabei ist besonderes Augenmerk auf Einbringungen oberhalb der Beitragsgrenze in der Sozialversicherung zu legen und es sind die auf lange Sicht bestehenden Auswirkungen für den Arbeitgeber zu beachten. Aus diesem Grund ist die zusätzliche Einbringung von Vergütungsbestandteilen sicherlich der Teil gewesen, bei dem am stärksten Ideenreichtum gefordert war.
Gab es bei der Einführung von valuetimES nur Gewinner - oder auch Verlierer?
Herr Dr. Rädlein: Letztlich profitieren alle Beteiligten. Wir als Arbeitgeber haben ein modernes und glaubhaftes Mittel an der Hand, Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten. Die Mitarbeiter wiederum können durch valuetimES flexibel auf Änderungen in ihrer Lebenssituation und die damit verbundenen Anforderungen reagieren. Schließlich gibt es für unsere Mitarbeiter ganz handfeste Vorteile: Wer sich für valuetimES entscheidet, kann bspw. den Wert seines nicht genommenen Urlaubs unbegrenzt vortragen, ohne dass dieser verfällt. Hier gehen wir nicht nur weiter als die gesetzlichen Anforderungen, sondern weiter als die meisten Mitbewerber.
Wie erfolgte die Kommunikation an die Mitarbeiter und wie haben diese die Einführung von valuetimES aufgenommen, Herr Berkenheide?
Herr Berkenheide: Die interne Kommunikation der Einführung von valuetimES war natürlich ganz wichtig. Dazu haben wir - wie in Corona-Zeiten üblich - digitale Veranstaltungen gewählt und die berechtigten Mitarbeitenden sukzessive über die Chancen dieses Wertkontos sehr offen informiert. Teilweise mussten wir intern etwas Erklärungsarbeit für den Verlust der Aufzinsung bei der Umwandlung von Überstunden und Resturlaub leisten. Wir konnten die Mitarbeitenden aber damit überzeugen, dass sie quasi die Aufzinsung gegen mehr Flexibilität eintauschen konnten. Diese Vorgehensweise war genau richtig. Inzwischen haben sich schon mehr als 900 Mitarbeitende für valuetimES entschieden.
Auch im Recruiting wird dieses Modell übrigens mit großem Interesse wahrgenommen.
valuetimES auf dem Papier ist ja das eine - können die Mitarbeiter das Wertguthaben denn auch tatsächlich in Anspruch nehmen und wenn ja, wofür setzen sie es in erster Linie ein?
Herr Berkenheide: Bei uns arbeiten ja viele Kollegen auf das Steuerberater- und Wirtschaftsprüferexamen hin. Deshalb werden Freistellungen über valuetimES verstärkt für längere Weiterbildungszeiträume genutzt. Aber wir hatten auch schon den einen oder anderen Fall, bei dem das Wertkonto für andere persönliche Bedürfnisse, wie z. B. einen verlängerten Urlaub oder zur Kinderbetreuung, in Anspruch genommen wurde.
Wodurch unterscheidet sich das Konzept von Ebner Stolz vorrangig zu den ansonsten häufig anzutreffenden Lösungen, Herr Pachl?
Herr Pachl: Unser Konzept bzw. unsere Lösung vereinigt sowohl die Bedürfnisse der Beschäftigten sowie die Anforderungen von Ebner Stolz. Es handelt sich um eine individuelle Lösung und gerade nicht um eine technisch vorgegebene Standardlösung. Der Weg dorthin erforderte allerdings ein flexibles, kompetentes und kompromissbereites Umsetzungsteam mit einem gemeinsamen Ziel vor Augen. Von Anfang an hat jeder im Team dazu seine Erfahrungen und Kompetenzen eingebracht. Wir haben im Team immer die Lust am Gestalten gespürt. Daraus ist ein eigenes, individuelles Arbeitszeit-Wertkonto für Ebner Stolz, das valuetimES, entstanden – eben kein zugekauftes „Produkt“, mit dessen Facetten man leben muss.
Herr Dr. Rädlein, könnte das für Ebner Stolz entwickelte Konzept auch in anderen mittelständischen Unternehmen funktionieren?
Herr Dr. Rädlein: Selbstverständlich. Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind zwar vorgegeben, ausgehend hiervon ist es aber jederzeit möglich, je nach Wunsch auch andere Schwerpunkte zu setzen und so das Wertkonto auf die individuellen Bedürfnisse des Mandanten anzupassen.