Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine im April 2002 gegründete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Mit Beschluss vom Juli 2007 wurde das vollständig von der Y gehaltene Stammkapital der Klägerin im Wege der Barkapitalerhöhung von 25.000 € auf 5 Mio. € erhöht. Im August 2007 erwarb die Klägerin den gesamten Geschäftsbetrieb der 1993 gegründeten X. Zugleich änderte die Klägerin ihre Firma sowie ihren Gegenstand entsprechend. Daneben wurde der Anteil der Y am Stammkapital der Klägerin auf 90 Prozent (4,5 Mio. €) reduziert, indem Y dem B einen Geschäftsanteil i.H.v. 10 Prozent des Stammkapitals übertrug. B hatte dem bisherigen Management der X angehört und sollte für einen Übergangszeitraum als Geschäftsführer tätig werden. Die Klägerin hatte in der Folge 215 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von rd. 33 Mio. €.
Die Klägerin beantragte für verschiedene betriebliche Investitionen, die der quantitativen, qualitativen und sortimentsseitigen Erweiterung der Produktionskapazitäten dienten, die Gewährung einer Investitionszulage in Höhe von 12,5 Prozent für das Kalenderjahr 2008. Im Zuge der Durchführung einer betriebsnahen Veranlagung begehrte die Klägerin den erhöhten Fördersatz von 25 Prozent. Das Finanzamt ging dagegen davon aus, dass die Bemessungsgrundlage einen geringeren Betrag umfasse. Ferner stufte es die Klägerin und die Y als verbundene Unternehmen ein und ging daher davon aus, dass die Klägerin die Grenzwerte für die Einordnung als kleines und mittleres Unternehmen (KMU) überschreite. Mit Bescheid vom 9. Oktober 2009 setzte es die Investitionszulage auf Basis der 12,5 Prozent fest.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Klägerin lediglich einen Anspruch auf Investitionszulage in Höhe der vom Finanzamt im angefochtenen Investitionszulagenbescheid festgesetzten Grundzulage von 12,5 Prozent nach § 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 InvZulG 2007 hat.
Die Auslegung der in § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InvZulG 2007 als Voraussetzung des Anspruchs auf eine erhöhte Investitionszulage verwendeten KMU-Definition erfolgt nach einem aus europarechtlichen Maßstäben gewonnenen Begriffsverständnis. Nach § 5 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 InvZulG 2007 erhöht sich die Investitionszulage für den Teil der Bemessungsgrundlage, der auf Investitionen i.S.d. § 2 Abs. 1 InvZulG 2007 entfällt, wenn die beweglichen Wirtschaftsgüter während des Bindungszeitraums in einem begünstigten Betrieb verbleiben, der im Zeitpunkt des Beginns des Erstinvestitionsvorhabens zusätzlich die Begriffsdefinition für KMU im Sinne der Empfehlung der Kommission vom 6.5.2003 (Amtsblatt der Europäischen Union --ABlEU-- 2003 Nr. L 124, S. 36) erfüllt, auf 25 Prozent der Bemessungsgrundlage.
Die Definition der KMU ist europarechtlich zu interpretieren. Da die Vorteile, die den KMU gewährt werden, meist Ausnahmen von allgemeinen Regeln, z.B. im Bereich der staatlichen Beihilfen, darstellen, soll der Begriff der KMU nach der Rechtsprechung des EuGH eng ausgelegt werden. Zudem ist darauf zu achten, dass die Definition der KMU nicht durch eine rein formale Erfüllung der Kriterien umgangen wird. Vorliegend ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Beginns des Erstinvestitionsvorhabens ein verbundenes Unternehmen i.S.d. Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a des Anhangs der KMU-Empfehlung darstellte. Nach dieser Regelung liegt ein verbundenes Unternehmen u.a. dann vor, wenn ein Unternehmen die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens hält. Diese Voraussetzung war hier erfüllt, da die Y zu 90 Prozent an der Klägerin beteiligt war.
Zu Recht hat das FG auch angenommen, dass die Y nicht als Risikokapitalgesellschaft zu qualifizieren ist und sich daher insoweit nach Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 2 i.V.m. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. a des Anhangs der KMU-Empfehlung keine Vermutung dafür ergeben kann, dass die Y keinen beherrschenden Einfluss auf die Klägerin ausgeübt hat. Der Begriff der Risikokapitalgesellschaft ist in der KMU-Empfehlung nicht definiert. Zu Recht hat das FG zur Auslegung des Begriffes auf die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Förderung von Risikokapitalinvestitionen in KMU abgestellt. Nach der in Ziff. 2.2 Buchst. k der Leitlinien enthaltenen Begriffsbestimmung sind unter "Risikokapital" Beteiligungen oder beteiligungsähnliche Finanzierungen von Unternehmen in ihren frühen Wachstumsphasen (Seed-, Start-up- und Expansionsphase) zu verstehen. Der Begriff "Wagniskapital" schließt gem. Ziff. 2.2 Buchst. i der Leitlinien Frühphasen- und Expansionsphase, nicht aber Ersatzfinanzierungen und Buy-outs mit ein.
Hieraus ergibt sich, dass der Begriff des Risikokapitals einerseits in positiver Hinsicht besonders riskante Investitionen in einer frühen Wachstumsphase des Unternehmens erfordert. Andererseits grenzt er sich in negativer Hinsicht von dem Erwerb einer zumindest beherrschenden Beteiligung an einem Unternehmen durch Übernahme von Aktiva oder Geschäftsteilen von den bisherigen Anteilseignern durch Verhandlungen oder im Wege eines Übernahmeangebots ab. Letzteres muss im Hinblick auf den Erwägungsgrund 9 der KMU-Empfehlung auch in einem Zusammenhang damit gesehen werden, dass aus der Kategorie der KMU die Unternehmensgruppen ausgeklammert werden sollen, die über eine stärkere Wirtschaftskraft als ein KMU verfügen. Bei Anwendung dieser Grundsätze ist das FG zu Recht davon ausgegangen, dass die Y im Streitfall nicht als Risikokapitalgesellschaft tätig geworden ist.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.