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Ersatzbemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht ist verfassungswidrig

BVerfG 23.6.2015, 1 BvL 13/11 u.a.

Die Re­ge­lung über die Er­satz­be­mes­sungs­grund­lage gem. § 8 Abs. 2 GrEStG im Grund­er­werb­steu­er­recht ist mit dem Gleich­heits­satz nach Art. 3 Abs. 1 GG un­ver­ein­bar. Der Ge­setz­ge­ber ist ver­pflich­tet, spätes­tens bis zum 30.6.2016 rück­wir­kend zum 1.1.2009 eine Neu­re­ge­lung zu tref­fen. Bis zum 31.12.2008 ist die Vor­schrift wei­ter an­wend­bar.

Hin­ter­grund:
Re­gel­be­mes­sungs­grund­lage für die Grund­er­werb­steuer ist nach § 8 Abs. 1 GrEStG der Wert der Ge­gen­leis­tung, ins­be­son­dere der Kauf­preis. Auf die Er­satz­be­mes­sungs­grund­lage nach § 8 Abs. 2 GrEStG ist zurück­zu­grei­fen, wenn eine Ge­gen­leis­tung fehlt, bei Er­werbs­vorgängen auf ge­sell­schafts­ver­trag­li­cher Grund­lage so­wie bei Über­tra­gung von min­des­tens 95% der An­teile an Ge­sell­schaf­ten. Kommt es auf die Er­satz­be­mes­sungs­grund­lage an, be­misst sich die Grund­er­werb­steuer nach den §§ 138 ff. BewG.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin des Aus­gangs­ver­fah­rens zu Az.: 1 BvL 13/11 ist eine Körper­schaft US-ame­ri­ka­ni­schen Rechts. Am 26.4.2001 hatte sie eine GmbH und eine GbR ge­kauft, zu de­ren Ge­sell­schafts­vermögen zahl­rei­che un­be­baute, be­baute so­wie land- und forst­wirt­schaft­li­che Grundstücke gehörten.

Die Kläge­rin des Aus­gangs­ver­fah­rens zu Az.: 1 BvL 14/11 ist eine GmbH. Sie hatte am 18.12.2002 von ih­rer Al­lein­ge­sell­schaf­te­rin, ei­ner AG, den ein­zi­gen Ge­schäfts­an­teil an ei­ner an­de­ren GmbH, die Ei­gentüme­rin ei­nes un­be­bau­ten und ei­nes be­bau­ten Grundstücks war, ge­kauft.

Die Kla­gen ge­gen die je­wei­li­gen Grund­er­werb­steu­er­be­scheide blie­ben er­folg­los. Auf die Re­vi­sio­nen der Kläge­rin­nen hat der BFH die bei­den Aus­gangs­ver­fah­ren aus­ge­setzt und die Sa­che dem BVerfG im Hin­blick auf die Ver­fas­sungsmäßig­keit der Er­satz­be­mes­sungs­grund­lage zur Vor­ab­ent­schei­dung vor­ge­legt.

Die Gründe:
§ 8 Abs. 2 GrEStG ist mit dem Gleich­heits­satz gem. Art. 3 Abs. 1 GG un­ver­ein­bar.

Wird die Grund­er­werb­steuer nach der Er­satz­be­mes­sungs­grund­lage des § 8 Abs. 2 GrEStG mit Hilfe der Be­wer­tungs­vor­schrif­ten gem. §§ 138 ff. BewG be­stimmt, hat dies eine er­heb­li­che Un­gleich­be­hand­lung ge­genüber den Steu­er­schuld­nern zur Folge, de­ren Grund­er­werb­steuer auf der Grund­lage der Re­gel­be­mes­sungs­grund­lage nach § 8 Abs. 1 GrEStG be­rech­net wird. Da die Ver­trag­schließen­den meist ge­genläufige In­ter­es­sen ver­fol­gen, wird die Ge­gen­leis­tung re­gelmäßig dem ge­mei­nen Wert (d.h. dem Ver­kehrs­wert) des Grundstücks ent­spre­chen. Liegt die ver­ein­barte Ge­gen­leis­tung im Ein­zel­fall deut­lich dar­un­ter oder darüber, geht die Rechts­pra­xis je­doch da­von aus, dass in­so­weit eine Schen­kung vor­liegt, die dem­ent­spre­chend der Schen­kung­steuer un­terfällt.

Dem­ge­genüber wei­chen die Werte, die nach den Be­wer­tungs­re­geln der §§ 138 ff. BewG als Er­satz­be­mes­sungs­grund­lage er­mit­telt wer­den, er­heb­lich vom ge­mei­nen Wert ab. Dies er­gibt sich aus den Fest­stel­lun­gen im BVerfG-Be­schluss vom 7.11.2006 (Az.: 1 BvL 10/02), die auch in die­sem Ver­fah­ren ver­wert­bar sind. Ent­schei­dend hierfür ist, dass die An­wen­dung der Be­wer­tungs­re­geln in bei­den Steu­er­ar­ten letzt­lich auf das glei­che Ziel ge­rich­tet ist, den ge­mei­nen Wert fest­zu­stel­len.

Für be­baute Grundstücke führt das in § 146 Abs. 2 BewG an­ge­ord­nete, ver­ein­fachte Er­trags­wert­ver­fah­ren zu Wer­ten, die im Durch­schnitt 50% un­ter dem Kauf­preis und da­mit un­ter dem ge­mei­nen Wert lie­gen. Außer­dem ist der starre Ver­vielfälti­ger von 12,5 zur Be­stim­mung des Durch­schnitts­er­trags struk­tu­rell un­ge­eig­net, um eine gleich­heits­ge­rechte Annäherung an den ge­mei­nen Wert zu er­zie­len; die Ein­zel­er­geb­nisse dif­fe­rie­ren zwi­schen we­ni­ger als 20% und über 100% des ge­mei­nen Werts. Der Wert ei­nes un­be­bau­ten Grundstücks be­stimmt sich gem. § 145 Abs. 3 BewG nach dem um 20% ermäßig­ten Bo­den­richt­wert. Berück­sich­tigt man den vor­sich­ti­gen An­satz der Bo­den­richt­werte, wird so durch­schnitt­lich le­dig­lich ein Be­wer­tungs­ni­veau von rund 70% der Ver­kehrs­werte er­reicht.

Der land- und forst­wirt­schaft­li­che Grund­be­sitz­wert wird nach § 144 BewG aus dem Be­triebs­wert, dem Wert der Be­triebs­woh­nun­gen und dem Wert des Wohn­teils ge­bil­det. Für den Wert der Be­triebs­woh­nung und des Wohn­teils er­ge­ben sich die­sel­ben Un­gleich­hei­ten wie bei der Be­wer­tung be­bau­ter Grundstücke. Zu­dem er­reicht der land- und forst­wirt­schaft­li­chen Grund­be­sitz­wert im Durch­schnitt le­dig­lich rund 10% des Ver­kehrs­werts. Ein hin­rei­chend ge­wich­ti­ger Sach­grund zur Recht­fer­ti­gung die­ser er­heb­li­chen Un­gleich­be­hand­lung ist nicht er­sicht­lich; sie ist da­her mit Art. 3 Abs. 1 GG un­ver­ein­bar.

Die Un­ver­ein­bar­keit mit Art. 3 Abs. 1 GG ist auf die Re­ge­lung über die Er­satz­be­mes­sungs­grund­lage be­schränkt; sie ist ab dem 1.1.2009 nicht mehr an­wend­bar und vom Ge­setz­ge­ber durch eine Neu­re­ge­lung zu er­set­zen. Die Ta­rif­norm des § 11 Abs. 1 GrEStG wird da­von nicht er­fasst. Die Un­an­wend­bar­keit der Er­satz­be­mes­sungs­grund­lage steht der Steu­er­er­he­bung in den Fällen der Re­gel­be­mes­sungs­grund­lage des § 8 Abs. 1 GrEStG nicht ent­ge­gen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BVerfG veröff­ent­licht.
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