Grundsätzlich kann ein Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit mit ordnungsgemäß ausgestellten ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nachweisen. Jedoch kann der Arbeitgeber deren Beweiswert erschüttern, wenn er tatsächliche Umstände darlegt und ggf. beweist, die nach einer Gesamtbetrachtung Anlass zu ernsthaften Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers geben. Wie das BAG mit Urteil vom 13.12.2023 (Az. 5 AZR 137/23) klarstellt, sei das LAG Niedersachsen in seinem Urteil vom 08.03.2023 (Az. 8 Sa 859/22, siehe auch novus Juli 2023, S. 25) bei der Prüfung des Beweiswerts von während einer laufenden Kündigungsfrist ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zutreffend davon ausgegangen, dass für die Erschütterung deren Beweiswerts nicht entscheidend ist, ob es sich um eine arbeitsnehmer- oder arbeitgeberseitige Kündigung handelt und ob für den Beweis der Arbeitsunfähigkeit eine oder mehrere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vorgelegt werden. Stets erforderlich sei allerdings eine einzelfallbezogene Würdigung der Gesamtumstände.
Hiernach habe das Berufungsgericht richtig erkannt, dass für die erste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Beweiswert nicht erschüttert ist, da es an einer zeitlichen Koinzidenz zwischen dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit und dem Zugang der Kündigung gefehlt habe: der Arbeitnehmer hatte zum Zeitpunkt der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine Kenntnis von der beabsichtigten Beendigung des Arbeitsverhältnisses, etwa durch eine Betriebsratsanhörung.
Bezüglich der beiden (Folge-)Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei der Beweiswert dagegen erschüttert. Das LAG habe insoweit nicht ausreichend berücksichtigt, dass zwischen der in den Folgebescheinigungen festgestellten passgenauen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit und der Kündigungsfrist eine zeitliche Koinzidenz bestand und der Kläger unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufgenommen hat.
Daraus folgt laut BAG, dass der Arbeitnehmer für die Zeit der Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Entgeltfortzahlungsanspruch habe.