Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten über den Abzug von Aufwendungen für ein Studium der Klägerin im Streitjahr 2004. Die Klägerin und der Kläger werden für das Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin war im Streitjahr 19 Jahre alt. Sie besuchte vor dem Zuzug nach Deutschland bei ihrem Vater in Weißrussland drei Jahre eine Kunstschule, anschließend studierte sie in Weißrussland an der Universität Pädagogik. Weder die künstlerische Ausbildung beim Vater noch das Studium in Weißrussland beendete die Klägerin durch Abschlussprüfungen. Sie begann im Streitjahr 2004 an der Universität in A ein Studium der Slawistik und Kunstpädagogik. Dieses Studium schloss sie 2010 mit der Magisterprüfung erfolgreich ab. Bereits während der Ausbildung in Weißrussland arbeitete die Klägerin als Künstlerin und Buchillustratorin. Sie erzielte aus dieser Tätigkeit in Weißrussland Einnahmen und führte diese Tätigkeit in Deutschland fort.
Nachdem das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für das Streitjahr im Einkommensteuerbescheid 2004 geschätzt hatte, erhoben die Kläger Einspruch. Die Klägerin machte einen Verlust aus ihrer künstlerischen Tätigkeit bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit geltend, den sie im Rahmen einer Einnahmen-Überschussrechnung ermittelte. Von den Betriebseinnahmen i.H.v. 120 € zog sie Betriebsausgaben für das im Streitjahr aufgenommene Studium in A ab. Sie trug im Streitjahr studienbezogene Aufwendungen, die auf Arbeitsmittel, Immatrikulationskosten, Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung und Fahrtkosten entfielen, i.H.v rd. 9.000 €. Das Finanzamt berücksichtigte bei den Einkünften der Klägerin aus selbständiger Tätigkeit die erklärten Betriebseinnahmen abzgl. pauschal geschätzter Betriebsausgaben i.H.v. 25 % und setzte Einkünfte aus selbständiger Arbeit i.H.v. 90 € an. Die Aufwendungen für das Studium berücksichtigte das Finanzamt als Sonderausgaben i.H.v. 4.000 € gem. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der im Streitjahr zunächst geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und weiterer Gesetze vom 21.7.2004. Es setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr entsprechend fest.
Das FG gab der anschließend erhobenen Klage weitgehend statt. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH das Urteil auf und wies die Klage ab.
Die Gründe:
Das FG hat die Aufwendungen der Klägerin für das Studium in A zu Unrecht als Betriebsausgaben bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit abgezogen.
§ 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG konkretisiert wie § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG für den Werbungskostentatbestand den Begriff des Betriebsausgabentatbestands dahingehend, dass die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für ein Erststudium, das eine Erstausbildung vermittelt, nicht beruflich veranlasst und damit weder unbeschränkt abzugsfähig sind (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 4 Abs. 4 EStG) noch als negative Einkünfte in andere Veranlagungszeiträume zurück- oder vorgetragen werden können (§ 10d EStG). Mit dem Merkmal des "Erststudiums, das eine Erstausbildung vermittelt" in § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG grenzt der Gesetzgeber gemischt veranlasste Aufwendungen für ein Erststudium, die nicht unter den Betriebsausgabenbegriff fallen, von Aufwendungen für ein Erststudium ab, die beruflich veranlasst sind. §§ 4 Abs. 9, 9 Abs. 6, 10 Abs. 1 Nr. 7, 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG verdeutlichen die Grundentscheidung des Gesetzgebers, dass eine Erstausbildung auch in Form eines Erststudiums generell der privaten Lebensführung zuzuordnen ist. Da der berufliche Veranlassungszusammenhang zwischen einer Erstausbildung und der späteren Berufstätigkeit typischerweise nicht hinreichend konkret ist, weist der Gesetzgeber Aufwendungen für eine solche Erstausbildung dem Sonderausgabenabzug und nicht dem Bereich der Einkünfteermittlung zu.
Unter den Begriff des Erststudiums, das eine Erstausbildung i.S.d. § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG vermittelt, fallen somit insbesondere Erststudien, die nach dem Schulabschluss aufgenommen werden. Die Vorschrift erfasst ein Erststudium, das eine Erstausbildung darstellt, jedoch auch, wenn das Studium im Hinblick auf eine bestimmte spätere Erwerbstätigkeit zielgerichtet aufgenommen wird und damit einen konkreten Veranlassungszusammenhang zu dieser Erwerbstätigkeit aufweist. Denn auch bei der Ausrichtung des Studiums auf eine objektiv und subjektiv angestrebte konkrete Erwerbstätigkeit ist typisierend von gemischten untrennbaren Veranlassungsbeiträgen auszugehen, bei denen der private Beitrag der Aufwandstragung nicht völlig unbedeutend ist. Vorliegend war das Studium für die Klägerin ein Erststudium. Denn sie hatte ihr vorheriges Studium der Pädagogik in Weißrussland nicht durch eine Abschlussprüfung beendet. Ferner diente das Studium der Slawistik und Kunstpädagogik bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise auch der Erstausbildung der Klägerin. Sie nahm das Studium im Streitjahr im Alter von 19 Jahren auf und betrieb es in Vollzeit, um Kenntnisse zu erwerben, die der angestrebten späteren Vollzeittätigkeit als Künstlerin und Buchillustratorin dienen sollten. Sie wollte durch das Studium die Grundlagen für die künstlerische Tätigkeit schaffen. Das Studium förderte danach sowohl die Persönlichkeitsentwicklung als auch die Erwerbstätigkeit der Klägerin.
Es liegen somit untrennbar gemischte Veranlassungszusammenhänge vor, bei denen der private Beitrag der Aufwandstragung nicht völlig unbedeutend ist. Solche Aufwendungen sind nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG vom Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen und dem Bereich der Sonderausgaben gem. § 10 Abs. Nr. 7 EStG zugewiesen. Ein Erststudium, das eine schon ausgeübte künstlerische Tätigkeit fördern soll, verliert nicht den Charakter einer "Erstausbildung" i.S.d. § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG, wenn es objektiv - wie im Streitfall - sowohl der Persönlichkeitsentwicklung als auch der Entwicklung der künstlerischen Fähigkeiten des Steuerpflichtigen dient. Das Studium der Klägerin hatte auch unter Berücksichtigung des in Weißrussland Gelernten, ihrer künstlerischen Eigenausbildung und der schon begonnenen künstlerischen Erwerbstätigkeit nicht den Charakter eines rein beruflich veranlassten berufsbegleitenden Studiums oder einer Zweitausbildung.
Die Regelung des § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG ist hinsichtlich der Grundentscheidung des Gesetzgebers, betrieblich veranlasste Aufwendungen für ein Erststudium, das eine Erstausbildung vermittelt, als auch hinsichtlich der Abgrenzung solcher Aufwendungen zu den rein beruflich veranlassten Aufwendungen für eine Zweitausbildung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem Grundrecht der Berufsfreiheit gem. Art. 12 GG vereinbar. Zwar verhält sich der BVerfG-Beschluss v. 19.11.2019 (2 BvL 22-27/14) nur zu § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG und entfaltet auch nur insoweit Gesetzeskraft. Angesichts der Ausführungen in den Entscheidungsgründen des BVerfG-Beschlusses (weiterhin) ist von der Verfassungsmäßigkeit des gleichlautenden § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG auszugehen. Die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für ein Erststudium, das eine Erstausbildung vermittelt, als Sonderausgaben bis zu einem Höchstbetrag von 4.000 € gem. § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG verletzt auch nicht das Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums oder sonstige betroffene Grundrechte (Art. 1 Abs. 1, Art.20 Abs. 1 und Art. ´6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG). Die rückwirkende Geltung der Vorschrift des § 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG i.V.m. der zeitlichen Anwendungsbestimmung in § 52 Abs. 12 Satz 11 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG im Streitjahr die verfassungsrechtlich geschützten Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nicht verletzt und auch insoweit verfassungsgemäß ist.
§ 4 Abs. 9 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG erfasst Aufwendungen für ein Erststudium, das eine Erstausbildung vermittelt, auch dann, wenn das Studium objektiv und subjektiv der Förderung einer konkreten späteren Erwerbstätigkeit dient. Die Vorschrift ist im Hinblick auf die übertragbaren Ausführungen zu § 9 Abs. 6 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG im BVerfG-Beschluss vom 19.11.2019 (2 BvL 22-27/14) mit Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 12 GG und dem Prinzip der Steuerfreiheit des Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG) vereinbar. Die rückwirkende Anwendung der Regelung des § 4 Abs. 9 EStG i.V.m. § 52 Abs. 12 Satz 11 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG für die Veranlagungszeiträume ab 2004 ist verfassungsgemäß.