Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist im Rahmen einer gewerbesteuerlichen Organschaft Organträgerin für die A-GmbH. Den Gewerbesteuermessbetrag für das Streitjahr 2010 setzte das Finanzamt zunächst erklärungsgemäß auf 0 € fest. Den vortragsfähigen Gewerbeverlust stellte es auf den 31.12.2010 fest. Bei einer Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, dass die Gesellschaft bis 2009 keinen erweiterten Kürzungsbetrag für Grundbesitz geltend gemacht hatte, weil sie über die Verwaltung des eigenen Grundbesitzes und über die Errichtung und Veräußerung von Ein- und Zweifamilienhäusern sowie Eigentumswohnungen hinaus einen gewerblichen Grundstückshandel betrieben hatte. Zum Ende 2009 sollte planmäßig der gesamte eigene Grundstücksbestand der A-GmbH an die Z-GmbH veräußert werden. Aus diesem Grunde hatte die Klägerin, nach dem Wegfall "schädlicher" Aktivitäten, für 2010 die erweiterte Kürzung gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG um den Teil des Gewerbeertrags geltend gemacht, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes der A-GmbH entfiel.
Das Finanzamt meinte, das zurückbehaltene Grundstück sei bis zur Gewinnrealisierung dem gewerblichen Grundstückshandel der A-GmbH zuzuordnen; hieraus habe die A-GmbH noch im Jahr 2010 originäre gewerbliche Einkünfte erzielt, die der erweiterten Kürzung entgegenstünden. Einkünfte aus der Errichtung und Veräußerung von Einfamilienhäusern seien für die Gewährung der erweiterten Kürzung nur unschädlich, wenn sie im Rahmen bloßer privater Vermögensverwaltung, nicht aber eines gewerblichen Grundstückshandels angefallen seien. Das Finanzamt berücksichtigte nur die einfache Kürzung gem. § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG, erließ einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid für 2010 und hob zugleich die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2010 gem. § 35 b Abs. 2 GewStG auf.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat der Klägerin bei der Zurechnung des Gewerbeertrags der Organgesellschaft A-GmbH die erweiterte Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes der A-GmbH betrifft, zu Unrecht versagt.
Bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Ein- oder Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, tritt bei der Ermittlung des Gewerbeertrages (§ 7 GewStG) gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG auf Antrag an die Stelle der Kürzung nach Nr. 1 S. 1 der Vorschrift die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrages, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Tätigkeit der A-GmbH beschränkte sich im Streitjahr 2010 darauf, eigenen Grundbesitz zu verwalten und zu nutzen, mit Ausnahme der Fertigstellung und Veräußerung des Einfamilienhaus-Grundstücks S-Straße in S-Stadt.
Die Errichtung und Veräußerung dieses Objekts ist der A-GmbH zuzurechnen. Sie war gegenüber den Erwerbern als Vertragspartnerin des Grundstückskaufvertrags und Bauerrichtungsvertrags verpflichtet, das erschlossene unbebaute Grundstück zu übereignen, mit der übernommenen weiteren Verpflichtung, hierauf ein freistehendes Einfamilienhaus schlüsselfertig zu errichten. Zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen hat sie die Z-GmbH lediglich eingeschaltet; die A-GmbH hat ersichtlich nicht ein halbfertiges Grundstücksobjekt auf die Z-GmbH übereignet oder ihre eigene vertragliche Verpflichtung als Veräußerin auf die Z-GmbH übertragen. Damit hat die A-GmbH im Streitjahr 2010 die Errichtung und Veräußerung eines Einfamilienhauses selbst betrieben.
Diese Tätigkeit ist unschädlich im Hinblick auf die erweiterte Kürzung des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Errichtung und Veräußerung von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen an sich im Rahmen eines gewerblichen Grundstückshandels stattfindet. Der Gesetzeswortlaut sieht ausdrücklich vor, dass die Bauträgertätigkeit der erweiterten Kürzung nicht entgegensteht. Der Gesetzgeber hat die "klassische" Bauträgertätigkeit auch bewusst als unschädlich angesehen. Allerdings ist der Gesetzgeber zunächst über das Ziel hinausgeschossen, indem er die Bauträgerumsätze in die Kürzung des Gewerbeertrags der Grundstücksunternehmen einbezogen hat. Mit Wirkung ab 1982 wurde dies korrigiert: Die Bauträgertätigkeit ist zwar weiterhin unschädlich, jedoch sind die Gewinne aus der Bauträgertätigkeit seitdem in den Gewerbeertrag einzubeziehen.
Würde man die klassische Bauträgertätigkeit nur im vermögensverwaltenden Umfang als unschädlich (für die erweiterte Kürzung des § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG) erachten, liefe der Anwendungsbereich des Gesetzes im Wesentlichen leer und der gesetzgeberische Wille würde verfehlt. In diesem Sinne dürfte auch der BFH zu verstehen sein, wonach die Errichtung und Veräußerung von Eigentumswohnungen, auch wenn sie der Sache nach eine gewerbliche Tätigkeit darstellt, die erweiterte Kürzung ermöglicht. Schädlich hingegen im Hinblick auf die erweiterte Kürzung sind weitere Formen eines gewerblichen Grundstückshandels, soweit hier die 3-Objekte-Grenze überschritten wird. Ein solcher Fall ist hier ersichtlich nicht gegeben.
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