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Steuerberatung

Kommt die erweiterte Verlustverrechnung zu spät?

Mit der am 10.06.2022 er­folg­ten Zu­stim­mung des Bun­des­rats zum Vier­ten Corona-Steu­er­hil­fe­ge­setz tritt u. a. eine noch­ma­lige Aus­wei­tung der Ver­lust­ver­rech­nungsmöglich­kei­ten in Kraft. Der Ge­setz­ge­ber möchte da­mit den durch die Coro­na­krise in Engpässe ge­ra­te­nen Un­ter­neh­men die benötigte Li­qui­dität zur Verfügung stel­len. Laut Bun­des­fi­nanz­mi­nis­ter Chris­tian Lind­ner soll die Ver­bes­se­rung der Ver­lust­nut­zung einen Bei­trag zur wirt­schaft­li­chen Er­ho­lung und zur Stärkung der Kon­junk­tur leis­ten.

Steuerliche Verlustverrechnungsregelungen

Grundsätz­lich können er­wirt­schaf­tete Ge­winne mit ge­ne­rier­ten Ver­lus­ten aus­ge­gli­chen wer­den. Steu­er­lich sind da­bei je­doch ei­nige Ein­schränkun­gen zu be­ach­ten. Sind nach dem Aus­gleich von Ge­win­nen und ­Ver­lus­ten in­ner­halb ei­nes Wirt­schafts­jah­res noch nicht aus­ge­gli­chene Ver­luste vor­han­den, können diese in be­grenz­tem Um­fang in die Ver­gan­gen­heit (Ver­lustrück­trag) oder un­ter Be­ach­tung der sog. Min­dest­be­steue­rung in die Zu­kunft (Ver­lust­vor­trag) über­tra­gen wer­den. Diese Re­ge­lung gilt so­wohl für die Ein­kom­mens- als auch die Körper­schaft­steuer. Im Rah­men der Be­steue­rung mit Ge­wer­be­steuer ist hin­ge­gen le­dig­lich ein Ver­lust­vor­trag vor­ge­se­hen.

Ausweitung des Verlustrücktrags

Steu­er­pflich­tige können Ver­luste, die nicht in­ner­halb ei­nes Ver­an­la­gungs­zeit­raums aus­ge­gli­chen wer­den können, bis zu einem Höchst­be­trag vom Ge­samt­be­trag der Einkünfte des un­mit­tel­bar vor­an­ge­gan­ge­nen Jah­res ab­zie­hen. Auf An­trag kann von der An­wen­dung die­ses Ver­lustrück­trags ganz oder teil­weise ab­ge­se­hen wer­den.

Die Höchst­beträge für den Ver­lustrück­trag be­lau­fen sich auf re­gelmäßig 1 Mio. Euro bzw. 2 Mio. Euro für zu­sam­men­ver­an­lagte Ehe­gat­ten. Für die Jahre 2020 und 2021 wur­den diese Höchst­beträge auf 10 Mio. Euro bzw. 20 Mio. Euro erhöht. Mit dem Vier­ten Corona-Steu­er­hil­fe­ge­setz wer­den diese an­ge­ho­be­nen Höchst­be­trags­gren­zen bis Ende 2023 verlängert.

Zusätz­lich wird nach den Plänen des Ge­setz­ge­bers der Ver­lustrück­trag ab dem Ver­lus­tent­ste­hungs­jahr 2022 dau­er­haft zeit­lich er­wei­tert. Kon­kret können Ver­luste, die in dem di­rekt vor­ange­gan­ge­nen Jahr nicht aus­ge­gli­chen wer­den, in das zweite dem Ver­lust­jahr vor­an­ge­gan­ge­nen Jahr zurück­ge­tra­gen ­wer­den. Das der­zeit gel­tende Wahl­recht, Ver­luste nur teil­weise in das Vor­jahr rück­zu­tra­gen, wird im Zuge der Neu­re­ge­lung al­ler­dings ab­ge­schafft. Ab dem Ver­lus­tent­ste­hungs­jahr 2022 kann nur noch ins­ge­samt auf den Ver­lustrück­trag ver­zich­tet wer­den.

Entlastung für Unternehmen bei Liquiditätsengpässen

So­fern Un­ter­neh­men in dem Jahr vor dem Ver­lu­stein­tritt Ge­winne er­zielt ha­ben, ent­steht durch die nachträgli­che Ver­rech­nung von rück­ge­tra­ge­nen Ver­lus­ten zusätz­li­che Li­qui­dität in Form von rück­fließen­den Steu­er­zah­lun­gen. Die­ser Vor­teil ge­genüber einem Ver­lust­vor­trag, wel­cher le­dig­lich die zukünf­tige Er­trag­steu­er­be­las­tung min­dert, wird durch die dau­er­hafte zeit­li­che Aus­wei­tung verstärkt.

 

 

Zeitpunkt der Maßnahme relativiert deren Wert

Der er­wei­terte Ver­lustrück­trag kann seine Wir­kung aber nur ent­fal­ten, wenn in der Ver­gan­gen­heit aus­rei­chend Ge­winne er­wirt­schaf­tet ­wur­den. Auf­grund der Corona-Krise war dies bei vie­len Un­ter­neh­men in den Jahre 2020 und 2021 nicht der Fall. Der Ver­lustrück­trag läuft bei die­sen Un­ter­neh­men da­mit ins Leere. Hin­sicht­lich der ge­setz­ge­be­ri­schen Ab­sicht, den durch die Krise in Engpässe ge­ra­te­nen Un­ter­neh­men wei­tere Li­qui­dität zur Verfügung zu stel­len, kommt die ge­plante Neu­re­ge­lung so­mit zu spät. Wir­kungs­vol­ler wäre die Einführung die­ser Re­ge­lung be­reits in 2020 ge­we­sen, da vie­len Un­ter­neh­men dann Ge­winne aus den Jah­ren 2018 und 2019 zur Ver­lust­ver­rech­nung zur Verfügung ge­stan­den hätten. Um die be­ab­sich­tigte Wir­kung so­mit tatsäch­lich zu er­rei­chen, wäre im Rah­men des Vier­ten Corona-Steu­er­hil­fe­ge­set­zes eine Aus­wei­tung des Ver­lust­ver­rech­nungs­zeit­raums auf diese er­trag­star­ken Jahre vor der „Coro­na­zeit“ wünschens­wert.

Als Al­ter­na­tivmaßnahme würde sich eine zusätz­li­che An­pas­sung des Ver­lust­vor­trags zur schnel­len wirt­schaft­li­chen Über­win­dung der Corona-Krise an­bie­ten. Die ak­tu­elle Re­ge­lung ermöglicht den un­be­grenz­ten Aus­gleich von vor­ge­tra­ge­nen Ver­lus­ten le­dig­lich bis zur Höhe von 1 Mio. Euro. Darüber hin­aus können diese Ver­luste le­dig­lich zu 60 % des 1 Mio. Euro über­stei­gen­den Ge­samt­be­trags der Einkünfte aus­ge­gli­chen wer­den (sog. Min­dest­be­steue­rung). Da­durch ent­ste­hen trotz der Exis­tenz ho­her Ver­luste oft­mals Steu­er­be­las­tun­gen, die durch die Aus­set­zung der Min­dest­be­steue­rung ver­hin­dert wer­den könn­ten.

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