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EU-Beamtenstatus: Nichtverheiratete Eltern erhalten Kindergeld

FG Köln 21.5.2015, 11 K 3038/13

Es kommt we­der in Be­zug auf die Zah­lung der Kin­der­zu­lage nach Art. 67 EU-Be­am­ten­sta­tut noch in Be­zug auf die Zah­lung von Kin­der­geld nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 1 EStG auf die Frage an, ob die Kin­desel­tern ver­hei­ra­tet sind. Die im EuGH-Ur­teil vom 7.5.1987 (C 189/85) zum Aus­druck kom­mende Be­schränkung auf "Ehe­gat­ten" ei­nes ak­ti­ven EU-Be­am­ten, die ihm Ho­heits­ge­biet ei­nes Mit­glied­staats ei­ner un­selbstständi­gen Tätig­keit nach­ge­hen, kann nicht wört­lich ver­stan­den wer­den.

Der Sach­ver­halt:
Zwi­schen den Be­tei­lig­ten ist die Aus­le­gung des § 65 Abs. 1 S. 3 EStG strei­tig. Die Kläge­rin ist seit 2003 als Be­am­tin bei einem Bun­des­mi­nis­te­rium tätig. Im No­vem­ber be­an­tragte sie bei der Fa­mi­li­en­kasse Kin­der­geld für ihre im Ok­to­ber 2011 ge­bo­rene Toch­ter A ab dem De­zem­ber 2012. Die Kläge­rin gab da­bei an, dass der Kin­des­va­ter, Herr P, seit Juli 2012 bei der K in Bel­gien tätig sei und dort für ihre Toch­ter einen Kin­der­zu­schlag er­halte. Den mo­nat­li­chen Be­trag die­ses Kin­der­zu­schlags könne sie man­gels ge­nauer Ge­halts­ab­rech­nung noch nicht an­ge­ben.

Die Fa­mi­li­en­kasse lehnte den An­trag auf Kin­der­geld für die Toch­ter der Kläge­rin ab. Zur Begründung wies die Fa­mi­li­en­kasse dar­auf hin, dass der Kin­des­va­ter bei sei­nem Ar­beit­ge­ber, der K, dem Kin­der­geld ähn­li­che Leis­tun­gen er­halte und so­mit in Deutsch­land kein An­spruch auf Kin­der­geld be­stehe. Hier­ge­gen wen­det sich die Kläge­rin mit ih­rer Klage; Der Kin­des­va­ter be­ziehe zwar von der K eine Kin­der­zu­lage, diese werde aber von Amts we­gen um den Be­trag des deut­schen Kin­der­gelds i.H.v. mtl. 184 € gekürzt.

Das FG gab der Klage statt. Die Re­vi­sion zum BFH wurde we­gen grundsätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen. Sie wird dort un­ter dem Az. XI R 16/15 geführt.

Die Gründe:
Die Kläge­rin hat gem. §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 64 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 und 2 EStG einen An­spruch auf Zah­lung von Kin­der­geld für ihre Toch­ter in dem von ihr gel­tend ge­mach­ten Zeit­raum De­zem­ber 2012 bis Au­gust 2013.

Der An­spruch der Kläge­rin ist auch nicht gem. § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 3 EStG aus­ge­schlos­sen. Zwar lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG vor. Denn die dem Kin­des­va­ter seit Juli 2012 gem. EU-Be­am­ten­sta­tut gewährte Zu­lage für un­ter­halts­be­rech­tigte Kin­der stellt eine dem Kin­der­geld ver­gleich­bare Leis­tung i.S.d. § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG dar. Außer­dem sind auch die Vor­aus­set­zun­gen für die Rück­aus­nahme vom Aus­schluss des Kin­der­geld­an­spruchs gem. § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG nach dem Wort­laut des § 65 Abs. 1 S. 3 EStG ein­deu­tig nicht erfüllt.

Da­nach wird u.a. der An­spruch ei­nes Kin­der­geld­be­rech­tig­ten, der - wie die Kläge­rin - im In­land in einem öff­ent­lich-recht­li­chen Dienst- oder Amts­verhält­nis steht, nur dann nicht nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG aus­ge­schlos­sen, wenn sein "Ehe­gatte"" als Be­am­ter, Ru­he­stands­be­am­ter oder sons­ti­ger Be­diens­te­ter der EU für das Kind An­spruch auf Kin­der­zu­lage hat. Da die Kläge­rin mit dem Kin­des­va­ter nicht ver­hei­ra­tet ist, lie­gen diese Vor­aus­set­zun­gen für eine Rück­aus­nahme von § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG nicht vor. Al­ler­dings wi­der­spre­chen die na­tio­na­len Re­ge­lun­gen in § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 3 EStG Art. 67 Abs. 2 des EU-Be­am­ten­sta­tuts in Ge­stalt der Aus­le­gung, die der EuGH in sei­nem Ur­teil vom 7.5.1987 (C 189/85) vor­ge­ge­ben hat.

Bei verständi­ger Würdi­gung der Ur­teilsgründe kann diese im zwei­ten Leit­satz zum Aus­druck kom­mende Be­schränkung auf "Ehe­gat­ten" ei­nes ak­ti­ven EU-Be­am­ten, die ihm Ho­heits­ge­biet ei­nes Mit­glied­staats ei­ner un­selbstständi­gen Tätig­keit nach­ge­hen, je­doch nicht wört­lich ver­stan­den wer­den. Aus der ge­sam­ten Ur­teils­begründung des EuGH sind keine Erwägun­gen er­sicht­lich, die eine Be­schränkung der vom EuGH vor­ge­nom­me­nen Aus­le­gung des Art. 67 Abs. 2 EU-Be­am­ten­sta­tuts auf "Ehe­gat­ten" begründen könn­ten. Dafür spricht auch, dass we­der das EU-Be­am­ten­sta­tut noch das na­tio­nale Kin­der­geld­recht dar­auf ab­stel­len, dass es sich bei dem be­tref­fen­den Kind um ein "ehe­li­ches Kind" han­delt.

Aus dem sog. An­wen­dungs­vor­rang des Uni­ons­rechts in Ge­stalt die­ser da­mit vom EuGH vor­ge­ge­be­nen Aus­le­gung folgt, dass die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land auf­grund von Art. 67 Abs. 2 des EU-Be­am­ten­sta­tuts ver­pflich­tet ist, Kin­der­geld auch für die Kin­der zu zah­len, bei de­nen - wie im Streit­fall - ein El­tern­teil Be­am­ter, ru­he­ge­halts­be­rech­tig­ter Be­am­ter oder sons­ti­ger Be­diens­te­ter der EU ist, während der an­dere El­tern­teil in Deutsch­land ei­ner Be­rufstätig­keit nach­geht.

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