Der Sachverhalt:
Zwischen den Beteiligten ist die Auslegung des § 65 Abs. 1 S. 3 EStG streitig. Die Klägerin ist seit 2003 als Beamtin bei einem Bundesministerium tätig. Im November beantragte sie bei der Familienkasse Kindergeld für ihre im Oktober 2011 geborene Tochter A ab dem Dezember 2012. Die Klägerin gab dabei an, dass der Kindesvater, Herr P, seit Juli 2012 bei der K in Belgien tätig sei und dort für ihre Tochter einen Kinderzuschlag erhalte. Den monatlichen Betrag dieses Kinderzuschlags könne sie mangels genauer Gehaltsabrechnung noch nicht angeben.
Das FG gab der Klage statt. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Sie wird dort unter dem Az. XI R 16/15 geführt.
Die Gründe:
Die Klägerin hat gem. §§ 62 Abs. 1 Nr. 1, 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 64 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 und 2 EStG einen Anspruch auf Zahlung von Kindergeld für ihre Tochter in dem von ihr geltend gemachten Zeitraum Dezember 2012 bis August 2013.
Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht gem. § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 3 EStG ausgeschlossen. Zwar liegen die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG vor. Denn die dem Kindesvater seit Juli 2012 gem. EU-Beamtenstatut gewährte Zulage für unterhaltsberechtigte Kinder stellt eine dem Kindergeld vergleichbare Leistung i.S.d. § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG dar. Außerdem sind auch die Voraussetzungen für die Rückausnahme vom Ausschluss des Kindergeldanspruchs gem. § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG nach dem Wortlaut des § 65 Abs. 1 S. 3 EStG eindeutig nicht erfüllt.
Danach wird u.a. der Anspruch eines Kindergeldberechtigten, der - wie die Klägerin - im Inland in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnis steht, nur dann nicht nach § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG ausgeschlossen, wenn sein "Ehegatte"" als Beamter, Ruhestandsbeamter oder sonstiger Bediensteter der EU für das Kind Anspruch auf Kinderzulage hat. Da die Klägerin mit dem Kindesvater nicht verheiratet ist, liegen diese Voraussetzungen für eine Rückausnahme von § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG nicht vor. Allerdings widersprechen die nationalen Regelungen in § 65 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, S. 3 EStG Art. 67 Abs. 2 des EU-Beamtenstatuts in Gestalt der Auslegung, die der EuGH in seinem Urteil vom 7.5.1987 (C 189/85) vorgegeben hat.
Bei verständiger Würdigung der Urteilsgründe kann diese im zweiten Leitsatz zum Ausdruck kommende Beschränkung auf "Ehegatten" eines aktiven EU-Beamten, die ihm Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einer unselbstständigen Tätigkeit nachgehen, jedoch nicht wörtlich verstanden werden. Aus der gesamten Urteilsbegründung des EuGH sind keine Erwägungen ersichtlich, die eine Beschränkung der vom EuGH vorgenommenen Auslegung des Art. 67 Abs. 2 EU-Beamtenstatuts auf "Ehegatten" begründen könnten. Dafür spricht auch, dass weder das EU-Beamtenstatut noch das nationale Kindergeldrecht darauf abstellen, dass es sich bei dem betreffenden Kind um ein "eheliches Kind" handelt.
Aus dem sog. Anwendungsvorrang des Unionsrechts in Gestalt dieser damit vom EuGH vorgegebenen Auslegung folgt, dass die Bundesrepublik Deutschland aufgrund von Art. 67 Abs. 2 des EU-Beamtenstatuts verpflichtet ist, Kindergeld auch für die Kinder zu zahlen, bei denen - wie im Streitfall - ein Elternteil Beamter, ruhegehaltsberechtigter Beamter oder sonstiger Bediensteter der EU ist, während der andere Elternteil in Deutschland einer Berufstätigkeit nachgeht.
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