Die überwiegende Anzahl der Unternehmen, die viel Strom verbrauchen, muss somit nicht um ihre Privilegien fürchten. Nach den neuen Energie-Leitlinien dürfen Staaten demnach ausgewählte Branchen von den Kosten der Ökostrom-Förderung entlasten. Die von der EU-Kommission am 9.4.2014 verabschiedeten Leitlinien sehen prinzipiell Befreiungen vor, wie sie in Deutschland bei der Öko-Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bereits gewährt werden. Diese Befreiungen werden künftig allerdings in erster Linie nach Branchenzugehörigkeit eingeräumt. Welche Branchen darunter fallen, ist bisher noch offen. Die EU-Kommission hat allerdings u.a. auf die Chemieindustrie sowie Papier- und Keramikhersteller verwiesen. Insgesamt hat die EU 65 Branchen für die privilegierte Behandlung festgelegt. Die verabschiedeten Leitlinien sollen bis 2020 gelten.
Während bisher etwa 2.100 Unternehmen in Deutschland von den Ausnahmeregelungen profitiert haben, dürften künftig nur noch etwa 1.600 Betriebe die Förderung in vollem Umfang in Anspruch nehmen können. Dabei wird sich an der Höhe der Vergünstigungen im Wesentlichen nichts ändern. Die Betriebe, die künftig aus den Privilegien herausfallen, sollen aber nicht die volle Umlage nach dem EEG bezahlen müssen, sondern lediglich 20 Prozent. Hingegen hat die EU-Kommission eine generelle Härtefallregelung abgelehnt.
Von der befürchteten Rückzahlung der der deutschen Industrie gewährten Strompreis-Rabatte sieht die EU-Kommission offenbar ab. Zudem müssen die neuen restriktiveren Bedingungen für die Rabatte erst im Januar 2018 komplett umgesetzt werden.
Mit einem am 7.5.2014 beschlossenen Gesetzentwurf plant die Bundeskabinett die in das Gesetzgebungsverfahren eingebrachte EEG-Novelle um eine Besondere Ausgleichsregelung für stromkosten- und handelsintensive Unternehmen zu ergänzen.
Zum Hintergrund des Verfahrens der EU-Kommission:
Die Förderung der Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien sieht die EU-Kommission nach vorläufiger Prüfung als mit EU-Beihilferecht vereinbar an. Bedenken hat die EU-Kommission hingegen hinsichtlich zweier Aspekte des EEG 2012:
- Die Befreiung stromintensiver Betriebe von der EEG-Umlage scheint nach Auffassung der EU-Kommission einen Vorteil darzustellen, der den Wettbewerb im EU-Binnenmarkt wahrscheinlich verfälscht und der aufgrund der detaillierten Vorgabe des Verfahrens im EEG als aus staatlichen Mitteln finanziert zu werten ist. Allerdings könnten die Befreiungen gerechtfertigt sein, um eine Verlagerung der CO2-Emissionen zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund wird die EU-Kommission prüfen, ob die Befreiung gerechtfertigt ist, ob sie verhältnismäßig ist und, ob sie den Wettbewerb verfälscht.
- Das „Grünstromprivileg“, eine Teilbefreiung, die für im Inland aus erneuerbaren Energien erzeugten Strom gewährt wird, scheint Importstrom aus erneuerbaren Energien gegenüber entsprechendem inländischem Strom zu diskriminieren. Insoweit wird die EU-Kommission Wechselwirkungen mit ausländischen Förderregimen prüfen.
Die EU-Kommission weist darauf hin, dass das Prüfverfahren ergebnisoffen ist und, dass die Einleitung des Verfahrens keine Rückschlüsse auf das Ergebnis der Untersuchung zulasse.
Die Bundesregierung hat sich mehrfach klar positioniert, dass das EEG nicht gegen EU-Beihilferecht verstößt. Insbesondere handele es sich gemäß der Preußen-Elektra-Entscheidung des EuGH nicht um Beihilfen, die von staatlichen Stellen ausgezahlt werden. Daneben weist sie darauf hin, dass die Freistellung dazu diene Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, da die Strompreise in anderen EU-Staaten niedriger seien als in Deutschland.
Unzulässige Beihilfen sind einschließlich Zinsen zurück zu gewähren. Grundsätzlich kann dieser Anspruch für die in den letzten 10 Jahren empfangenen Beihilfen geltend gemacht werden. Da das Prüfverfahren der EU-Kommission sich nur auf das EEG 2012 bezieht, nicht auf die vorherigen Fassungen, sind die bis 2012 gewährten Befreiungen jedoch unstreitig.
Auswirkungen auf den Jahresabschluss kann das Prüfverfahren in zweierlei Hinsicht haben: Auf Ebene der Bilanz könnten Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten angezeigt sein und im Lagebericht könnte eine Berichterstattung über die aus dem Prüfverfahren resultierenden Risiken erforderlich sein.
Rückstellungen sind nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu bilden, wenn mehr Gründe für als gegen das Bestehen einer Verbindlichkeit sprechen. Diese Abwägung ist unter Berücksichtigung aller vorliegenden Erkenntnisse von dem bilanzierenden Unternehmen zu treffen. Da die EU-Kommission selber auf die Ergebnisoffenheit des Verfahrens hinweist, nach der Preußen-Elektra-Entscheidung das EEG 2000 nicht zu Beihilfen führte und die Bundesregierung ihre Einflussmöglichkeiten wahrnehmen wird, um eine Rückzahlungspflicht zu verhindern, könnte die Auffassung, dass nach dem Erkenntnisstand vom 19.12.2013 nicht mehr Gründe für als gegen das Bestehen einer Rückzahlungsverpflichtung sprechen, vertretbar sein. In jedem Fall wird es jedoch einer erneuten Abwägung der dann vorliegenden Informationen bei Beendigung der Erstellung des Jahresabschlusses bedürfen.
Unabhängig davon, ob eine Rückstellung gebildet wird, sind die verbleibenden Unsicherheiten im Lagebericht transparent darzustellen und zu quantifizieren, so dass sich der Abschlussadressat ein eigenes Bild von der Risikosituation machen kann. Dabei ist auch auf die Konsequenzen einzugehen, die eine etwaige Nachzahlung auf das Unternehmen hätte.
Zudem ist ein weiteres Verfahren anhängig, in welchem die EU-Rechtskonformität eines reduzierten Entgelts für die Stromnetznutzung durch Letztverbraucher mit hohem Strombedarf überprüft wird.