Gelingt es einem notleidenden Unternehmen nicht, sich mit seinen Gläubigern auf Maßnahmen zur Restrukturierung zu einigen, bleibt vielfach nur die Insolvenz. Zwar hat der Gesetzgeber mit einer Reform des Insolvenzrechts im Jahr 2011 die Möglichkeiten zur Sanierung durch ein Insolvenzverfahren (Insolvenzplanverfahren, Schutzschirmverfahren, Eigenverwaltung, etc.) gestärkt. Jedoch bringt ein Insolvenzverfahren für alle Beteiligten weitgehende Eingriffe mit sich. Selbst die Verfahrensarten, in denen die Geschäftsführung verfügungsbefugt bleibt (Schutzschirmverfahren, Eigenverwaltung), sind mit erheblichen Prozessrisiken verbunden. Darüber hinaus kann – wenn auch nicht mehr in dem Maße wie früher – der „Makel der Insolvenz“ haften bleiben.
2017 hat die EU-Kommission einen Richtlinienvorschlag für einen sog. „präventiven Restrukturierungsrahmen“ (COM (2016) 723) vorgelegt. Ziel soll es u.a. sein, einen einheitlichen rechtlichen Rahmen für eine Restrukturierung von Unternehmen außerhalb eines Insolvenzverfahrens zu schaffen.
Im Wesentlichen soll der „präventive Restrukturierungsrahmen“ eine Reorganisation des Unternehmens durch finanzielle Restrukturierung ermöglichen. Im Mittelpunkt steht eine Neugestaltung der Finanzierungsstruktur, z.B. durch Debt Equity Swaps, Forderungs(teil)verzichte, Beteiligungsmodifikationen, Umschuldung oder Neuregelung der Sicherheiten. Die zur Restrukturierung erforderlichen Maßnahmen sollen in einem Restrukturierungsplan erfasst und den Gläubigern zur Abstimmung gestellt werden.
Forderungsverzichte, Debt Equity Swaps und andere Instrumente sind gängige Praxis in der Restrukturierung von Unternehmen. Außerhalb eines Insolvenzverfahrens bedürfen diese Instrumente jedoch der Zustimmung aller betroffenen Gläubiger. Denn zum einen können die notwendigen Rechtsänderungen nur durch Vertrag herbeigeführt werden. Zum anderen verlangen die Finanzierer regelmäßig Einstimmigkeit (Konsortialvorbehalt). Das Erfüllen dieser Anforderungen ist in der außergerichtlichen Restrukturierung häufig die größte Herausforderung. Sie erfordert teilweise sehr komplexe Verhandlungen, in denen nicht selten einzelne Gläubiger ihre Position nutzen, um Sondervorteile zu erlangen. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn sich spezialisierte Investoren durch den Erwerb notleidender Forderungen (distressed debt) in die Fremdkapitalgeberposition – regelmäßig mit deutlichem Abschlag – eingekauft haben und sich ihre Zustimmung zum Restrukturierungskonzept „bezahlen“ lassen. Mit einem „präventiven Restrukturierungsrahmen“ könnte einer solchen Praxis begegnet werden.
Am Ende des Verfahrens steht ein von den Gläubigern mit Mehrheitsbeschluss angenommener und vom Gericht bestätigter Restrukturierungsplan. Dieser enthält die rechtlichen Regelungen, die zur beabsichtigten Restrukturierung für notwendig erachtet werden. Einzelheiten sind in der Richtlinie bzw. von der nationalen Gesetzgebung noch festzulegen. Entscheidend ist, dass der mit den Stimmen der (qualifizierten) Mehrheit angenommene Restrukturierungsplan auch die nicht zustimmenden Gläubiger bindet. Auch ihre Rechtspositionen (Forderungen, Sicherheiten, etc.) werden in der im Plan festgelegten Weise geändert. Als Schutz vor Missbrauch soll eine Art „Vergleichsrechnung“ verlangt werden, wonach dissentierende Gläubiger nicht schlechter gestellt werden dürfen als im Falle einer Liquidation oder eines Verkaufs des Unternehmens im Ganzen.
Der „präventive Restrukturierungsrahmen“ soll sich in folgenden Punkten von einem regulären Insolvenzverfahren unterscheiden:
- Das Verfahren setzt vor der Insolvenz an. Nicht erforderlich ist, dass das Unternehmen zahlungsunfähig oder überschuldet ist. Schließlich soll eine Insolvenz gerade vermieden werden.
- Das Verfahren soll auf einzelne Gläubigergruppen (z.B. Finanzgläubiger) beschränkt werden können.
- Außerdem wird das Verfahren stets in „Eigenverwaltung“ durchgeführt. Die Geschäftsführung gibt die Leitung nicht an einen Insolvenzverwalter ab.
Es ist damit zu rechnen, dass die endgültige Richtlinie Ende 2018 verabschiedet wird. Die Richtlinie muss im Anschluss noch in deutsches Recht umgesetzt werden.