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EU-Parlament stimmt Whistleblower-Richtlinie zu

Das EU-Par­la­ment hat am 16.4.2019 die „Whist­leb­lo­wer-Richt­li­nie“ be­schlos­sen. Sie muss noch von den EU-Mi­nis­tern ver­ab­schie­det und bin­nen zwei Jah­ren in na­tio­na­les Recht um­ge­setzt wer­den.

EU-Richtlinie

Das EU-Par­la­ment hat am 16.04.2019 die „Richt­li­nie zum Schutz von Per­so­nen, die Verstöße ge­gen das Uni­ons­recht mel­den“ (2018/0106 COD), auch kurz als „Whist­leb­lo­wer-Richt­li­nie“ be­zeich­net, be­schlos­sen. Sie muss nun noch von den EU-Mi­nis­tern ver­ab­schie­det wer­den. Die Whist­leb­lo­wer-Richt­li­nie soll einen EU-wei­ten Min­dest­stan­dard zum Schutz von In­for­man­ten fest­le­gen, die EU-Rechts­verstöße zum Bei­spiel in den Be­rei­chen öff­ent­li­ches Auf­trags­we­sen, Fi­nanz­dienst­leis­tun­gen, Geldwäsche, Pro­dukt- und Ver­kehrs­si­cher­heit so­wie Ver­brau­cher- und Da­ten­schutz mel­den.

EU-Parlament stimmt Whistleblower-Richtlinie zu© Adobe Stock

Die Richt­li­nie gewährt die­sen Schutz nicht un­mit­tel­bar, son­dern sie muss durch die na­tio­na­len Ge­setz­ge­ber in na­tio­na­les Recht um­ge­setzt wer­den. Für die Um­set­zung ha­ben die je­wei­li­gen Länder zwei Jahre Zeit, so­dass mit ei­ner na­tio­na­len Ge­setz­ge­bung bis Mitte 2021 zu rech­nen ist. Ak­tu­ell liegt noch kein ent­spre­chen­der Ge­set­zes­ent­wurf vor. Dem­ent­spre­chend kann noch keine Aus­sage über die deut­sche Um­set­zung ge­trof­fen wer­den. Da Hin­weis­sys­teme als Rück­ka­nal von Com­pli­ance-Sys­te­men zur Mel­dung von Be­ob­ach­tun­gen je­doch be­reits breitflächig im­ple­men­tiert wur­den bzw. ak­tu­ell im­ple­men­tiert wer­den, kann es den­noch be­reits sinn­voll sein, einen Blick auf die EU-Richt­li­nie und die von ihr vor­ge­ge­be­nen Min­dest­stan­dards für in­terne Mel­de­wege zu wer­fen.

Zentraler Inhalt der Richtlinie

Kern­punkt der Richt­li­nie sind drei mögli­che Mel­de­wege für po­ten­zi­elle EU-Rechts­verstöße und die Ver­pflich­tung für Un­ter­neh­men (in­terne Mel­dung) und Behörden (ex­terne Mel­dung) ent­spre­chende Mel­de­kanäle ein­zu­rich­ten. Da­bei sol­len ein­ge­hende Hin­weise durch ge­eig­nete Fol­gemaßnah­men, z.B. mit­tels in­ter­ner Son­der­un­ter­su­chung, die die Stich­hal­tig­keit des Hin­wei­ses prüfen und ge­ge­be­nen­falls den Ver­stoß ab­stel­len, be­ar­bei­tet und die Hin­weis­ge­ber über die Fol­gemaßnah­men un­ter­rich­tet wer­den. Ein Hin­weis­ge­ber kann sich da­bei frei zwi­schen dem in­ter­nen und ex­ter­nen Hin­weis­ge­ber­sys­tem ent­schei­den oder beide Sys­teme nut­zen. Wenn nach einem sol­chen Hin­weis keine Maßnah­men er­grif­fen wer­den, ist die Veröff­ent­li­chung des Hin­wei­ses, als drit­ter Mel­de­weg, ge­stat­tet. Für die Fol­gemaßnah­men sieht die Richt­li­nie in der Re­gel eine Frist von drei Mo­na­ten vor, die bis zu sechs Mo­nate aus­ge­dehnt wer­den kann.  Eine di­rekte Veröff­ent­li­chung des Hin­wei­ses ist nur dann vor­ge­se­hen, wenn der ge­mel­dete Ver­stoß eine un­mit­tel­bare oder of­fen­kun­dige Gefähr­dung des öff­ent­li­chen In­ter­es­ses dar­stel­len kann, z.B. bei Ge­fahr von ir­re­ver­si­blen Schäden, wenn für den Hin­weis­ge­ber Re­pres­sa­lien zu befürch­ten sind oder nur ge­ringe Aus­sich­ten be­se­hen, dass wirk­sam ge­gen den Ver­stoß vor­ge­gan­gen wird, weil z. B. die Ver­nich­tung von Be­weis­mit­teln droht oder die ent­ge­gen­neh­mende Behörde selbst an dem Ver­stoß be­tei­ligt ist.

Die Ver­pflich­tung, ein Mel­de­sys­tem ein­zuführen, gilt nach der Richt­li­nie für Un­ter­neh­men ab ei­ner Min­destgröße von 50 Be­schäftig­ten oder einem Jah­res­um­satz von mehr als 10 Mio. Euro so­wie Un­ter­neh­men aus dem Fi­nanz­dienst­leis­tungs­be­reich und für Un­ter­neh­men, die für Geldwäsche- oder Ter­ro­ris­mus­fi­nan­zie­rungstätig­kei­ten anfällig sind. Für Un­ter­neh­men mit we­ni­ger als 250 Be­schäftig­ten be­steht die Möglich­keit sich die Res­sour­cen, also das Per­so­nal und/oder die In­fra­struk­tur, die für die Hin­wei­sent­ge­gen­nahme und die Un­ter­su­chung der Mel­dun­gen not­wen­dig sind, zu tei­len.

Die Richt­li­nie be­zieht sich auf Verstöße ge­gen EU-Recht, kann aber von den Mit­glied­staa­ten auch auf na­tio­na­les Recht aus­ge­dehnt wer­den. Für Un­ter­neh­men ist es sinn­voll das Hin­weis­sys­tem auch für in­terne Re­gel- oder Ethik­verstöße, zum Bei­spiel ge­gen den be­triebs­in­ter­nen Ver­hal­tens­ko­dex, an­zu­wen­den.

Das in­terne Mel­de­sys­tem ist so zu or­ga­ni­sie­ren, dass die Iden­tität des Hin­weis­ge­bers ge­schützt und alle ein­ge­gan­ge­nen Mel­dun­gen do­ku­men­tiert wer­den. Es sol­len da­bei schrift­li­che Mel­dun­gen (elek­tro­ni­sch oder auf Pa­pier) oder münd­li­che Über­mitt­lung per Te­le­fon so­wie die Mel­dung im Rah­men ei­nes persönli­chen Tref­fens möglich sein.

Fer­ner sol­len Schutzmaßnah­men vor­ge­se­hen wer­den, die Ent­las­sun­gen, De­gra­die­run­gen, Ein­schüchte­run­gen oder ähn­li­che An­griffe ge­gen die Hin­weis­ge­ber ver­hin­dern. Um dies zu ga­ran­tie­ren ist zum Bei­spiel eine Be­weis­last­um­kehr zu­guns­ten des Hin­weis­ge­bers vor­ge­se­hen. Ne­ben dem Hin­weis­ge­ber sind auch Un­terstützer des Hin­weis­ge­bers, wie zum Bei­spiel Mit­telsmänner, Kol­le­gen oder Ver­wandte zu schützen. Die­ser Schutz greift al­ler­dings nur ein, wenn der Hin­weis­ge­ber den vor­ge­schrie­ben Mel­de­weg ein­ge­hal­ten hat. Kein Schutz wird gewährt, wenn der Hin­weis­ge­ber Stel­len im Un­ter­neh­men, die nicht Mel­de­stelle sind, den Ver­stoß ge­mel­det hat. Um einen Miss­brauch zu ver­mei­den, wird die­ser Schutz eben­falls nicht gewährt, wenn der Hin­weis­ge­ber bei der Mel­dung kei­nen hin­rei­chen­den Grund zu der An­nahme hat, dass der von ihm ge­mel­dete Sach­ver­halt der Wahr­heit ent­spricht. Zu­dem sind den Hin­weis­ge­bern um­fas­sende und un­abhängige In­for­ma­tio­nen über Be­richts­wege, al­ter­na­tive Ver­fah­ren so­wie wei­tere Hil­fe­stel­lun­gen zur Verfügung zu stel­len.

Dem deut­schen Ge­setz­ge­ber ob­liegt nun die Aus­ge­stal­tung die­ses Mel­de­sys­tems und die Fest­le­gung der den Ar­beit­ge­ber tref­fen­den Sank­tio­nen, wenn die­ser ge­gen die Pflicht zum Schutz der Iden­tität des Whist­leb­lo­wers verstößt oder keine ge­eig­ne­ten Fol­gemaßnah­men nach Mel­dung ei­nes po­ten­zi­el­len EU-Rechts­ver­stoßes ein­lei­tet. Diese Sank­tio­nen ha­ben „an­ge­mes­sen und ab­schre­ckend“ zu sein. Dies be­stimmt sich, nach dem Verhält­nismäßig­keits­grund­satz des je­wei­li­gen Lan­des.

Aktuelle Situation

Ak­tu­ell sind die Hin­weis­ge­ber­sys­teme sehr he­te­ro­gen aus­geprägt und er­stre­cken sich von ei­ner Per­son/Stelle als An­sprech­part­ner (zum Bei­spiel Com­pli­ance Of­fi­cer, Kor­rup­ti­ons­be­auf­trag­ter oder Om­buds­mann), bzw. ex­terne Om­budsmänner (zum Bei­spiel ex­terne Rechts­anwälte) über elek­tro­ni­sche oder ana­loge Briefkästen mit ent­spre­chen­den Soft­warelösun­gen, bis hin zu Hin­weis­ge­ber­sys­te­men „as a Ser­vice“ von ex­ter­nen Dienst­leis­tern. Diese Sys­teme wer­den dann wahl­weise nur für die ei­ge­nen Mit­ar­bei­ter und/oder für ex­terne Per­so­nen, also zum Bei­spiel Lie­fe­ran­ten und Kun­den, be­reit­ge­stellt.

Für Hin­weise an die Öff­ent­lich­keit ste­hen in Deutsch­land meh­rere Wege of­fen. Von un­ter­schied­li­chen Ver­la­gen und Ver­ei­ni­gun­gen wer­den zum Bei­spiel be­reits Hin­weis­ge­ber­sys­teme im Dar­knet be­trie­ben, die eine an­onyme Überg­abe von In­for­ma­tio­nen mit um­fang­rei­chen Da­ten­beständen er­lau­ben. Um dies Nut­zen zu können, müssen zunächst je­doch ei­nige tech­ni­sche Hürden über­wun­den wer­den, wie bei­spiels­weise die In­stal­la­tion ei­nes spe­zi­el­len Web-Brow­sers und ei­ner ent­spre­chen­den Ein­stel­lung, wo­mit diese Sys­teme wahr­schein­lich nicht den An­for­de­run­gen an eine freie Zugäng­lich­keit ent­spre­chen.

Ne­ben der Whist­leb­lo­wer-Richt­li­nie hat die Funk­tion des Whist­leb­lo­wers erst­mals in dem neuen Ge­setz zum Schutz von Ge­schäfts­ge­heim­nis­sen, das am 26.04.2019 in Kraft trat, Ein­zug in ein deut­sches Ge­setz ge­fun­den. Da­nach dürfen Ge­schäfts­ge­heim­nisse un­ter be­stimm­ten Be­din­gun­gen, zum Bei­spiel bei Ge­set­zes­verstößen, veröff­ent­lich wer­den: Eine Re­ge­lung, die Ge­rich­ten künf­tig hilft Whist­leb­lo­wing bes­ser zu be­wer­ten.

Fazit

Es ist schon jetzt ab­zu­se­hen, dass ei­nige der be­reits exis­tie­ren­den Hin­weis­ge­ber­sys­teme den neuen An­for­de­run­gen nicht ent­spre­chen und künf­tig an­ge­passt wer­den müssen.

Un­ter­neh­men, die be­reits über ein funk­tio­nie­ren­des Hin­weis­ge­ber­sys­tem verfügen, soll­ten mit ih­rer An­pas­sung auf die Um­set­zung der Richt­li­nie durch die na­tio­na­len Ge­setz­ge­ber war­ten. Un­ter­neh­men, die noch kein Hin­weis­ge­ber­sys­tem im­ple­men­tiert ha­ben, soll­ten die Min­dest­stan­dards bei der Einführung ei­nes ent­spre­chen­den Sys­tems schon jetzt in ih­rer Pla­nung und Aus­wahl mit­berück­sich­ti­gen.

Auf­grund der zen­tra­len Be­deu­tung ei­nes in­ter­nen Kom­mu­ni­ka­ti­ons­ka­nals zur Mel­dung von Straf­ta­ten und Ethik­verstößen, emp­feh­len wir die Einführung von Hin­weis­ge­ber­sys­teme nicht auf­grund der ak­tu­ell noch of­fe­nen Rechts­lage zu verzögern.

Da ex­terne Per­so­nen nicht ver­pflich­tet wer­den auf die in­ter­nen Mel­de­kanäle ei­nes Un­ter­neh­mens zurück­zu­grei­fen soll­ten die Mel­de­kanäle für ex­terne möglichst ein­fach er­reich­bar sein, da­mit diese ge­nutzt wer­den und Re­pu­ta­ti­ons­schäden möglichst ver­mie­den wer­den können. Zu­dem soll­ten sich Un­ter­neh­men ent­spre­chende in­terne an­onyme Mel­de­sys­teme vor­be­hal­ten, da­mit nicht aus­schließlich öff­ent­li­che Hin­weis­ge­ber­sys­teme zur Verfügung ste­hen und po­ten­ti­elle Hin­weis­ge­ber auf­grund man­geln­der Verfügbar­keit auf diese zurück­grei­fen.

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