Einigung im Trilog-Verfahren
Am 23.02.2022 legte die Europäische Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat einen Richtlinienentwurf zur nachhaltigen Unternehmensführung vor: die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (nachfolgend kurz CSDDD genannt). In einem „General Approach“ veröffentliche der Rat daraufhin am 01.12.2022 seine Verhandlungsposition und auch das Europäische Parlament gab am 01.06.2023 seinen Standpunkt bekannt.
Da zwischen den Entwürfen der drei Parteien erhebliche Abweichungen bestanden, traten die Parteien in den sogenannten „Trilog“ ein, um durch Verhandlungen einen einheitlichen Kompromiss zur Ausgestaltung der Richtlinie zu entwickeln.
Am 14.12.2023 verkündeten Lara Wolters für das Europäische Parlament, der Staatssekretär für Wirtschaftsfragen aus Spanien, Gonzalo García Andres, und der EU-Kommissar für Justiz, Didier Reynders, den politischen Kompromiss, auf den sich die Parteien einigen konnten.
Persönlicher Anwendungsbereich
Während die Initiative der Europäischen Kommission zur CSDDD noch europäische Unternehmen mit durchschnittlich mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mehr als EUR 150 Mio., sowie europäische Unternehmen mit durchschnittlich mehr als 250 Beschäftigten und einen weltweiten Nettoumsatz von mehr als EUR 150 Mio., wovon jedoch 50 % in einem risikobehafteten Sektor erwirtschaftet werden mussten, in den Anwendungsbereich einbeziehen wollte, fassten der Rat und das Europäische Parlament den Anwendungsbereich noch weiter.
So schloss sich der Rat zwar grundsätzlich dem Kommissionsentwurf an, forderte jedoch, dass europäische Unternehmen, die mehr als EUR 20 Mio. in einem risikobehafteten Sektor erwirtschaften, auch unabhängig von dessen Verhältnis zum Gesamtumsatz des Unternehmens dem Anwendungsbereich unterliegen. Das Europäische Parlament verschärfte den Anwendungsbereich in seiner Stellungnahme noch darüber hinaus.
Im Rahmen der Pressekonferenz vom 14.12.2023 und der Stellungnahme auf der Internetseite des Rates wurde verkündet, dass dem Vorschlag der Kommission gefolgt wird und künftig europäische Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mindestens EUR 500 Mio. vom Anwendungsbereich umfasst werden sollen.
Haftung
Die drei Parteien sind sich grundsätzlich darüber einig, dass Verstöße gegen die CSDDD sowohl staatliche Sanktionen als auch eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen auslösen sollen. Hier geht der europäische Vorschlag über das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hinaus, welches lediglich Bußgelder direkt vorsieht.
Staatliche Sanktionen
Grundsätzlich besteht Einigkeit darüber, dass die Mitgliedstaaten Vorschriften in nationales Recht bringen sollen, die Verstöße gegen die CSDDD wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sanktionieren.
Darüber hinaus sollen die Beschlüsse der Aufsichtsbehörden über Sanktionen veröffentlicht werden. Geldbußen sollen sich an dem Umsatz des Unternehmens, den Bemühungen des Unternehmens zur Erfüllung von Abhilfemaßnahmen, getätigten Investitionen, geleisteten gezielten Unterstützungen gemäß den Art. 7 und 8 der CSDDD oder der Beseitigung von negativen Auswirkungen bemessen.
Das Europäisches Parlament stellt darüber hinaus bei der Bewertung, ob und in welcher Art und Höhe eine Sanktion verhängt wird, auf frühere Verstöße des Unternehmens, den finanziellen Gewinn oder Verlust des Unternehmens aufgrund des Verstoßes, sowie hinzutretende Umstände des Einzelfalls ab. Weiterhin sind nach dem Entwurf des Europäischen Parlaments finanzielle Sanktionen mit einem Höchstmaß von mindestens 5 % des weltweiten Nettoumsatzes, die öffentliche Erklärung mit Angabe des verantwortlichen Unternehmens und Art des Verstoßes, die Verpflichtung zur Einstellung des Verstoßes oder Vermeidung von Wiederholung, der Ausschluss von Produkten aus dem freien Verkehr oder Export, als Maßnahmen und Sanktionen vorzusehen.
Im Rahmen des Kompromisses haben sich die Parteien darauf geeinigt, dass gegenüber Unternehmen Geldbußen in Höhe von bis zu 5 % ihres Nettoumsatzes möglich sein sollen. Zudem besteht Einigung dahingehend, dass die Einhaltung der CSDDD als Kriterium für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen herangezogen werden kann. Weiterhin sollen mehrere Unterlassungsmaßnahmen vorgesehen werden. Wie diese konkret ausgestaltet sind, bleibt abzuwarten.
Zivilrechtliche Haftung der Unternehmen
Auch hier sind sich die Parteien dahingehend einig, dass eine zivilrechtliche Haftung für Schäden, die auf der Verletzung von Pflichten aus Art. 7 und 8 der CSDDD beruhen, aufgenommen werden sollen. Einigkeit besteht zudem, dass die zivilrechtliche Haftung des Unternehmens nicht die ihrer Tochterunternehmen bzw. direkter oder indirekter Geschäftspartner berühren soll. Haftungsregelungen des Unionsrechts oder des nationalen Rechts, die über die Haftung nach der CSDDD hinaus gehen, bleiben weiterhin unberührt bestehen.
Die Europäische Kommission sah in ihrem Entwurf zudem vor, dass die Haftung des Unternehmens für Schäden eines indirekten Partners eröffnet sein soll, wenn im Einzelfall angemessene und geeignete Maßnahmen hätten ergriffen werden können, um die eingetretenen negativen Auswirkungen zu vermeiden, abzuschwächen, zu beheben oder zu minimieren.
Nur der Rat fordert zudem ausdrücklich ein Verschulden und zusätzlich die Verletzung eines benannten Rechts, wie das Recht auf Leben, Verbot der Folter, widerrechtliche Vertreibung und zudem die Beschädigung eines national geschützten Rechts des Betroffenen durch den haftungsauslösenden Verstoß des Unternehmens. Wurde der Schaden von dem Unternehmen, seiner Tochtergesellschaft oder einem direkten oder indirekten Geschäftspartner gemeinschaftlich verursacht, sollen die Schädiger zudem gesamtschuldnerisch für den Schaden haften.
Das Europäische Parlament stellt bei der Bewertung des Vorliegens und Umfangs eines Haftungsfalls auf den Umfang der Bemühungen des Unternehmens beim Ergreifen von Abhilfemaßnahmen, getätigten Investitionen, der gezielten Unterstützung gemäß Art. 7 und 8 der CSDDD, sowie der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen und betroffenen Interessensträgern bei der Bewältigung von negativen Auswirkungen in der Wertschöpfungskette ab. Die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche soll mindestens zehn Jahren betragen und Dritte wie Gewerkschaften sollen die Schadensersatzansprüche in Prozessstandschaft für den Geschädigten geltend machen können. Weiterhin möchte das Europäische Parlament die Haftung des Tochterunternehmens dem Mutterunternehmen zurechnen, wenn das Tochterunternehmen zur Umgehung der Haftung aufgelöst wurde.
Im Rahmen des Kompromisses wurde lediglich verkündet, dass der Zugang der betroffenen Personen zur Justiz gestärkt werden soll, für die Geltendmachung von Ansprüchen ein Zeitraum von fünf Jahren vorgesehen wird und außerdem Grenzen für die Offenlegung von Beweismitteln, Unterlassungsmaßnahmen und die Verfahrenskosten für die Klägerseite geregelt werden. Der Rat betont ausdrücklich, dass Unternehmen als ultima ratio Geschäftsbeziehungen beenden müssen, wenn sie feststellen, dass die Geschäftspraktiken ihrer Geschäftspartner negative Auswirkungen auf die Umwelt oder die Menschenrechte haben und es nicht gelingt, Abhilfe zu schaffen.
Wie die konkrete zivilrechtliche Haftung im Einzelfall ausgestaltet sein wird, bleibt also spannend, wird aber in Bezug auf die möglichen Verschärfungen des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes voraussichtlich erst mit der Umsetzung der CSDDD in das nationale Recht final geklärt werden.