Konkret präsentierte die EU-Kommission bereits am 12.09.2023 den Entwurf einer EU-Verrechnungspreisrichtlinie als Bestandteil eines umfassenderen Konzepts zur EU-weiten Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage für die Ertragsbesteuerung großer Unternehmen unter der offiziellen Bezeichnung „Proposal for a Council Directive on Business in Europe: Framework for Income Taxation (BEFIT) and Proposal for a Council Directive on Transfer Pricing“.
Zwar sind auch im bereits geltenden Recht der EU-Mitgliedstaaten inhaltliche Gleichläufe bei den Verrechnungspreisregelungen festzustellen, da sich diese oftmals an den Empfehlungen der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien orientieren. Allerdings sehen die OECD-Empfehlungen regelmäßig große Ermessens- und Interpretationsspielräume vor, die in den nationalen Vorgaben der EU-Mitgliedstaaten und anderer OECD-Staaten mitunter unterschiedlich ausgelegt werden. Die Einhaltung der Verrechnungspreisregelungen in den verschiedenen EU-Ländern führt für multinationale Unternehmensgruppen dementsprechend zu hohem Verwaltungsaufwand und in Teilen wesentlichen Doppelbesteuerungsrisiken, die wiederum bei Materialisierung nur über zeit- und kostenaufwändige Verständigungsverfahren eliminiert werden können. Dem will die EU-Kommission im EU-Raum entgegenwirken.
Im Richtlinienentwurf sind deshalb u. a. folgende Regelungen vorgesehen, die anders als die BEFIT-Vorgaben nicht nur für große Unternehmensgruppen, also solche mit einem Gruppenumsatz von mehr als 750 Mio. Euro, sondern vielmehr für alle international operierenden Unternehmensgruppen mit Aktivitäten in der EU gelten sollen:
- verbindliche Vorgabe und einheitliche Umsetzung des Fremdvergleichsgrundsatzes/verpflichtende Anwendung der OECD-Verrechnungspreisrichtlinien als Maßstab,
- gemeinsame Definition nahestehender Personen insb. durch Vorgabe einer Mindestbeteiligung von 25 % und Übernahme des sog. Authorized OECD-Approach (AOA) für Betriebsstätten,
- Anwendung der am besten geeigneten Verrechnungspreismethode unter den fünf etablierten Methoden der OECD (keine Methodenhierarchie),
- vereinheitlichte Regelung zur Bandbreiteneinengung von eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerten (Interquartilsbetrachtung),
- Schaffung eines Standardprozesses zur zügigen Durchführung von Gegenberichtigungen/korrespondierende Anpassungen zur Eliminierung von Doppelbesteuerungen aus Verrechnungspreiskorrekturen („Fast Track“),
- Harmonisierung der Regelungen zum Vorgehen bei Jahresendanpassungen (Year-end Adjustments)
- Schaffung der Möglichkeit für die EU-Kommission, konkretisierende Regelungen zu einzelnen Themenbereichen vorzuschlagen, inkl. EU-einheitlicher Safe Harbour Rules (bspw. zu Routine-Vertriebsaktivitäten und Routine-Produktionsaktivitäten).
Hinweis: Um den EU-Mitgliedstaaten noch ausreichend Zeit für die Umsetzung in nationales Recht einzuräumen, müsste der Gesetzgebungsprozess für eine EU-Verrechnungspreisrichtlinie zügig voranschreiten. Bislang sind noch keine Verhandlungsergebnisse mit den EU-Mitgliedstaaten bekannt geworden, was ggf. an der Einbettung in das weit umfangreichere BEFIT-Konzept liegen könnte.
Aus deutscher Sicht ist die vorgesehene EU-Harmonisierung durchaus zu begrüßen, ist doch ein Großteil der vorgesehenen Regelungen in vergleichbarer Form bereits heute im nationalen Recht enthalten. Eine Vereinheitlichung der Verrechnungspreisvorgaben dürfte zudem für Unternehmensgruppen und deren Aktivitäten im EU-Raum zu deutlichen Entlastungen im Compliance-Bereich führen und zudem die Doppelbesteuerungsrisiken aus Verrechnungspreiskorrekturen reduzieren.
Bis zur Verabschiedung der EU-Verrechnungspreisrichtlinie und deren Umsetzung im EU-Raum heißt es allerdings, weiterhin mit den bestehenden Regularien der einzelnen Staaten zu arbeiten und diese im Rahmen der Verrechnungspreisermittlung und -dokumentation zu berücksichtigen.
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