Der Sachverhalt:
Im November 2008 und im September 2009 führte die Kommission Nachprüfungen in den Räumlichkeiten mehrerer Unternehmen der Zementbranche durch. Im Dezember 2010 leitete die Kommission gegen mehrere dieser Unternehmen ein Verfahren wegen mutmaßlicher Zuwiderhandlungen ein. Bei diesen Zuwiderhandlungen handelte es sich nach Auffassung der Kommission um die Beschränkung des Handelsverkehrs im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) einschließlich der Beschränkung von Einfuhren in den EWR aus Ländern außerhalb des EWR, um Marktaufteilung, um Preisabsprachen und um andere verbundene wettbewerbswidrige Praktiken in den Märkten für Zement und verwandte Produkte.
Das EuG wies die Klagen ab und bestätigte im Wesentlichen die Rechtmäßigkeit der von der Kommission an die Zementhersteller gerichteten Auskunftsverlangen. Auf die Rechtsmittel der Unternehmen hob der BGH die Urteile auf, gab den Klagen statt und erklärte die Beschlüsse der Kommission für nichtig.
Die Gründe:
Die Beschlüsse der Kommission sind nicht rechtlich hinreichend begründet. Sie waren daher für nichtig zu erklären.
Die Begründung von Rechtsakten muss die Überlegungen des erlassenden Organs so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrolle durchführen kann. Insbesondere muss die Kommission in der Begründung eines Auskunftsverlangens u.a. seine Rechtsgrundlage und seinen Zweck angeben. Sie muss zudem die geforderten Auskünfte angeben und die Frist für ihre Erteilung festlegen. Diese spezielle Begründungspflicht stellt insbesondere deshalb ein grundlegendes Erfordernis dar, weil die betroffenen Unternehmen in die Lage versetzt werden sollen, den Umfang ihrer Mitwirkungspflicht zu erkennen und zugleich ihre Verteidigungsrechte zu wahren.
Es handelt sich vorliegend um zahlreiche Fragen der Kommission an die Unternehmen, die jeweils ganz unterschiedliche Arten von Auskünften betreffen. Die den Erlass der Beschlüsse der Kommission rechtfertigenden Verdachtsmomente für eine Zuwiderhandlung kommen darin jedoch nicht klar und eindeutig zum Ausdruck. Es lässt sich darüber hinaus nicht feststellen, ob die verlangten Auskünfte für die Untersuchung überhaupt notwendig sind. Insbesondere vor dem Hintergrund des erheblichen Umfangs der Fragen ist die Begründung äußerst knapp, vage und allgemein gehalten. Auch der Kontext, in dem die Beschlüsse ergangen sind, kann diese Begründungsmängel nicht wettmachen.
Bei einem Auskunftsverlangen handelt es sich, wie bei einem Nachprüfungsbeschluss, um eine typischerweise im Rahmen der Voruntersuchung eingesetzte Ermittlungsmaßnahme. Zu Nachprüfungsbeschlüssen hat der EuGH bereits entschieden, dass aus ihnen nicht zwingend eine genaue Abgrenzung des relevanten Markts, die exakte rechtliche Qualifizierung der mutmaßlichen Zuwiderhandlungen oder der Zeitraum, in dem sie begangen worden sein sollen, hervorgehen muss, da die Nachprüfungen zu Beginn der Untersuchung stattfinden, also zu einer Zeit, zu der die Kommission noch nicht über genaue Informationen verfügt.
Eine äußerst knappe, vage und allgemein gehaltene Begründung kann jedoch keine Auskunftsverlangen rechtfertigen, die wie in den vorliegenden Rechtssachen ergangen sind, nachdem mehrere Monate seit der Einleitung des Verfahrens und mehr als zwei Jahre seit den ersten Nachprüfungen vergangen waren und nachdem die Kommission bereits mehrere Auskunftsverlangen an die der Teilnahme an der betreffenden Zuwiderhandlung verdächtigten Unternehmen gerichtet hatte. Die Beschlüsse wurden erlassen, als die Kommission bereits über Informationen verfügte, die es ihr ermöglicht hätten, die Verdachtsmomente für eine Zuwiderhandlung der betreffenden Unternehmen mit größerer Bestimmtheit zu formulieren.
Linkhinweis:
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