Der V. BFH-Senat und die Finanzverwaltung vertreten bisher die Auffassung, dass der Vorsteuerabzug bei Vorliegen eines Zuordnungswahlrechts ausgeschlossen ist, wenn bis zum Ablauf der gesetzlichen Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung keine für die Finanzbehörden erkennbare Zuordnungsentscheidung abgegeben wurde (u. a. BFH-Urteil vom 07.07.2011, Az. V R 42/09, BStBl. II 2014, S. 76, sowie A 15.2c (18) Satz 4 UStAE). Unterbleibt eine rechtzeitige Dokumentation, geht die Finanzverwaltung davon aus, dass das Wirtschaftsgut dem privaten Bereich zugeordnet ist, so dass ein Vorsteuerabzug nicht mehr möglich ist.
Der XI. BFH-Senat zweifelte an dieser Rechtsauslegung und hatte daher den EuGH in zwei Verfahren um Vorabentscheidung ersucht (BFH-Urteile vom 18.09.2019, Az. XI R 7/19, DStR 2020, S. 220, und Az. XI R 3/19, DStRE 2020, S. 291). Fraglich war demnach, ob der Vorsteuerabzug in Fällen, in denen ein Zuordnungswahlrecht besteht, ausgeschlossen ist, wenn bis zum Ablauf der Abgabefrist für die Umsatzsteuer-Jahreserklärung für die Finanzbehörden keine Zuordnungsentscheidung des Steuerpflichtigen ersichtlich ist.
In seinem Urteil vom 14.10.2021 (Rs. C-45/20 und C-46/20, BFH/NV 2021, S. 1629) führt der EuGH aus, dass zwischen der Zuordnungsentscheidung als solcher und der Dokumentation der Entscheidung zu differenzieren sei. Die Entscheidung sei materielle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug, die Mitteilung an die Finanzverwaltung hingegen rein formelle Voraussetzung. Die materielle Voraussetzung setzt die Zuordnung zum Unternehmen grundsätzlich im Zeitpunkt des Leistungsbezuges voraus, dies erfordert jedoch nicht die Dokumentation gegenüber den Finanzbehörden, sondern kann sich grundsätzlich auch implizit (beispielsweise aus dem Abschluss von Verträgen) ergeben.
Die Information der Finanzbehörde über diese Zuordnung zum Unternehmen ist hingegen eine rein formelle Voraussetzung für den Vorsteuerabzug und der Vorsteuerabzug dürfe grundsätzlich nicht allein wegen der Nichterfüllung einer formellen Voraussetzung versagt werden. Zwar folge aus der Rechtsprechung des EuGH, dass die Ausübung des Abzugsrechts ohne zeitliche Beschränkung dem Grundsatz der Rechtsicherheit zuwiderlaufe, auf der anderen Seite Ausschlussfristen, deren Nichteinhaltung mit der Versagung des Abzugsrechts sanktioniert werden, nur dann EU-konform sind, wenn hierdurch der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz gewahrt werden.
Daher hat der EuGH dem BFH aufgetragen zu prüfen, ob die fragliche Ausschlussfrist im Hinblick auf das Ziel der Wahrung des Grundsatzes der Rechtsicherheit verhältnismäßig ist. Insofern ist abzuwarten, wie der BFH darüber entscheiden wird. Die Überprüfung der Notwendigkeit der (strengen) Ausschlussfrist wurde faktisch wieder zurück zum BFH delegiert und ist damit weiterhin offen.
Hinweis: Unabhängig von der nun noch ausstehenden Entscheidung des BFH, verdeutlicht die Entscheidung des EuGH wiederholt, welche Wichtigkeit eine ausreichende Dokumentation auf Ebene des Unternehmens hat.
Aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie wurde für den Besteuerungszeitraum 2020 die Regelabgabefrist für die Abgabe von Steuererklärungen verlängert und endete erst am 01.11.2021. Dementsprechend war die Zuordnungsentscheidung für Leistungsbezüge im Besteuerungszeitraum 2020 auch dann zeitnah dokumentiert, wenn sie bis zum 01.11.2021 bzw. wegen des Feiertags am 02.11.2021 vorliegt. Dies stellt das Landesamt für Steuern Sachsen in einer Kurzinformation vom 04.08.2021 (Az. 213 - S 7300/45/2-2021/43540, DStR 2021, S. 2410) klar.