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Steuerberatung

EuGH zur Umsatzsteuer bei Gutscheinen

Auch mehr als fünf Jahre nach Einführung der um­satz­steu­er­li­chen Re­ge­lun­gen zur Be­hand­lung von Ein­zweck- und Mehr­zweck­gut­schei­nen be­ste­hen im De­tail zahl­rei­che of­fene An­wen­dungs­fra­gen, die eine rechts­si­chere Be­ur­tei­lung oft­mals er­schwe­ren. Recht­spre­chung zur Neu­re­ge­lung liegt bis­her fast nicht vor.

Der EuGH hatte nun, nach Vor­lage durch den BFH, Ge­le­gen­heit zu den Kri­te­rien der Ein­stu­fung ei­nes Gut­scheins als sog. Ein­zweck­gut­schein Stel­lung zu neh­men und hier­bei ins­be­son­dere die Rechts­fol­gen der Über­tra­gung von Gut­schei­nen in ei­ner Leis­tungs­kette näher zu be­leuch­ten.

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In sei­nem Ur­teil vom 18.04.2024 (Rs. C-68/23, M-GbR) führt der Ge­richts­hof aus, dass es für die zen­trale Frage, ob der Ort der Leis­tung fest­steht, nicht dar­auf an­kommt, ob eine missbräuch­li­che Ver­wen­dung durch den Einlösen­den ggf. zu einem ab­wei­chen­den Leis­tungs­ort führen könnte. Viel­mehr liegt ein Ein­zweck­gut­schein schon dann vor, wenn nach den ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen die Be­stim­mung des Leis­tungs­or­tes und des Steu­er­sat­zes möglich ist. Vor­her­ge­hende Über­tra­gun­gen des Gut­scheins zwi­schen wie­der­ver­kau­fen­den Un­ter­neh­mern sind für den Cha­rak­ter als Ein­zweck­gut­schein un­er­heb­lich.

Worum geht es?

Hin­sicht­lich der Um­satz­be­steue­rung von Gut­schei­nen un­ter­schei­det das Um­satz­steu­er­recht zwi­schen Ein­zweck- und Mehr­zweck­gut­schei­nen. Ein­zweck­gut­scheine sind nach Art. 30a Nr. 2 der MwSt­Sys­tRL Gut­scheine, bei de­nen der Ort der Leis­tung, auf die sich der Gut­schein be­zieht, so­wie die hierfür ge­schul­dete Mehr­wert­steuer zum Zeit­punkt der Aus­stel­lung fest­ste­hen. Dem­ge­genüber sind Mehr­zweck­gut­scheine gemäß Art. 30a Nr. 3 MwSt­Sys­tRL Gut­scheine, die keine Ein­zweck­gut­scheine sind.

Bei Ein­zweck­gut­schei­nen sind gemäß Art. 30b Abs. 1 Un­ter­abs. 1 MwSt­Sys­tRL be­reits ihre Aus­stel­lung und jede wei­tere Über­tra­gung um­satz­steu­er­pflich­tig, während bei Mehr­zweck­gut­schei­nen die Um­satz­steuer grundsätz­lich erst bei Einlösung ent­steht.

Im Vor­la­ge­fall ver­trieb eine GbR Gut­sch­ein­kar­ten oder Gut­schein­codes („PSN-Cards“), mit de­nen End­ver­brau­cher ihr Sony Nut­zer­konto auf­la­den und mit dem Gut­ha­ben im Play­Sta­tion Store di­gi­tale In­halte er­wer­ben konn­ten. Die PSN-Cards er­warb die GbR über Zwi­schenhänd­ler von ei­ner bri­ti­schen Ge­sell­schaft, die diese mit ei­ner Länder­ken­nung aus­gab. Im Play­Sta­tion-Shop gilt eine strikte Länder­tren­nung, d.h. Kun­den müssen bei ih­rer Re­gis­trie­rung kon­krete An­ga­ben über ih­ren Wohn­sitz oder gewöhn­li­chen Auf­ent­halts­ort ma­chen. Das Nut­zer­konto wird dem je­wei­li­gen Land fest zu­ge­ord­net. Nur PSN-Cards mit der pas­sen­den Länder­ken­nung können zum Auf­la­den des Nut­zer­kon­tos ver­wen­det wer­den.

Die GbR ging in ih­ren Steu­er­erklärun­gen da­von aus, dass es sich bei den PSN-Cards um Mehr­zweck­gut­scheine im Sinne des § 3 Abs. 15 UStG (Art. 30b Abs. 1 Un­ter­abs. 2 MwSt­Sys­tRL) han­dele, da bei de­ren Er­werb der Wohn­sitz oder gewöhn­li­che Auf­ent­halt des End­kun­den nicht si­cher sei. Al­lein die Länder­ken­nung der PSN-Cards lasse keine si­chere Be­stim­mung zu und die An­ga­ben der Nut­zer bei Eröff­nung der Nut­zer­kon­ten würden nicht geprüft. Fol­ge­rich­tig un­ter­warf die GbR die Aus­gabe der Gut­scheine nicht der Um­satz­steuer.

Dem­ge­genüber ging das Fi­nanz­amt da­von aus, dass es sich bei den PSN-Cards um Ein­zweck­gut­scheine gemäß § 3 Abs. 14 UStG (Art. 30b Abs. 1 Un­ter­abs. 1 MwSt­Sys­tRL) han­dele, da sie nur von Kun­den mit Wohn­sitz in Deutsch­land und deut­schem Sony-Nut­zer­konto ein­gelöst wer­den konn­ten. Die Aus­gabe von Ein­zweck­gut­schei­nen sei steu­er­pflich­tig, wes­halb das Fi­nanz­amt Um­satz­steuer in ent­spre­chen­der Höhe fest­setzte.

Das FG Schles­wig-Hol­stein (Ur­teil vom 10.03.2021, Az. 4 K 62/19) wies die Klage der GbR ge­gen die Um­satz­steu­er­fest­set­zung ab. Im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren legte der BFH dem EuGH die fol­gen­den Fra­gen zur Vor­ab­ent­schei­dung vor (Be­schluss vom 03.11.2022, Az. XI R 21/21):

  • Liegt ein Ein­zweck­gut­schein vor, wenn zwar der Ort der Er­brin­gung der fi­na­len Leis­tung an den Ver­brau­cher fest­steht, aber die Fik­tion des Art. 30b Abs. 1 Un­ter­abs. 1 S.1. MwSt­Sys­tRL bei Über­tra­gung des Gut­scheins zwi­schen Un­ter­neh­mern zu ei­ner Leis­tung im Ge­biet ei­nes an­de­ren Mit­glied­staa­tes führt?
  • Falls ein Mehr­zweck­gut­schein vor­liegt: Steht die grundsätz­li­che Nicht­steu­er­bar­keit der Aus­stel­lung und Über­tra­gung von Mehr­zweck­gut­schei­nen nach Art. 30b Abs. 2 Un­ter­abs. 1 MwSt­Sys­tRL ei­ner an­der­wei­tig begründe­ten Steu­er­pflicht ent­ge­gen?

Das Urteil des EuGH

Auf die er­ste Vor­la­ge­frage ant­wor­tete der EuGH, dass die Ein­stu­fung ei­nes Gut­scheins als Ein­zweck­gut­schein nach Art. 30a Nr. 3 MwSt­Sys­tRL da­von abhängt, ob der Ort der Leis­tung so­wie der an­zu­wen­dende Steu­er­satz bei Aus­gabe des Gut­scheins fest­ste­hen. Im Ent­schei­dungs­fall sei dies bezüglich der Leis­tung an den End­ver­brau­cher ge­ge­ben. Durch die Länder­ken­nung kann der Wohn­sitz/gewöhn­li­che Auf­ent­halt des nicht­un­ter­neh­me­ri­schen End­kun­den hin­rei­chend si­cher fest­ge­stellt wer­den. Dass eine missbräuch­li­che Ver­schleie­rung des tatsäch­li­chen Wohn­or­tes durch die End­kun­den nicht aus­ge­schlos­sen wer­den kann, ändert nach An­sicht des Ge­richts­hofs hieran nichts.

Ob tatsäch­lich ein Ein­zweck­gut­schein vor­liegt, hängt so­mit nur da­von ab, dass wei­ter­hin der an­zu­wen­dende Steu­er­satz fest­steht. Diese Fest­stel­lung ob­liegt dem BFH als vor­le­gen­dem Ge­richt.

Der Ge­richts­hof stellt zu­dem fest, dass die Über­tra­gung des Gut­scheins zwi­schen meh­re­ren Un­ter­neh­mern keine Aus­wir­kun­gen auf des­sen um­satz­steu­er­li­che Be­ur­tei­lung als Ein- oder Mehr­zweck­gut­schein hat, auch wenn die je­wei­li­gen Über­tra­gun­gen in ver­schie­de­nen Ländern steu­er­bar sein soll­ten.

Auf die zweite Vor­la­ge­frage ant­wor­tet der EuGH, dass die Über­tra­gung von Mehr­zweck­gut­schei­nen eine ei­genständige Dienst­leis­tung dar­stel­len kann (Ver­kaufsförde­rung o. ä.), die nach den all­ge­mei­nen Grundsätzen steu­er­bar und steu­er­pflich­tig sein könnte. Dass die Über­tra­gung von Mehr­zweck­gut­schei­nen grundsätz­lich nicht steu­er­bar ist, ändert hieran nichts.

Fazit

Die Ent­schei­dung des EuGH sorgt in­so­weit für mehr Klar­heit bei der Ein­ord­nung von Gut­schei­nen, als fest­ge­stellt wird, dass die ver­trag­li­chen Ver­ein­ba­run­gen über die Nut­zung des Gut­scheins maßgeb­lich sind. Es ist nicht er­for­der­lich, dass eine missbräuch­li­che Ver­wen­dung aus­ge­schlos­sen wer­den kann. Kann ein Gut­schein nur in ei­ner Weise ein­gelöst wer­den, die zu ei­ner be­reits fest­ste­hen­den Steu­er­bar­keit (dem Ort nach) und Höhe des Steu­er­sat­zes (der Leis­tungs­art nach) führt, liegt ein Ein­zweck­gut­schein vor.

So­weit die Vor­la­ge­fra­gen auf die Über­tra­gung von Gut­schei­nen in ei­ner Leis­tungs­kette ab­ziel­ten, ge­ben die Aus­sa­gen des EuGH je­doch we­nig Auf­schluss. So ist wei­ter­hin un­klar, ob bei der Über­tra­gung ei­nes Ein­zweck­gut­scheins auch die Über­tra­gun­gen zwi­schen den Zwi­schenhänd­lern am Ort der Leis­tung an den End­ver­brau­cher steu­er­bar sind oder ob jede Über­tra­gung selbstständig zu würdi­gen ist. Sollte die Fik­tion der Leis­tungs­er­brin­gung auch den Leis­tungs­ort um­fas­sen, wären ausländi­sche Zwi­schenhänd­ler im Land des End­ver­brauchs re­gis­trie­rungs­pflich­tig. In­so­weit be­steht wei­ter­hin eine ge­wisse Un­si­cher­heit, die im Ein­zel­fall je­doch auch ent­spre­chende Ar­gu­men­ta­ti­ons­spielräume ge­genüber der Fi­nanz­ver­wal­tung eröff­net. In­so­weit darf man ge­spannt sein, ob und wie sich der BFH hierzu äußern wird.

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