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EuGH zur Umsatzsteuer bei Gutscheinen

22.05.2024 | 4 Minuten Lesezeit

Auch mehr als fünf Jahre nach Einführung der umsatzsteuerlichen Regelungen zur Behandlung von Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen bestehen im Detail zahlreiche offene Anwendungsfragen, die eine rechtssichere Beurteilung oftmals erschweren. Rechtsprechung zur Neuregelung liegt bisher fast nicht vor.

Der EuGH hatte nun, nach Vorlage durch den BFH, Gelegenheit zu den Kriterien der Einstufung eines Gutscheins als sog. Einzweckgutschein Stellung zu nehmen und hierbei insbesondere die Rechtsfolgen der Übertragung von Gutscheinen in einer Leistungskette näher zu beleuchten.

In seinem Urteil vom 18.04.2024 (Rs. C-68/23, M-GbR) führt der Gerichtshof aus, dass es für die zentrale Frage, ob der Ort der Leistung feststeht, nicht darauf ankommt, ob eine missbräuchliche Verwendung durch den Einlösenden ggf. zu einem abweichenden Leistungsort führen könnte. Vielmehr liegt ein Einzweckgutschein schon dann vor, wenn nach den vertraglichen Vereinbarungen die Bestimmung des Leistungsortes und des Steuersatzes möglich ist. Vorhergehende Übertragungen des Gutscheins zwischen wiederverkaufenden Unternehmern sind für den Charakter als Einzweckgutschein unerheblich.

Worum geht es?

Hinsichtlich der Umsatzbesteuerung von Gutscheinen unterscheidet das Umsatzsteuerrecht zwischen Einzweck- und Mehrzweckgutscheinen. Einzweckgutscheine sind nach Art. 30a Nr. 2 der MwStSystRL Gutscheine, bei denen der Ort der Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, sowie die hierfür geschuldete Mehrwertsteuer zum Zeitpunkt der Ausstellung feststehen. Demgegenüber sind Mehrzweckgutscheine gemäß Art. 30a Nr. 3 MwStSystRL Gutscheine, die keine Einzweckgutscheine sind.

Bei Einzweckgutscheinen sind gemäß Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL bereits ihre Ausstellung und jede weitere Übertragung umsatzsteuerpflichtig, während bei Mehrzweckgutscheinen die Umsatzsteuer grundsätzlich erst bei Einlösung entsteht.

Im Vorlagefall vertrieb eine GbR Gutscheinkarten oder Gutscheincodes („PSN-Cards“), mit denen Endverbraucher ihr Sony Nutzerkonto aufladen und mit dem Guthaben im PlayStation Store digitale Inhalte erwerben konnten. Die PSN-Cards erwarb die GbR über Zwischenhändler von einer britischen Gesellschaft, die diese mit einer Länderkennung ausgab. Im PlayStation-Shop gilt eine strikte Ländertrennung, d.h. Kunden müssen bei ihrer Registrierung konkrete Angaben über ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort machen. Das Nutzerkonto wird dem jeweiligen Land fest zugeordnet. Nur PSN-Cards mit der passenden Länderkennung können zum Aufladen des Nutzerkontos verwendet werden.

Die GbR ging in ihren Steuererklärungen davon aus, dass es sich bei den PSN-Cards um Mehrzweckgutscheine im Sinne des § 3 Abs. 15 UStG (Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL) handele, da bei deren Erwerb der Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt des Endkunden nicht sicher sei. Allein die Länderkennung der PSN-Cards lasse keine sichere Bestimmung zu und die Angaben der Nutzer bei Eröffnung der Nutzerkonten würden nicht geprüft. Folgerichtig unterwarf die GbR die Ausgabe der Gutscheine nicht der Umsatzsteuer.

Demgegenüber ging das Finanzamt davon aus, dass es sich bei den PSN-Cards um Einzweckgutscheine gemäß § 3 Abs. 14 UStG (Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 MwStSystRL) handele, da sie nur von Kunden mit Wohnsitz in Deutschland und deutschem Sony-Nutzerkonto eingelöst werden konnten. Die Ausgabe von Einzweckgutscheinen sei steuerpflichtig, weshalb das Finanzamt Umsatzsteuer in entsprechender Höhe festsetzte.

Das FG Schleswig-Holstein (Urteil vom 10.03.2021, Az. 4 K 62/19) wies die Klage der GbR gegen die Umsatzsteuerfestsetzung ab. Im Revisionsverfahren legte der BFH dem EuGH die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vor (Beschluss vom 03.11.2022, Az. XI R 21/21):

  • Liegt ein Einzweckgutschein vor, wenn zwar der Ort der Erbringung der finalen Leistung an den Verbraucher feststeht, aber die Fiktion des Art. 30b Abs. 1 Unterabs. 1 S.1. MwStSystRL bei Übertragung des Gutscheins zwischen Unternehmern zu einer Leistung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates führt?
  • Falls ein Mehrzweckgutschein vorliegt: Steht die grundsätzliche Nichtsteuerbarkeit der Ausstellung und Übertragung von Mehrzweckgutscheinen nach Art. 30b Abs. 2 Unterabs. 1 MwStSystRL einer anderweitig begründeten Steuerpflicht entgegen?

Das Urteil des EuGH

Auf die erste Vorlagefrage antwortete der EuGH, dass die Einstufung eines Gutscheins als Einzweckgutschein nach Art. 30a Nr. 3 MwStSystRL davon abhängt, ob der Ort der Leistung sowie der anzuwendende Steuersatz bei Ausgabe des Gutscheins feststehen. Im Entscheidungsfall sei dies bezüglich der Leistung an den Endverbraucher gegeben. Durch die Länderkennung kann der Wohnsitz/gewöhnliche Aufenthalt des nichtunternehmerischen Endkunden hinreichend sicher festgestellt werden. Dass eine missbräuchliche Verschleierung des tatsächlichen Wohnortes durch die Endkunden nicht ausgeschlossen werden kann, ändert nach Ansicht des Gerichtshofs hieran nichts.

Ob tatsächlich ein Einzweckgutschein vorliegt, hängt somit nur davon ab, dass weiterhin der anzuwendende Steuersatz feststeht. Diese Feststellung obliegt dem BFH als vorlegendem Gericht.

Der Gerichtshof stellt zudem fest, dass die Übertragung des Gutscheins zwischen mehreren Unternehmern keine Auswirkungen auf dessen umsatzsteuerliche Beurteilung als Ein- oder Mehrzweckgutschein hat, auch wenn die jeweiligen Übertragungen in verschiedenen Ländern steuerbar sein sollten.

Auf die zweite Vorlagefrage antwortet der EuGH, dass die Übertragung von Mehrzweckgutscheinen eine eigenständige Dienstleistung darstellen kann (Verkaufsförderung o. ä.), die nach den allgemeinen Grundsätzen steuerbar und steuerpflichtig sein könnte. Dass die Übertragung von Mehrzweckgutscheinen grundsätzlich nicht steuerbar ist, ändert hieran nichts.

Fazit

Die Entscheidung des EuGH sorgt insoweit für mehr Klarheit bei der Einordnung von Gutscheinen, als festgestellt wird, dass die vertraglichen Vereinbarungen über die Nutzung des Gutscheins maßgeblich sind. Es ist nicht erforderlich, dass eine missbräuchliche Verwendung ausgeschlossen werden kann. Kann ein Gutschein nur in einer Weise eingelöst werden, die zu einer bereits feststehenden Steuerbarkeit (dem Ort nach) und Höhe des Steuersatzes (der Leistungsart nach) führt, liegt ein Einzweckgutschein vor.

Soweit die Vorlagefragen auf die Übertragung von Gutscheinen in einer Leistungskette abzielten, geben die Aussagen des EuGH jedoch wenig Aufschluss. So ist weiterhin unklar, ob bei der Übertragung eines Einzweckgutscheins auch die Übertragungen zwischen den Zwischenhändlern am Ort der Leistung an den Endverbraucher steuerbar sind oder ob jede Übertragung selbstständig zu würdigen ist. Sollte die Fiktion der Leistungserbringung auch den Leistungsort umfassen, wären ausländische Zwischenhändler im Land des Endverbrauchs registrierungspflichtig. Insoweit besteht weiterhin eine gewisse Unsicherheit, die im Einzelfall jedoch auch entsprechende Argumentationsspielräume gegenüber der Finanzverwaltung eröffnet. Insoweit darf man gespannt sein, ob und wie sich der BFH hierzu äußern wird.