Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Organträgerin einer GmbH, die ein Alten- und Pflegeheim steuerfrei betreibt. Im Jahr 2003 hatte die GmbH in einem Anbau eine Cafeteria errichtet, die für Besucher durch einen Außeneingang und für Heimbewohner durch den Speisesaal des Pflegeheims zugänglich war. Die Klägerin ging zunächst davon aus, dass sie die Cafeteria ausschließlich für steuerpflichtige Umsätze nutze.
Nach einem Prüfungsvermerk des Finanzamtes wurden in der Cafeteria keine getrennten Aufzeichnungen geführt, da die Heimbewohner nach den Angaben der Klägerin die Cafeteria überhaupt nicht frequentierten. Der weitaus größte Teil sei körperlich so eingeschränkt, dass an einen Besuch der Cafeteria nicht zu denken sei. Diese sei nur für auswärtige Gäste gedacht gewesen, die dann möglichst nicht neben einem Heimbewohner in Pantoffeln und Bademantel sitzen sollten. Nach dem Vermerk handelte es sich um Argumente, denen sich die Behörde im Rahmen der Umsatzsteuer-Sonderprüfung nicht verschließen konnte.
Nichtsdestotrotz erschien es dem Finanzamt unwahrscheinlich, dass überhaupt keine Heimbewohner mit ihren Besuchern die Cafeteria aufsuchten und nutzten. Daraufhin kam es zu einer Verständigung, eine steuerfreie Nutzung der Cafeteria zu 10 % anzunehmen. Dies führte zur Annahme einer Berichtigung nach § 15a UStG für die Jahre ab 2003. Im Anschluss an eine Außenprüfung ging die Behörde davon aus, dass die GmbH in den Streitjahren 2009 bis 2012 in der Cafeteria keine Warenumsätze mehr ausgeführt habe. Im Februar 2013 sei das diesbezügliche Gewerbe abgemeldet worden. Dies habe zu einer weiter gehenden Berichtigung nach § 15a UStG geführt, da jetzt überhaupt keine Nutzung für Umsätze mit Recht auf Vorsteuerabzug vorliege.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hat der BFH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Muss ein Steuerpflichtiger, der einen Investitionsgegenstand im Hinblick auf eine steuerpflichtige Verwendung mit Recht auf Vorsteuerabzug herstellt (hier: Errichtung eines Gebäudes zum Betrieb einer Cafeteria), den Vorsteuerabzug nach Art. 185 Abs. 1 und Art. 187 MwStSystRL berichtigen, wenn er die zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsatztätigkeit (hier: Betrieb der Cafeteria) einstellt und der Investitionsgegenstand im Umfang der zuvor steuerpflichtigen Verwendung nunmehr ungenutzt bleibt?
Gründe:
Der Unternehmer wird durch den Vorsteuerabzug vollständig von der im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet. Damit wird völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis gewährleistet, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen.
Dabei bleibt das Recht auf Vorsteuerabzug auch dann erhalten, wenn der Steuerpflichtige die Gegenstände und Dienstleistungen, die zu dem Abzug geführt haben, später aufgrund von Umständen, die von seinem Willen unabhängig sind, nicht im Rahmen besteuerter Umsätze verwenden konnte. Andernfalls käme es entgegen dem Grundsatz der Neutralität zu willkürlichen Unterscheidungen, da die endgültige Zulassung der Abzüge davon abhinge, ob Investitionen zu steuerbaren Umsätzen führen. Es ist daher mit dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität nicht vereinbar, die endgültige Zulassung der Vorsteuerabzüge von den Ergebnissen der vom Steuerpflichtigen ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit abhängig zu machen. Dies führe zu ungerechtfertigten Unterscheidungen zwischen Unternehmen mit demselben Profil und derselben Tätigkeit in Bezug auf die steuerliche Behandlung von identischen Immobilieninvestitionstätigkeiten.
Die vom Willen des Unternehmers unabhängige Nichtverwendung ohne weitere Nutzungsabsicht kann einer Nichtverwendung trotz Absicht zu einer steuerpflichtigen Nutzung gleichzustellen sein. Hat der Unternehmer in der Absicht einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Nutzung ein Wirtschaftsgut hergestellt und kann er die beabsichtigte Nutzung wegen einer von seinem Willen unabhängigen Erfolglosigkeit nicht dauerhaft verwirklichen, würde das sich hieraus ergebende Fehlen jeglicher Nutzung und jeglicher Verwendungsabsicht keine Änderung der Verhältnisse bewirken, die zu einer Vorsteuerberichtigung führt.
Die bereits in den Streitjahren bestehende Schließung des Betriebs der Cafeteria beruhte im Streitfall auf der fehlenden wirtschaftlichen Rentabilität und damit auf der Erfolglosigkeit der Steuerpflichtigen, die für sich genommen keine Änderung der Verhältnisse begründete. Die Schließung führte nicht dazu, dass eine ausschließlich steuerfreie Nutzung durch die Heimbewohner vorlag. Denn durch die Betriebsschließung hat sich der Umfang der steuerfreien Verwendung durch die Heimbewohner nicht geändert. Diese blieb vielmehr unter Berücksichtigung der Umstände, die zur Annahme einer steuerfreien Mitverwendung führten, unverändert.
Die Nutzung für den steuerpflichtigen Betrieb der Cafeteria entfiel ersatzlos, ohne dass an die Stelle dieser bisherigen Verwendung eine erhöhte Nutzung durch die Heimbewohner trat. Somit lag neben der unveränderten Nutzung durch die Heimbewohner statt des früheren Betriebs der Cafeteria ein nunmehr brachliegender Betrieb mit insoweit ungenutzten Räumlichkeiten vor. Es könnte rechtsfehlerhaft sein, die so unterbleibende Nutzung dahingehend zu deuten, dass nunmehr eine ausschließliche Nutzung für steuerfreie Zwecke vorliegt.
Linkhinweis:
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