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EuGH-Vorlage zur Hinzurechnungsbesteuerung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter im Drittstaatenfall

BFH 12.10.2016, I R 80/14

Der BFH sieht es als zwei­fel­haft an, ob die sog. Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung von Zwi­schen­einkünf­ten mit Ka­pi­tal­an­la­ge­cha­rak­ter in Dritt­staa­ten­sach­ver­hal­ten vollständig mit dem Uni­ons­recht ver­ein­bar ist. Er hat da­her in einem Ver­fah­ren zu ei­ner Zwi­schen­ge­sell­schaft mit Sitz in der Schweiz den EuGH an­ge­ru­fen. Die zu klärende Streit­frage kann all­ge­mein für Be­tei­li­gun­gen an Ge­sell­schaf­ten mit Sitz außer­halb der EU und des EWR von Be­deu­tung sein.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist eine deut­sche GmbH. Sie war zu 30 % an ei­ner Schwei­zer Y-AG be­tei­ligt. Ende Juni 2005 hatte die Y-AG mit der inländi­schen Z-GmbH einen "For­de­rungs­kauf- und Über­tra­gungs­ver­trag" ab­ge­schlos­sen. Die Z-GmbH schloss dar­auf­hin mit vier Sport­ver­ei­nen Verträge ab, nach de­nen die Z-GmbH be­rech­tigt war, von den Ver­ei­nen für die Dauer der je­wei­li­gen Verträge die Zah­lung von den Ver­trags­par­teien als "Erlösbe­tei­li­gun­gen" be­zeich­nete(r) Beträge zu ver­lan­gen.

Als Kauf­preis für die Ab­tre­tung der "Erlösbe­tei­li­gun­gen" zahlte die Y-AG an die Z-GmbH einen Be­trag, den sie in vol­ler Höhe fremd­fi­nan­ziert hatte. Die Kläge­rin gewährte der Y-AG im No­vem­ber 2005 ein Dar­le­hen. Die Verträge der Z-GmbH mit den Ver­ei­nen wie­sen fol­gende Grund­struk­tur auf: Ne­ben einem "Agen­tur­ver­trag" für die Ver­mark­tung me­dia­ler Ver­wer­tungs­rechte des je­wei­li­gen Ver­eins gewährte die Z-GmbH dem Ver­ein ein "Ab­schrei­bungs­dar­le­hen" bzw. einen Zu­schuss ("si­gning fee"). Als "Ge­gen­leis­tung" sollte der Ver­ein die Z-GmbH für die Dauer der Ver­trags­lauf­zeit an den Ein­nah­men be­tei­li­gen, die er aus Mar­ke­ting- und me­dia­len Ver­wer­tungs­rech­ten er­zie­len würde. Mit dem For­de­rungs­kauf­ver­trag trat die Z-GmbH die For­de­run­gen auf Zah­lung der Erlösbe­tei­li­gun­gen an die Y-AG ab. Die sich aus den Agen­tur­verträgen er­ge­ben­den Rechte und Pflich­ten wa­ren nicht Ver­trags­ge­gen­stand.

Das Fi­nanz­amt sah in der Y-AG eine Zwi­schen­ge­sell­schaft für Zwi­schen­einkünfte mit Ka­pi­tal­an­la­ge­cha­rak­ter i.S.v. § 7 Abs. 6 u. 6a AStG i.d.F. des StVer­gAbG - nach­fol­gend: AStG 2006. Die Einkünfte aus ab­ge­tre­te­nen Geld­for­de­run­gen wur­den zu Las­ten der Kläge­rin als Zwi­schen­einkünfte mit Ka­pi­tal­an­la­ge­cha­rak­ter der Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung un­ter­wor­fen. Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin sah der BFH es als zwei­fel­haft an, ob die sog. Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung von Zwi­schen­einkünf­ten mit Ka­pi­tal­an­la­ge­cha­rak­ter in Dritt­staa­ten­sach­ver­hal­ten vollständig mit dem Uni­ons­recht ver­ein­bar ist. Er hat da­her den EuGH an­ge­ru­fen. Die nun­mehr vom EuGH zu klärende Streit­frage kann all­ge­mein für Be­tei­li­gun­gen an Ge­sell­schaf­ten mit Sitz außer­halb der EU und des Eu­ropäischen Wirt­schafts­raums von Be­deu­tung sein.

Die Gründe:
Mit­hilfe der Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung nach dem AStG ver­sucht der deut­sche Fis­kus, Ge­winn­ver­la­ge­run­gen in das nied­ri­ger be­steu­ernde Aus­land ent­ge­gen­zu­wir­ken. Be­stimmte Einkünfte ("Zwi­schen­einkünfte") von Aus­lands­ge­sell­schaf­ten ("Zwi­schen­ge­sell­schaf­ten"), an de­nen in Deutsch­land un­be­schränkt Steu­er­pflich­tige be­tei­ligt sind und die in ih­ren Sitz­staa­ten mit ge­rin­ge­ren Er­trag­steu­ersätzen als 25 % be­steu­ert wer­den, wer­den un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen den in Deutsch­land un­be­schränkt steu­er­pflich­ti­gen Ge­sell­schaf­tern an­tei­lig zu­ge­rech­net und bei die­sen ähn­lich Ge­winn­aus­schüttun­gen be­steu­ert, ohne dass es dar­auf an­kommt, ob die Ge­sell­schaf­ter tatsäch­lich Ge­winn­aus­schüttun­gen er­hal­ten ha­ben oder nicht.

Der EuGH hat hin­sicht­lich ei­ner ver­gleich­ba­ren bri­ti­schen Re­ge­lung im Jahr 2006 ent­schie­den, dass eine Hin­zu­rech­nungs­be­steue­rung nur dann mit der uni­ons­recht­lich verbürg­ten Nie­der­las­sungs­frei­heit ver­ein­bar ist, wenn der Steu­er­pflich­tige die Be­steue­rung durch den Nach­weis ab­wen­den kann, dass es sich bei der Be­tei­li­gung an der Zwi­schen­ge­sell­schaft nicht um eine rein künst­li­che Ge­stal­tung han­delt, die nur dazu dient, den höheren inländi­schen Steu­ersätzen zu ent­ge­hen (sog. Mo­tiv­test). Den deut­schen Ge­setz­ge­ber hat die EuGH-Recht­spre­chung dazu be­wo­gen, für Be­tei­li­gun­gen an Zwi­schen­ge­sell­schaf­ten aus EU- und EWR-Staa­ten ab dem Jahr 2008 eine Ent­las­tungsmöglich­keit durch einen Mo­tiv­test ge­setz­lich zu ver­an­kern (§ 8 Abs. 2 AStG).

Für in Dritt­staa­ten wie der Schweiz ansässige Zwi­schen­ge­sell­schaf­ten gibt es je­doch keine ver­gleich­bare Ent­las­tungsmöglich­keit. Dies könnte al­ler­dings ge­gen die uni­ons­recht­lich verbürgte Ka­pi­tal­ver­kehrs­frei­heit ver­stoßen, die - an­ders als die Nie­der­las­sungs­frei­heit - grundsätz­lich auch im Ver­kehr mit Dritt­staa­ten ge­schützt ist. Darüber wird der EuGH im wei­te­ren Ver­fah­ren ent­schei­den.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
  • Um di­rekt zum Voll­text zu ge­lan­gen, kli­cken Sie bitte hier.
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