Der Sachverhalt:
Die Klägerin betreibt mehrere Blutspendezentren. Nach Aufteilung des gespendeten Blutes in seine einzelnen Komponenten wurde das Blutplasma zu etwa 10 Prozent unmittelbar im Rahmen von Heilbehandlungen und zu ca. 90 Prozent als Ausgangsstoff für die Herstellung von Arzneimitteln verwendet.
Das FG setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH folgende Fragen zur Vorabentscheidung vor:
- Ist Art. 132 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL dahingehend auszulegen, dass die Lieferung von menschlichem Blut auch die Lieferung von aus menschlichem Blut gewonnenem Blutplasma umfasst?
- Falls die Frage zu 1 bejaht wird: Gilt dies auch für Blutplasma, dass nicht unmittelbar für therapeutische Zwecke, sondern ausschließlich zur Herstellung von Arzneimitteln bestimmt ist?
- Falls die Frage zu 2 verneint wird: Kommt es für die Einordnung als Blut allein auf die getroffene Zweckbestimmung oder auch auf die abstrakt bestehende Verwendungsmöglichkeit des Blutplasmas an?
- Falls die Fragen zu 1 und 2 bejaht werden: Führt ein Umsatz, der nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. d der MwStSystRL innerhalb eines Mitgliedstaats von der Mehrwertsteuer befreit ist, ungeachtet der im Drittland anwendbaren Mehrwertsteuerregelung, zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach Art. 168 MwStSystRL, selbst wenn es sich um eine Ausfuhrlieferung handelt, für die nach Art. 169 Buchst. b MwStSystRL i.V.m. Art. 146 Abs. 1 MwStSystRL der Vorsteuerabzug eröffnet ist?
Das Verfahren ist beim EuGH unter dem Az. C-238/16 anhängig.
Die Gründe:
Sollte der EuGH entscheiden, dass die Lieferung von Blutplasma unabhängig von deren Verwendungszweck eine Lieferung von Blut i.S.d. Art 132 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL darstellt und zudem hinsichtlich des Vorsteuerabzugs die Vorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL der allgemeinen Steuerbefreiung nicht nur für innergemeinschaftliche Lieferungen, sondern auch für Ausfuhrlieferungen vorgehen würde, wäre der von der Klägerin begehrte Vorsteuerabzug zu versagen. Sollte der EuGH dagegen zu der Überzeugung gelangen, die im Streitfall von der Klägerin durchgeführten Plasmalieferungen seien nicht als "Lieferung von Blut" steuerbefreit, so stünde der Klägerin für ihre innergemeinschaftlichen Lieferungen und Ausfuhrlieferungen von Fraktionierungsplasma der Vorsteuerabzug zu.
Für den Fall, dass der EuGH die ersten beiden Vorlagefragen bejaht und entscheidet, dass die Lieferung von zur Herstellung von Arzneimitteln bestimmtem Blutplasma unter die Steuerbefreiung des Art 132 Abs. 1 Buchstabe d MwStSystRL fällt, stellt sich die Frage, ob der Klägerin im Zusammenhang mit ihren Ausfuhrlieferungen von Blutplasma in die Schweiz (Drittland) der Vorsteuerabzug zu versagen ist. Hinsichtlich der 4. Vorlagefrage geht das FG unter Anwendung der vom EuGH in seiner Entscheidung "Eurodental" aufgestellten Grundsätze und im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH davon aus, dass die spezielle Befreiungsvorschrift des Art. 132 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL (wortgleich § 4 Nr. 17 Buchst. a UStG) der allgemeinen Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen vorgeht mit der Folge, dass die im vorliegenden Verfahren in Rede stehenden Blutplasmalieferungen, wenn sie im Inland eines Mitgliedsstaates ausgeführt werden oder innergemeinschaftlichen Charakter haben, nicht zu einem Vorsteuerabzug führen.
Der BFH hat in seiner Entscheidung vom 22.8.2013 (V R 30/12) aber ausdrücklich offengelassen, ob die Grundsätze des EuGH-Urteils Eurodental auch auf Ausfuhrlieferungen übertragen werden können. Wendet man die Grundsätze in der Entscheidung Eurodental entsprechend auch auf Ausfuhrlieferungen an, so können bei grenzüberschreitenden Umsätzen in ein Drittland Konstellationen entstehen, die für den betroffenen Unternehmer bei fehlendem Vorsteuerabzugsrecht die Gefahr einer "Doppelbesteuerung" bergen.
Da aber auch die Harmonisierung innerhalb der EU noch nicht abgeschlossen ist und für einzelne in Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL geregelte Steuerbefreiungen (z.B. Art. 132 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL) ohne Möglichkeit des Vorsteuerabzugs nach Art. 168 MwStSystRL eine Ermächtigung in Art. 370 i.V.m. Anhang X Teil A Nr. 1 MwStSystRL besteht, abweichend hiervon eine vormals national geregelte Besteuerung der Umsätze fortzuführen, können auch bei innergemeinschaftlichen Umsätzen derartige Doppelbesteuerungen oder Nichtbesteuerungen auftreten. Gleichwohl hat der EuGH in der Eurodental-Entscheidung auch für diesen Sonderfall den spezifischen Steuerbefreiungen des Art. 132 MwStSystRL Vorrang vor den allgemeinen Steuerbefreiungen eingeräumt und ausdrücklich nicht nach der im jeweiligen Bestimmungsmitgliedstaat geltenden Mehrwertsteuerregelung differenziert und im Ergebnis den Vorsteuerabzug versagt.
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