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Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Betriebsstätten bei Selbständigen

BFH 23.10.2014, III R 19/13

Die für die Ar­beit­neh­mer gel­ten­den Aus­nah­men von den Ab­zugs­be­schränkun­gen der Fahrt­kos­ten gel­ten im Falle gleich­lie­gen­der Sach­ver­halte bei den selbständig Täti­gen grundsätz­lich ebenso. Fahrt­kos­ten ei­ner selbständig täti­gen Mu­sik­leh­re­rin sind zum un­ein­ge­schränk­ten Be­triebs­aus­ga­ben­ab­zug zu­zu­las­sen, wenn sie zwi­schen Woh­nung und ständig wech­seln­den Un­ter­richt­sein­rich­tun­gen an­fal­len und kei­ner die­ser Be­schäfti­gungsstätten eine be­son­dere zen­trale Be­deu­tung zu­kommt.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin er­teilte im Streit­jahr 2008 als frei­be­ruf­lich tätige Mu­sik­leh­re­rin im Auf­trag ei­ner kom­mu­na­len Mu­sik­schule in meh­re­ren Schu­len und Kin­dergärten Mu­sik­un­ter­richt. Im Re­gel­fall suchte sie jede die­ser Ein­rich­tun­gen ein­mal wöchent­lich auf und be­nutzte hierfür ihr pri­va­tes Kfz. Zusätz­lich un­ter­nahm sie Fahr­ten zur Mu­sik­schule und zu an­de­ren Zie­len. In ih­rer Woh­nung un­ter­hielt sie ein Ar­beits­zim­mer, in dem sie den Un­ter­richt vor­be­rei­tete, Mu­sik­in­stru­mente la­gerte und Büroar­bei­ten er­le­digte.

In der Ein­kom­men­steu­er­erklärung für 2008 er­mit­telte die Kläge­rin den Ge­winn aus ih­rer Lehrtätig­keit nach § 4 Abs. 3 EStG. Als Be­triebs­aus­ga­ben machte sie u.a. Fahrt­kos­ten i.H.v. rd. 1.100 € gel­tend. Da­bei setzte sie für je­den der ge­fah­re­nen Ki­lo­me­ter pau­schal 0,30 € an. Das Fi­nanz­amt er­kannte die gel­tend ge­mach­ten Fahrt­kos­ten nur zur Hälfte, also i.H.v. 0,30 € pro Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter an, weil es sich bei al­len Fahr­ten um sol­che zwi­schen Woh­nung und Be­triebsstätte han­dele.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­amts hatte vor dem BFH kei­nen Er­folg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht ent­schie­den, dass der steu­er­recht­li­che Ab­zug der Fahrt­kos­ten nicht nach § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG durch die Ent­fer­nungs­pau­schale be­grenzt ist.

Nach ständi­ger BFH-Recht­spre­chung ist der Be­griff ei­ner Be­triebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 EStG wei­ter zu fas­sen als im Rah­men des § 12 AO, der eine nicht nur vorüber­ge­hende Verfügungs­macht des Steu­er­pflich­ti­gen über die von ihm ge­nutzte Ein­rich­tung vor­aus­setzt. Be­triebsstätte i.S.d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 EStG ist der Ort, an dem oder von dem aus die be­ruf­li­chen oder ge­werb­li­chen Leis­tun­gen er­bracht wer­den. Da­nach könnte die Kläge­rin bei der Er­mitt­lung ih­res Ge­winns ihre Auf­wen­dun­gen für die Fahr­ten zwi­schen der Woh­nung und den je­wei­li­gen Schu­len bzw. Kin­dergärten als Be­triebsstätten nur i.H.v. 0,30 € je Ent­fer­nungs­ki­lo­me­ter gem. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 S. 2 EStG als Be­triebs­aus­ga­ben ab­set­zen.

Durch § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 S. 1 und 2 EStG sol­len je­doch die Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Be­triebsstätte bei der Er­mitt­lung von Ge­winn­einkünf­ten mit den Auf­wen­dun­gen für Fahr­ten zwi­schen Woh­nung und Ar­beitsstätte bei der Er­mitt­lung von Über­schuss­einkünf­ten gleich be­han­delt wer­den. Diese be­ab­sich­tigte Gleich­be­hand­lung wird durch die ge­setz­lich nor­mierte Ver­wei­sung auf § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 EStG deut­lich. Der hierin zum Aus­druck kom­mende Wille des Ge­setz­ge­bers ist bei der Aus­le­gung des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG zu berück­sich­ti­gen. Wenn nach dem Zweck der Vor­schrift beim Ab­zug der dort ge­nann­ten Fahrt­kos­ten die Ge­wer­be­trei­ben­den und selbständig Täti­gen den Ar­beit­neh­mern gleich­zu­stel­len sind, dann müssen auch die für die Ar­beit­neh­mer gel­ten­den Aus­nah­men der Ab­zugs­be­schränkun­gen im Falle gleich­lie­gen­der Sach­ver­halte bei den Ge­wer­be­trei­ben­den und den selbständig Täti­gen grundsätz­lich ebenso gel­ten.

Ent­schei­dend ist da­her, ob eine der Tätig­keitsstätten, an de­nen die Kläge­rin ständig wech­selnd be­ruf­lich tätig war, eine hin­rei­chend zen­trale Be­deu­tung ge­genüber den an­de­ren Tätig­keits­or­ten hatte, so dass diese mit ei­ner nach der neue­ren Recht­spre­chung an­zu­neh­men­den (einen) re­gelmäßigen Ar­beitsstätte gleich­zu­set­zen ist. Das ist vor­lie­gend je­doch nicht der Fall. So­weit sich die Kläge­rin zu den ver­schie­de­nen Un­ter­richt­sein­rich­tun­gen be­ge­ben hat, kommt kei­ner die­ser Ein­rich­tun­gen eine be­son­dere zen­trale Be­deu­tung zu, die sich mit ei­ner "re­gelmäßigen Ar­beitsstätte" ver­glei­chen ließe. Die Kläge­rin ist da­her mit einem Ar­beit­neh­mer ver­gleich­bar, der sich zu ständig wech­seln­den Tätig­keitsstätten be­ge­ben muss.

Un­ter dem Ge­sichts­punkt der Gleich­be­hand­lung von Wer­bungs­kos­ten- und Be­triebs­aus­ga­ben­ab­zug ist es in­so­weit ge­bo­ten, die von der Recht­spre­chung für den Fahrt­kos­ten­ab­zug von Ar­beit­neh­mern ent­wi­ckel­ten Grundsätze auch auf den Re­ge­lungs­be­reich des § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6 EStG zu über­tra­gen und Fahrt­kos­ten zum un­ein­ge­schränk­ten Be­triebs­aus­ga­ben­ab­zug zu­zu­las­sen, so­weit sie zwi­schen Woh­nung und ständig wech­seln­den Be­schäfti­gungsstätten an­ge­fal­len sind.

Hin­ter­grund:
Auch nach der Ände­rung des Rei­se­kos­ten­rechts zum 1.1.2014 (Ge­setz zur Ände­rung und Ver­ein­fa­chung der Un­ter­neh­mens­be­steue­rung und des steu­er­li­chen Rei­se­kos­ten­rechts vom 20.2.2013) sind die Fahrt­kos­ten zu ständig wech­seln­den Tätig­keits­or­ten, wie vom III. Se­nat ent­schie­den, grundsätz­lich un­be­schränkt als Be­triebs­aus­ga­ben ab­zieh­bar.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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