Auf Vorlage des FG Saarland hatte der EuGH entschieden, dass die Überlassung eines Dienstwagens an einen Arbeitnehmer zur Privatnutzung kein Entgelt und somit keine entgeltliche Leistung des Unternehmers an den Arbeitnehmer darstellt, wenn dieser für die Nutzung weder eine Vergütung zahlt noch auf Vorteile verzichtet und damit entsprechend der Vorlagefrage des FG Saarbrücken eine Entgeltlichkeit zu verneinen sei (EuGH-Urteil vom 20.01.2021, Rs. C-288/19, QM, DStR 2021, S. 154, siehe auch unser Newsletter vom 04.02.2021). Entsprechend hatte das Saarländische FG in seiner Folgeentscheidung vom 29.07.2021 (Az. 1 K 1034/21, EFG 2021, S. 2099) einen entgeltlichen Vorgang verneint.
Kernaussagen der aktuellen BFH Entscheidung
Der BFH hat nunmehr in seinem Revisionsurteil vom 30.06.2022 (Az. V R 25/21, DStR 2022, S. 2054) folgende Kernaussagen zum tauschähnlichen Umsatz im Falle einer einzelvertraglichen Nutzungsüberlassung getroffen:
- Das Finanzgericht hat eine entgeltliche Vermietung fehlerhaft verneint.
- Die Gegenleistung für eine empfangene Leistung kann auch eine Sachleistung sein (sog. Tausch oder tauschähnlicher Umsatz).
- Entgegen der Auffassung des FG lässt sich auch nichts anderes aus der EuGH-Entscheidung herleiten. Denn die Frage des tauschähnlichen Umsatzes musste durch den EuGH nicht geprüft werden, da das FG in seiner Vorlagefrage rechtsfehlerhaft die Unentgeltlichkeit der Fahrzeugüberlassung unterstellt hat.
- Mithin kann nach Auffassung des BFH ein tauschähnlicher Umsatz vorliegen, wenn nur die Arbeitsleistung als Entgelt für die Fahrzeugüberlassung anzusehen ist.
- Der unmittelbare Zusammenhang ergibt sich regelmäßig aus der individuellen Nutzungsüberlassung auch für private Zwecke im Rahmen des Anstellungsvertrages.
- Nicht ausreichend ist demgegenüber laut BFH der bloße Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis und allein die einkommensteuerliche Beurteilung.
Im Streitfall bejahte der BFH daher unabhängig von einer Zuzahlung durch den Arbeitnehmer oder einem schriftlich fixierten Gehaltsverzicht das Vorliegen eines tauschähnlichen und damit steuerbaren Umsatzes. Hierfür genügte die individuell arbeitsvertragliche Vereinbarung des Nutzungsrechts an dem Firmenfahrzeug.
Hinweis: Ob ein tauschähnlicher Umsatz bei rein faktischer Fahrzeugüberlassung (bspw. aufgrund einer betrieblichen Übung oder nur zur gelegentlichen Privatnutzung) vorliegt, ist eher zweifelhaft. Der BFH lässt in seiner Entscheidung ausdrücklich offen, ob - wie von der Finanzverwaltung angenommen - auch von einer entgeltlichen Leistung auszugehen ist, wenn die Überlassung ohne gesonderte Vereinbarung aufgrund einer betrieblichen Übung erfolgt.
Leistungsortbestimmung
Im Urteilsfall überließ ein luxemburgischer Arbeitgeber in Deutschland ansässigen Arbeitnehmern den Dienstwagen. Der Leistungsort ist nach § 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 UStG zu bestimmen und liegt damit am Wohnsitz des jeweiligen Leistungsempfängers (hier in Deutschland).
Bemessungsgrundlage
Die Bemessungsgrundlage der entgeltlichen Fahrzeugüberlassung richtet sich nach § 10 Abs. 2 Satz 2 UStG. Bei tauschähnlichen Umsätzen (§ 3 Abs. 12 Satz 2 UStG) gilt damit der Wert jedes Umsatzes als Entgelt für den anderen Umsatz. Mangels Vereinbarung eines entgeltlichen Gegenwertes wäre es laut BFH im Streitfall nicht zu beanstanden gewesen, wenn der Arbeitgeber aus Vereinfachungsgründen die entstandenen Kosten angesetzt hätte. Zudem beanstandete es der BFH in seinem Urteil nicht, dass im Rahmen einer Vereinfachungsregelung (Abschn. 15.23 Abs. 11 Satz 2 Nr. 1 UStAE) die für lohnsteuerliche Zwecke nach der 1 %-Regelung ermittelten Werte herangezogen wurden.
Erste Einschätzung und Folgen für die Praxis
Die Entscheidung des BFH ist zu begrüßen, da sie die bisherige Behandlung der Dienstwagenüberlassung als Leistungsaustausch bestätigt. Dies gilt uneingeschränkt immer dann, wenn die Überlassung auf Basis einzelvertraglicher Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer beruht und dem Arbeitnehmer ein Nutzungsrecht für private Zwecke eingeräumt wird.
Auch ohne explizite Vereinbarung eines Gehaltsverzichts dürfte damit zukünftig und in allen offenen Fällen der Vorsteuerabzug von inländischen Arbeitgebern aus den der Dienstwagenüberlassung zuzuordnenden Eingangsleistungen nicht gefährdet sein.
Relevanz von vertraglichen Vereinbarungen
Zur Wahrung der Vorsteuerabzugsberechtigung ist darauf zu achten, dass die Dienstwagenüberlassung zur privaten Nutzung einzelvertraglich mit dem Arbeitnehmer geregelt wird. Zudem sollte sich aus den Regelungen ergeben, dass die Überlassung über eine rein faktische Nutzungsmöglichkeit hinaus geht.
Hinweis: Der BFH lässt in seiner Entscheidung ausdrücklich offen, ob - wie von der Finanzverwaltung angenommen - auch von einer entgeltlichen Leistung auszugehen ist, wenn die Überlassung ohne gesonderte Vereinbarung aufgrund einer betrieblichen Übung erfolgt.
Grundsätzlich keine Anpassung der Verwaltungsauffassung
Der BFH bestätigt mit dem Urteil die bisherige Handhabung der Finanzverwaltung. Mit einer Anpassung des Umsatzsteueranwendungserlasses (insbesondere Abschn. 15.23 Abs. 9 Satz 2 UStAE) ist grundsätzlich nicht zu rechnen.
Lediglich soweit die Finanzverwaltung auch bei einer in Ausnahmefällen unentgeltlichen Dienstwagengestellung den Leistungsort ebenfalls nach den für die Vermietung von Beförderungsmitteln geltenden Regelungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG, vgl. Abschn. 3a.5 Abs. 4 Satz 3 UStAE) bestimmt, dürfte diese Herangehensweise vor dem Hintergrund der eindeutigen EuGH-Entscheidung keinen Bestand haben und der Umsatzsteueranwendungserlass bedarf insoweit der Anpassung.
Eine Anpassung des Umsatzsteueranwendungserlasses im Hinblick auf die Anerkennung von mündlichen Abreden oder aufgrund faktischer betrieblicher Übungen für eine entgeltliche Dienstwagenüberlassung ist fraglich, obgleich der BFH diesen Fall in seinem Urteil explizit offengelassen hat.
Bestimmung der Bemessungsgrundlage weiterhin anhand der lohnsteuerlichen Werte möglich (sog. 1 %-Regelung)
In den Fällen, in denen der Dienstwagenüberlassung ein bestimmter Wert beigemessen und arbeitsvertraglich dokumentiert wird, sollte auch zukünftig eine Ermittlung anhand der lohnsteuerrechtlichen Werte möglich sein.
Hinweis: Diese Herangehensweise wurde vom BFH im Urteilsfall nicht beanstandet. Solange Abschn. 15.23 Abs. 11 UStAE nicht angepasst wird und die Finanzverwaltung die Anwendung dieser Vereinfachungsregelung nicht beanstandet, sollte dies auch über den entschiedenen Einzelfall hinaus Bestand haben.
Grenzüberschreitende Dienstwagenüberlassungen
Die obigen Ausführungen gelten gleichermaßen für Inlandssachverhalte sowie für Dienstwagengestellungen an Arbeitnehmer mit Wohnsitz im Inland.
Überlassen inländische Arbeitgeber Dienstwagen an Arbeitnehmer mit Wohnsitz im Ausland, sollten länderspezifische Besonderheiten in dem jeweiligen Land abgefragt werden. Zudem können weitere steuerliche Pflichten zu beachten sein. So kann aufgrund der privaten Nutzung durch den Mitarbeiter eine Zulassungs- und Kfz-Steuerpflicht im Ausland begründet werden (z. B. NOVA und Kfz-Steuerpflicht in Österreich). Dies gilt grundsätzlich unabhängig von der umsatzsteuerlichen Behandlung in Deutschland und/oder einem EU-Mitgliedsstaat.