Hintergrund: Umsatzsteuerliche Förderung von Photovoltaikanlagen
Seit dem 01.01.2023 unterliegt die Lieferung von Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) unter bestimmten Voraussetzungen einem Umsatzsteuersatz von 0 %. Eingeschlossen sind dabei die für den Betrieb einer Photovoltaikanlage wesentlichen Komponenten und die Speicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern. Die Steuerbegünstigung greift, wenn sich die PV-Anlagen auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert werden. Dem Nullsteuersatz unterliegen zudem die Einfuhr, der innergemeinschaftliche Erwerb und die Installation solcher Anlagen (siehe auch unsere Broschüre vom 04.11.2022).
Die Finanzverwaltung ist bereits mit BMF-Schreiben vom 27.02.2023 auf die genauen Anwendungsvoraussetzungen eingegangen und hat diese in Abschnitt (A) 12.18 UStAE festgehalten. Hierzu haben wir in unserem Newsletter bereits ausführlich informiert (siehe Umsatzsteuer Newsletter vom 07.03.2023)
Ergänzend hat die Finanzverwaltung die FAQ zu den umsatzsteuerlichen Maßnahmen zur Förderung des Ausbaus von Photovoltaikanlagen aktualisiert und beantwortet weitere Anwendungsfragen.
Kernaussagen in den FAQ
Die zentralen Aspekte aus den FAQ haben wir nachfolgend zusammengefasst und zeigen auf, an welchen Stellen die FAQ über den UStAE hinausgehende Informationen vermitteln.
Hinweis: Vorsicht ist jedoch geboten, wenn die Ausführungen in den FAQ über den Regelungsinhalt von BMF-Schreiben und/oder dem UStAE hinausgehen. Die FAQ dienen vorrangig dazu, Steuerpflichtigen eine - leicht lesbare - Orientierungshilfe zu bieten. Im Gegensatz zu regulären BMF-Schreiben entfalten derartige FAQ keine rechtliche Bindung für die Finanzverwaltung, da sie nicht im Bundessteuerblatt Teil I veröffentlicht werden.
- Belegenheitsvoraussetzungen und begünstigte Gebäude: Welche umsatzsteuerlichen Erleichterungen enthält das Jahressteuergesetz 2022 für Photovoltaikanlagen?
Die Anwendung des Nullsteuersatzes auf die Lieferung einer PV-Anlage setzt u. a. voraus, dass diese auf oder in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird. Im UStAE hat die Finanzverwaltung dazu ausgeführt, dass öffentliche und andere Gebäude, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, vorliegen, wenn das jeweilige Gebäude für Umsätze nach § 4 Nr. 11b, 14 bis 18, 20 bis 25, 27 und 29 UStG oder § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG oder für hoheitliche oder ideelle Tätigkeiten verwendet wird.
Laut FAQ werden nun ausdrücklich Vereinshäuser genannt: Demnach soll der Nullsteuersatz zur Anwendung kommen, wenn die PV-Anlage „auf öffentlichen und anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden (z. B. Vereinshäuser), installiert werden“.
- Lieferzeitpunkt: Ab wann gilt die Regelung?
In den FAQ konkretisiert das BMF bei den Ausführungen dazu, ab wann die Regelung gilt, insbesondere für Werklieferungen, wie der Lieferzeitpunkt zu bestimmen ist. Im BMF-Schreiben und in A 12.18 Abs. 1 Satz 2 UStAE wurde dies über einen allgemeinen Verweis auf A 13.1 UStAE gelöst. In den FAQ wird nun Folgendes ausgeführt:
- Der Nullsteuersatz gilt ab dem 01.01.2023. Entscheidend hierfür ist der Lieferzeitpunkt. Bei einer Installation der Anlage durch den Verkäufer ist laut FAQ entscheidend, wann die Anlage vollständig installiert ist. Im Falle einer einheitlichen Werklieferung ist hierfür der Zeitpunkt der Abnahme entscheidend.
- Im Hauptanwendungsfall einer einheitlichen Werklieferung einer an das öffentliche Stromnetz angeschlossenen Photovoltaikanlage fällt der Leistungszeitpunkt mit dem (ordentlichen) Anschluss an das öffentliche Stromnetz zusammen.
Hinweis und Empfehlung: Diese Fragestellung dürfte insbesondere bei um den Jahreswechsel 2022/2023 installierten PV-Anlagen relevant gewesen sein. Zu beachten ist, dass der Anschluss an das öffentliche Stromnetz für die Bestimmung des Lieferzeitpunktes bei einer einheitlichen Werklieferung entscheidend sein soll. Dies gilt uneingeschränkt nur, wenn der Anschluss an das öffentliche Stromnetz auch durch den liefernden Unternehmer erfolgt. In den anderen Fällen muss geprüft werden, ob der Anschluss an das öffentliche Stromnetz Voraussetzung für die Abnahme der Anlage ist oder ob u.U. bereits vorgelagert eine Abnahme erfolgt ist.
- Dachintegrierte und gebäudeintegrierte Anlagen: Was ist mit gebäudeintegrierten Photovoltaikanlagen und dachintegrierten Photovoltaikanlagen?
In den FAQ nimmt die Finanzverwaltung erstmals konkret Stellung dazu, dass die Regelungen zum Nullsteuersatz in gleicher Weise auch für gebäudeintegrierte Photovoltaikanlagen (sog. Indach-Anlagen) und dachintegrierte Photovoltaikanlagen (Solarelemente, die als Dachziegel fungieren und gleichzeitig als Solarmodule Strom erzeugen können, sog. Solardachziegel) gelten sollen.
Mit BMF-Schreiben vom 27.02.2023 hat die Finanzverwaltung konkret nur zu sog. Aufdachanlagen Stellung genommen. Gemäß A 12.18 Abs. 1 Satz 5f. UStAE soll grundsätzlich auch die Lieferung von sog. Aufdachanlagen durch Bauträger dem Nullsteuersatz unterliegen. Dies sollte auch gelten, wenn die Aufdachanlage vom Bauträger zusammen mit einem Gebäude geliefert wird, da die Lieferung der Anlage keine (unselbständige) Nebenleistung zur Gebäudelieferung darstellt.
Laut FAQ unterliegen bei Lieferung einer gebäudeintegrierten Photovoltaikanlage nur die Kosten dem Nullsteuersatz, die der gebäudeintegrierten Photovoltaikanlage konkret zugeordnet werden können. Kosten, die der Dachkonstruktion im Allgemeinen zuzuordnen sind, unterliegen nicht dem Nullsteuersatz.
Hinweis und Empfehlung: Der Vorstoß der Finanzverwaltung, die Begünstigung auch auf dach- oder gebäudeintegrierte Photovoltaikanlagen auszuweiten, ist grundsätzlich zu begrüßen. Dies wurde auch mit Hinweis auf den Zweck der Begünstigung von der BStBK so gefordert. Gleichwohl sollte bei der Anwendung des Nullsteuersatzes geprüft werden, ob dieser im konkreten Fall zur Anwendung kommen kann. Insbesondere dann, wenn die dach- oder gebäudeintegrierte PV-Anlage zusammen mit einem Gebäude geliefert wird, können der Anwendung des Nullsteuersatzes die für Haupt- und Nebenleistung geltenden Grundsätze entgegenstehen. Eine zügige Anpassung des UStAE durch das BMF, die Steuerpflichtigen fortan eine rechtsichere Anwendung des Nullsteuersatzes ermöglicht, wäre zu begrüßen.
- Altanlagen: Gilt die Regelung auch für Bestandsanlagen? Was ist, wenn ich meine bestehende Anlage erweitere?
Entscheidend für die Anwendung der Begünstigung ist der Lieferzeitpunkt. Dementsprechend sind Bestandsanlagen (Lieferung vor dem 01.01.2023) nicht begünstigt, eine rückwirkende Anwendung ist grundsätzlich nicht möglich.
Etwas anderes gilt für die Erweiterung von Bestandsanlagen. Gemäß FAQ fällt beim Kauf der Komponenten einschließlich der Installation keine Umsatzsteuer an, wenn die Erweiterung (z. B. Lieferung/Installation eines Batteriespeichersystems oder anderer wesentlicher Komponenten als Ergänzung einer Altanlage) nach dem 01.01.2023 erfolgt.
Diese Ausführungen stimmen mit dem BMF-Schreiben überein, denn gemäß A 12.18 Abs. 8 Satz 4 UStAE können auch die (nachträgliche) Lieferung einzelner wesentlicher Komponenten und deren Ersatzteile, sowie deren Installation dem Nullsteuersatz unterliegen, wenn diese Teil einer Anlage sind, die die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 Nr. 1 UStG erfüllt.
- Ist weiterhin eine Anmeldung des PV-Anlagenbetreibers beim Finanzamt erforderlich?
Anlagenbetreiber, die Strom einspeisen, sind grundsätzlich beim Finanzamt anzumelden. Laut FAQ kann jedoch aus Gründen des Bürokratieabbaus und der Verwaltungsökonomie auf die steuerliche Anzeige über die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nach § 138 Abs. 1 AO und die Übermittlung des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung nach § 138 Abs. 1b AO an das zuständige Finanzamt verzichtet werden, wenn bspw. umsatzsteuerlich von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch gemacht wird.
Weitere Details hierzu sind im BMF-Schreiben vom 12.06.2023 zur steuerlichen Erfassung von Betreiberinnen und Betreibern bestimmter kleiner Photovoltaikanlagen geregelt.
Hinweis: Zudem ist zu beachten, dass durchaus Fälle auftreten können, in denen der Betreiber einer PV-Anlage nicht gleichzeitig auch ein Unternehmer im Sinne des UStG sein muss. Der Begriff des Betreibers ist weit gefasst. Betreiber ist derjenige, dessen Anlage zum Leistungszeitpunkt im Marktstammdatenregister (MaStR) registrierungspflichtig ist oder voraussichtlich wird. Eine Einspeisung ist hingegen nicht erforderlich.
- Inselanlagen: Fällt bei der Anschaffung von Balkonkraftwerken Umsatzsteuer an?
Netzgebundene Anlagen und nicht-netzgebundene stationäre Anlagen (sog. Inselanlagen) unterliegen dem Nullsteuersatz. Aus Vereinfachungsgründen ist laut A 12.18 Abs. 7 Satz 2 UStAE davon auch auszugehen, wenn Solarmodule mit einer Leistung von 300 Watt und mehr für netzgekoppelte Anlagen oder stationäre Inselanlagen eingesetzt werden.
Laut FAQ wird nun klargestellt, dass Balkonkraftwerke hierunter zu fassen sind. Demgegenüber sind mobile Solarmodule (z. B. für Campingzwecke) davon nicht umfasst. Dies gilt laut FAQ auch dann, wenn die Leistung unter 300 Watt liegt.
- Entnahmebesteuerung: Muss bei Photovoltaikanlagen der privat verbrauchte Strom versteuert werden?
Wird aus Altanlagen privat verbrauchter Strom entnommen, ist dieser Verbrauch weiterhin als unentgeltliche Wertabgabe der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Dies wurde bereits auf Basis des BMF-Schreibens in A 2.3 Abs. 3 Nr. 1 UStAE geregelt.
Unterlag der Erwerb der Anlage hingegen dem Nullsteuersatz, bewirkt die unentgeltliche Verwendung keine unentgeltliche Wertabgabenversteuerung (vgl. A 2.3 Abs. 3 Nr. 1 UStAE).
Dieses Verständnis wird auch in den aktualisierten FAQ zum Ausdruck gebracht.
- Entnahmebesteuerung: Kann eine Photovoltaikanlage aus dem Unternehmen entnommen werden?
Gemäß A 3.2 Abs. 3 Nr. 1 UStAE ist eine Entnahme der Photovoltaikanlage nur möglich, wenn diese zukünftig zu mehr als 90 % für nichtunternehmerische Zwecke verwendet wird. Auf diese Entnahme findet bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen der Nullsteuersatz Anwendung. Eine Teilentnahme ist hingegen nicht möglich.
Laut Rz. 5 des BMF-Schreibens und der FAQ ist eine Entnahme nur möglich, wenn zukünftig über 90 % des erzeugten Stroms für private Zwecke verwendet werden. Aus Vereinfachungsgründen ist hiervon auszugehen, wenn ein Teil des mit der Photovoltaikanlage erzeugten Stroms bspw. in einer Batterie gespeichert wird. Ausreichend soll laut BMF-Schreiben auch sein, wenn eine Rentabilitätsrechnung eine Nutzung für unternehmensfremde Zwecke von über 90 % nahelegt. Laut FAQ genügt für die Vereinfachungsregelung auch, wenn der Strom für die Ladung privater E-Fahrzeuge, den Betrieb von Wärmepumpen im privaten Haushalt oder dem nichtunternehmerischen Bereich einer juristischen Person öffentlichen Rechts genutzt wird.
Laut FAQ stellt diese Vereinfachungsregel ein Wahlrecht des Betreibers dar, welches entsprechend dokumentiert werden muss.
Hinweis: Eine Entnahme hat für den Betreiber von sog. Altanlagen den Vorteil, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen auf die Entnahme der Nullsteuersatz anzuwenden ist und in der Folge auch der private Verbrauch von Strom keine unentgeltliche Wertabgabenbesteuerung mehr auslöst. Wichtig ist, dass der Betreiber die überwiegend private Verwendung hinreichend dokumentiert. Ob allein der Ankauf eines Stromspeichers hierfür trotz der großzügigen Vereinfachungsregelung ausreicht, ist fraglich, wenn tatsächlich eine unternehmerische Verwendung von über 10 % vorliegt. Mithin sollte auf eine ausreichende Dokumentation geachtet werden, um nicht später dem Risiko der Wertabgabenversteuerung des privaten Stromverbrauchs ausgesetzt zu sein.
- Entnahmebesteuerung: Ist nach der Entnahme einer Photovoltaikanlage später noch ein Vorsteuerabzug möglich?
Das BMF-Schreiben und der UStAE enthielten bisher keine Ausführungen dazu, ob und inwiefern im Zusammenhang mit einer entnommenen Photovoltaikanlage später noch ein Vorsteuerabzug, bspw. aus Reparaturen, möglich ist.
Laut FAQ soll nach Entnahme der PV-Anlage weiterhin anteilig der Vorsteuerabzug möglich sein. Maßgeblich sei der Anteil der tatsächlichen Nutzung im Zeitpunkt des für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Zeitpunkts. Der für die Entnahme unterstellte Anteil sei dann nicht relevant.
Hinweis: Insgesamt sind die Ausführungen im BMF und Ergänzungen in den FAQ zu Entnahmetatbeständen von Altanlagen zu begrüßen. Augenscheinlich soll Altanlagenbesitzern hierüber die Möglichkeit eröffnet werden, Altanlagen ins neue, begünstigte Umsatzsteuerregime zu überführen. Gleichwohl sollten Unternehmer, die hiervon Gebrauch machen wollen, auf eine ausreichende und konsistente Dokumentation achten. Die FAQ stellen nur eine unverbindliche Orientierungshilfe dar, BMF-Schreiben und der UStAE entfalten grundsätzlich nur für die Finanzverwaltung Bindungswirkung.