Der Sachverhalt:
Im September 2016 stellte das Finanzamt den Grundbesitzwert für das Grundstück im D-Ring auf den 21.11.2015 fest. Im März 2017 wurde die Grunderwerbsteuer für die Vermögensübertragung vom 21.11.2015 festgesetzt. Nachdem der Grundbesitzwert durch Änderungsbescheid im Juni 2017 niedriger festgestellt worden war, erließ das Finanzamt einen entsprechend geänderten Grunderwerbsteuerbescheid, in dem die Steuer herabgesetzt wurde.
Im Juli 2016 beantragte die Klägerin beim Finanzamt die abweichende Festsetzung der Grunderwerbsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen in der Weise, dass eine vollständige Steuerbefreiung gewährt werde. Zur Begründung führte sie aus, dass der nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang nach der durch Gesetz vom 21.12.2015 eingefügten Bestimmung des § 100a Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) von der Grunderwerbsteuer befreit wäre. Von dieser gesetzlichen Neuregelung seien zwar nur Übertragungen ab dem 1.1.2016 betroffen. Doch liege der vom Gesetzgeber als nicht sachgerecht eingestufte zweimalige Anfall von Grunderwerbsteuer - einmal für den Eigentumsübergang auf die Verwahrstelle und abermals für die Veräußerung durch die Verwahrstelle - auch vor bei Übertragungen vor diesem Zeitpunkt, der allein aus organisatorischen Gründen gewählt worden sei. Dies sei auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich, zumal der steuerbare Eigentumsübergang auf sie, die Klägerin, nicht mit einem wirtschaftlichen Vorteil oder einer höheren Leistungsfähigkeit verbunden gewesen sei. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die beim BFH anhängige Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird dort eingelegt unter dem Az. II B 71/18 geführt.
Die Gründe:
Das Finanzamt ist weder zu einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen noch zu einer erneuten Bescheidung der Klägerin verpflichtet. Es liegen weder sachliche noch persönliche Gründe für eine Unbilligkeit der Steuererhebung vor. Das Finanzamt hat das ihm eröffnete Ermessen erkannt und fehlerfrei ausgeübt. In der wirtschaftlichen Situation der Klägerin liegende (persönliche) Billigkeitsgründe sind hier nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich. Eine sachliche Unbilligkeit der Grunderwerbsteuerfestsetzung liegt ebenso wenig vor.
Gem. 163 S. 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Billigkeitsmaßnahmen gleichen Härten im Einzelfall aus, die der steuerrechtlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht entsprechen und damit zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, vermag keine sachliche Unbilligkeit zu begründen. Mit Billigkeitsmaßnahmen darf dementsprechend nicht die Geltung des ganzen Gesetzes unterlaufen werden. Müssten notwendige Billigkeitsmaßnahmen ein derartiges Ausmaß erreichen, dass sie die allgemeine Geltung des Gesetzes aufhöben, wäre das Gesetz als solches verfassungswidrig. Dies kann nur in dem dafür vorgesehenen Verfahren gegen den betreffenden Steuerbescheid geltend gemacht werden und rechtfertigt keine Billigkeitsmaßnahme. Vorliegend hat das Finanzamt eine abweichende Festsetzung der Steuern aus Billigkeitsgründen zu Recht abgelehnt, weil die Steuererhebung sachlich nicht unbillig ist.
Soweit die Klägerin geltend macht, dass der Gesetzgeber den doppelten Anfall von Grunderwerbsteuer aus Gründen des Anlegerschutzes und wegen des fehlenden wirtschaftlichen Vorteils in Fällen wie dem vorliegenden an sich hätte vermeiden müssen und wollen, wendet sie sich gegen die vom Gesetz gem. § 39 Abs. 1 InvG (jetzt § 100 Abs. 1 Nr. 1 KAGB) i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 S. 1 GrEStG generell angeordnete Grunderwerbsteuerbarkeit des Übergangs von Immobilien-Sondervermögen auf eine Verwahrstelle und macht keine Unbilligkeit der Gesetzesanwendung im Einzelfall geltend. Dieser Einwand wäre allenfalls im Rahmen der Steuerfestsetzung bzw. der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zu würdigen, sei es bei der Prüfung einer einschränkenden Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen oder einer analogen Anwendung einer Befreiungsvorschrift, sei es im Rahmen der verfassungsrechtlichen Überprüfung des Gesetzes. Einer Billigkeitsentscheidung ist diese Argumentation hingegen nicht zugänglich.
Vor allem aber nahm der Gesetzgeber dadurch, dass er die Befreiungsvorschrift des § 100a KAGB gem. § 357 KAGB erst für Übertragungen von Sondervermögen ab dem 31.12.2015 für anwendbar erklärte, die Nichtanwendung der Befreiung und damit die zweimalige Entstehung von Grunderwerbsteuer entsprechend der zuvor geltenden Rechtslage für vor diesem Zeitpunkt verwirklichte Erwerbsvorgänge im Umkehrschluss bewusst in Kauf. Im Billigkeitswege kann diese gesetzgeberische Entscheidung weder auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft noch unterlaufen werden.
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