Das FISG ist ein allumfassendes Gesetz, das nicht nur die Prüfung von Unternehmen im öffentlichen Interesse, sog. PIE, betrifft. Es sieht weitreichende Änderungen für Unternehmen im Bereich der Corporate Governance vor. Diese umfassen die Abschlussprüfung, das Risikomanagement und das Interne Kontrollsystem, die Zusammensetzung und Kompetenzen des Prüfungsausschusses und die Verschärfung der Haftungsregelungen für die gesetzlichen Vertreter und den Aufsichtsrat. Für Abschlussprüfer wird neben der Pflicht zur externen Rotation nach zehn Jahren und einer stärkeren Trennung von Prüfung und Beratung auch die zivilrechtliche Haftung verschärft. Zudem wurde das Bilanzkontrollverfahren grundlegend reformiert. Es ist stärker staatlich-hoheitlich von der BaFin organisiert.
Im Einzelnen wurden im Rahmen des FISG folgende wesentliche Regelungen umgesetzt:
Neue Pflichten für Vorstände und Aufsichtsräte
Pflicht zur Errichtung eines Risikomanagementsystems bei börsennotierten Gesellschaften
Vorstände börsennotierter Aktiengesellschaften müssen ab dem 01.07.2021 ein angemessenes und wirksames Kontroll- und Risikomanagementsystem einführen, § 91 Abs. 3 AktG. Bisher bestand hierzu lediglich eine faktische Pflicht. Nunmehr ist die Pflicht zur Implementierung eines umfassenden Risikomanagementsystems gefordert. Bei der Art und Weise der Ausgestaltung besteht für Vorstände jedoch ein haftungsfreier Ermessensspielraum nach den Grundsätzen der Business Judgement Rule. IDW PS 981f. kann hierbei wichtige Impulse geben.
Spätestens ab 01.07.2021 sollten börsennotierte Unternehmen den Nachweis des Bestehens eines IKS und RMS erbringen können.
Verschärfung der strafrechtlichen Haftung der gesetzlichen Vertreter bei Bilanzdelikten
Im Falle der leichtfertigen Abgabe eines unrichtigen Bilanz- oder Lageberichtseides droht eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Leichtfertig handelt dabei, wer die gebotenen Sorgfaltspflichten verletzt. Diese Verschärfung gilt ab 01.07.2021 und ist damit bereits für den Halbjahresabschluss 2021 relevant.
Neue Anforderungen an den Sachverstand des Aufsichtsrates und Pflicht zur Bildung eines Prüfungsausschusses
Der Aufsichtsrat, konkret der Prüfungsausschuss (siehe nachfolgend), ist zur Überwachung der Qualität der Abschlussprüfung verpflichtet. Diese Vorgabe galt bisher lediglich im Rahmen einer Empfehlung des Deutschen Corporate-Governance-Kodex. Bei der Überwachung sind künftig öffentlich verfügbare Qualitätsmängel zu berücksichtigen.
Höhere Anforderungen werden dabei an Fachkenntnisse von Aufsichtsräten gestellt: Bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften im Sinne des § 264d HGB muss mindestens ein Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf dem Gebiet Rechnungslegung und mindestens ein weiteres Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf dem Gebiet Abschlussprüfung verfügen, § 100 Abs. 5 Halbsatz 1 AktG.
Für Aufsichtsräte von PIE-Unternehmen besteht nach § 107 Abs. 4 Satz 1 AktG die Pflicht zur Einrichtung von Prüfungsausschüssen und deren Besetzung mit einem in Rechnungslegungsfragen und einem in Prüfungsfragen erfahrenen Mitglied. Der eingerichtete Prüfungsausschuss muss über die Sachkunde im Sinne von § 100 Abs. 5 Halbsatz 1 AktG verfügen.
Sofern der Aufsichtsrat nur aus drei Mitgliedern besteht, ist dieser ab 01.07.2021 zugleich Prüfungsausschuss, § 100 Abs. 4 Satz 2 AktG.
Hinweis: Diese neuen Anforderungen müssen gemäß einer Übergangsregelung so lange nicht erfüllt werden, wie alle Mitglieder des Aufsichtsrats und des Prüfungsausschusses vor dem 01.07.2021 bestellt worden sind. Damit sind die neuen Vorgaben zwingend erst bei der nächsten Nachbestellung und folglich meist erst beim nächsten turnusmäßigen Wechsel eines der Aufsichtsratsmitglieder anzuwenden.
Jedem Mitglied des Prüfungsausschusses steht ein Auskunftsrecht gegenüber den Leitern der Zentralbereiche der Gesellschaft zu, die für Aufgaben zuständig sind, die den Prüfungsausschuss betreffen. Auf eine enumerative Aufzählung der auskunftspflichtigen Personen wurde verzichtet. Adressiert werden sollen die Zentraleinheiten unter dem Vorstand. Wenngleich jedem Mitglied des Prüfungsausschusses das Auskunftsrecht zusteht, hat der Ausschussvorsitzende die eingeholte Auskunft allen Mitgliedern des Prüfungsausschusses mitzuteilen, § 107 Abs. 4 Satz 5 AktG.
Verschärfungen für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer
Abschlussprüfung: Höchstlaufzeiten von Mandaten
Die bisher mögliche Verlängerung der Höchstlaufzeit von Mandaten zur Abschlussprüfung bei kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften und diesen gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften, sog. PIE-Unternehmen, von zehn auf bis zu 24 Jahre ist durch Aufhebung des § 318 Abs. 1a HGB entfallen. Damit besteht künftig eine zwingende externe Rotation nach zehn Jahren ohne jegliche Verlängerungsoption. Unternehmen, die bis einschließlich bei kalenderjahrgleichem Geschäftsjahr 2021 seit zehn oder mehr Jahren von einem Abschlussprüfer geprüft werden, müssen damit für das Geschäftsjahr 2022 einen neuen Abschlussprüfer wählen.
Übergangsweise kann, sofern ein EU-konformes Ausschreibungsverfahren bis 30.06. 2021 stattgefunden hat, der bisherige Prüfer bis einschließlich 2023 prüfen.
Verkürzung der internen Rotation des verantwortlichen Prüfungspartners bei PIE
Bei PIE-Unternehmen müssen die für die Durchführung einer gesetzlichen Abschlussprüfung verantwortlichen Prüfungspartner ihre Teilnahme an der Abschlussprüfung spätestens fünf Jahre nach dem Datum ihrer Bestellung beenden. Verantwortlicher Prüfungspartner ist dabei derjenige, der den Bestätigungsvermerk nach § 322 HGB unterzeichnet bzw. als Wirtschaftsprüfer von der Prüfungsgesellschaft als für die Durchführung einer Abschlussprüfung vorrangig verantwortlich bestimmt worden ist. Diese Regelung galt ursprünglich ab dem 01.07.2021, wurde jedoch vom Bundestag am 09.06.2021 auf den 01.01.2022 verschoben. Die hierfür notendige Zustimmung des Bundesrats lag zum Redaktionsschluss des novus noch nicht vor, wird aber kurzfristig erwartet.
Trennung von Prüfung und (Steuer-)Beratung
U. a. zur Minimierung der aus Nichtprüfungsleistungen bei PIE-Unternehmen erwachsenen Risiken für Interessenkonflikte und zur Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers wird das Verbot der zusätzlichen Erbringung von Steuerberatungs- und Bewertungsleistungen umgesetzt. Damit wird künftig der in Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 2 der Abschlussprüferverordnung enthaltene Katalog an verbotenen Nichtprüfungsleistungen in Deutschland uneingeschränkt anwendbar. Auch eine ausnahmsweise Überschreitung des „Fee Cap“ ist künftig nicht mehr zulässig. Damit kommt es zu einer Verschärfung der Regelungen zur Unabhängigkeit des Wirtschaftsprüfers.
Verschärfung der zivilrechtlichen Haftung des Abschlussprüfers
Durch Änderung von § 323 Abs. 2 HGB wird die zivilrechtliche Haftung der Abschlussprüfer von Kapitalgesellschaften, ihrer Gehilfen und der bei der Prüfung mitwirkenden gesetzlichen Vertreter einer Prüfungsgesellschaft verschärft. Dies gilt durch entsprechende Verweise in § 323 HGB u. a. auch für die Abschlussprüfer von Kapitalgesellschaften gleichgestellten Personenhandelsgesellschaften.
Bei leicht fahrlässigem Handeln sind folgende Haftungshöchstgrenzen vorgesehen |
16 Mio. EUR bei der Prüfung von Kapitalgesellschaften, die Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 Nr. 1 HGB, also kapitalmarktorientiert im Sinne des § 264d HGB sind |
4 Mio. EUR für die Prüfung von Kapitalgesellschaften, die Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 Nr. 2 oder 3 HGB sind |
1,5 Mio. EUR für die Prüfung von Kapitalgesellschaften, die nicht Unternehmen von öffentlichem Interesse nach § 316a Satz 2 HGB sind. |
Darüber hinaus bestehen bei grober Fahrlässigkeit folgende Haftungshöchstgrenzen |
32 Mio. EUR für die Prüfung einer Kapitalgesellschaft nach § 323 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB |
12 Mio. EUR für die Prüfung einer Kapitalgesellschaft nach § 323 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HGB |
Im Falle der Prüfung von PIE kommt es künftig bei grober Fahrlässigkeit zu einer unbegrenzten Haftung, § 323 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 HGB.
Bei vorsätzlichem Handeln gelten die dargestellten Haftungshöchstgrenzen für Abschlussprüfer nicht. In diesem Fall besteht wie bisher eine unbeschränkte Haftung, § 323 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 HGB.
Hinweis: Die Beweislast für das Vorliegen eines vorsätzlichen oder (grob) fahrlässigen Verhaltens eines Abschlussprüfers trägt nach allgemeinen Beweislastregeln der Anspruchsteller.
Darüber hinaus werden neue berufsrechtliche Anforderung für alle Wirtschaftsprüfer verankert, die unabhängig davon gelten, ob ein PIE oder ein Non-PIE-Unternehmen geprüft wird. Auch könnte zukünftig bei einer einzelnen Pflichtverletzung eine Sanktionierung möglich werden. Dabei wird der Sanktionsrahmen von 500.000 EUR auf 1 Mio. EUR erhöht, bei natürlichen Personen bleibt die Sanktionshöchstgrenze bei 500.000 EUR.
Umfassende Ausweitung der Befugnisse der BaFin und Neuordnung der „Bilanzkontrolle“
Das bisherige zweistufige und auf freiwillige Mitwirkung der geprüften Unternehmen ausgerichtete Bilanzkontrollverfahren wird grundlegend reformiert.
Künftig entfallen die stichprobenhaften Prüfungen der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR). Die DPR wird zum 31.12.2021 geschlossen. Deren Prüfungen werden zum 01.01.2022 auf die BaFin überführt.
Daneben werden die Befugnisse der BaFin erheblich ausgeweitet. So wird die Pflicht zur Zusammenarbeit zwischen den Börsenaufsichtsbehörden der Länder und der BaFin konkretisiert und gewährleistet, dass die BaFin Informationen erhält, über die sie infolge ihrer fehlenden Zuständigkeit für die Börsenaufsicht nicht verfügt.
Die BaFin kann bei konkreten Anhaltspunkten für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften eine Prüfung der Rechnungslegung anfordern, § 107 Abs. 1 Satz 1 WpHG. Dabei ist sie bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses berechtigt, ihre Anordnung unter Nennung des betroffenen Unternehmens und den Grund für die Anordnung im Bundesanzeiger und auf ihrer Internetseite bekannt machen.
Ordnet die BaFin die Prüfung der Rechnungslegung an, können auch Abschlüsse und Berichte Prüfungsgegenstand sein, die die beiden Geschäftsjahre betreffen, die dem Geschäftsjahr vorausgehen, auf das sich die Prüfungsanordnung bezieht. Auch kann die BaFin die Organmitglieder und Beschäftigten des geprüften Unternehmens und dessen Abschlussprüfer laden und vernehmen. Zudem steht ihr ein Durchsuchungs- und Beschlagnahmerecht zu, das ebenfalls gegenüber Dritten gilt. Dazu darf die BaFin unter bestimmten Voraussetzungen Geschäfts- und Wohnräume durchsuchen. Schließlich ist die BaFin berechtigt, bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses die Öffentlichkeit frühzeitiger und stärker als bisher über ihre Arbeit im Bereich der Bilanzkontrolle zu informieren. Bisher war die BaFin hieran aufgrund von Verschwiegenheitspflichten gehindert.