In den beiden Urteilen vom 01.12.2022 (Rs. C‑141/20, Norddeutsche Gesellschaft für Diakonie mbH und Rs. C‑269/20, Finanzamt T) entschied der EuGH, dass die vorliegende deutsche Regelung, nach der ein Organträger zum einzigen umsatzsteuerlichen Steuerpflichtigen einer Gruppe bestimmt wird, gemeinschaftsrechtlich unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist.
Mit seiner Folgeentscheidung vom 18.01.2023 (Az. XI R 29/22 (XI R 16/18)) sieht der BFH die Steuerschuldnerschaft des Organträgers für die Umsätze der Organschaft nun weiterhin als unionsrechtskonform an. Die vom EuGH hierfür genannten Bedingungen (Willensdurchsetzung und keine Gefahr von Steuerausfällen) werden durch die Ausgestaltung der deutschen Organschaftsregelung gewährleistet, da der BFH schon in seiner bisherigen Rechtsprechung die Möglichkeit der Willensdurchsetzung verlangt und die Organgesellschaft nach § 73 AO für die Umsatzsteuer des Organträgers haftet.
Ferner ändert der BFH mit der Entscheidung vom 18.01.2023 seine Rechtsprechung zum Kriterium der finanziellen Eingliederung: Zwar erfordert die finanzielle Eingliederung im Grundsatz weiterhin, dass dem Organträger die Mehrheit der Stimmrechte an der Organgesellschaft zusteht. Eine finanzielle Eingliederung liegt nunmehr aber auch bei einer Beteiligung von nur 50 % an den Stimmrechten vor, wenn die erforderliche Willensdurchsetzung dadurch gesichert ist, dass der Gesellschafter eine Mehrheitsbeteiligung am Kapital der Organgesellschaft hält und er den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt.
Mit einem weiteren Beschluss vom 26.01.2023 (Az. V R 20/22 (V R 40/19)) legt der BFH nun aber noch dem EuGH die Frage vor, ob die nach deutschem Recht nicht steuerbaren Innenumsätze zwischen Mitgliedern einer Organschaft der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Zweifel an der Nichtsteuerbarkeit der Innenumsätze ergeben sich für den V. Senat des BFH insbesondere, weil der EuGH die Organgesellschaft in seinen aktuellen Urteilen als selbständig ansieht und die Organschaft nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führen darf. Dies könnte jedoch der Fall sein, wenn der Organträger, wie im Streitfall, nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt ist. Hierzu hatte sich der EuGH in seinen Urteilen vom 01.12.2022 nicht konkret geäußert. Das Revisionsverfahren unter dem Az. V R 20/22 (V R 40 19) wird bis zur Entscheidung des EuGH ausgesetzt.
Hinweis: Ausführliche Informationen zu den Urteilen des EuGH finden Sie hier.