Hintergrund der Entscheidung
Der Streitgegenstand der Aktiengewinn-Korrekturposten geht ursprünglich auf die STEKO-Rechtsprechung des EuGH vom 22.01.2009 (Rs. C-377/07) zurück, nach der ausländische Aktienverluste in 2001 - entgegen den gesetzlichen Vorschriften zur Abschaffung des Anrechnungsverfahrens in Deutschland - auf Grund eines Verstoßes gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (noch) steuerwirksam waren. Das EuGH-Urteil wurde im Bereich der Fondsanlage ergänzt bzw. überlagert von dem Beschluss des BVerfG vom 17.12.1013 (Az. 1 BvL 5/08), welcher die Nichtigkeit von § 43 Abs. 18 KAGG feststellte. Diese Anwendungsvorschrift sah vor, dass der Ende 2003 eingeführte § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG i. d. F. des sog. Korb II-Gesetzes auf alle noch nicht bestandskräftigen Festsetzungen anzuwenden war, so dass sich die Wirkung bis zurück auf das Jahr 2001 erstreckte. Mit dem Satz 2 sollte - aus Sicht des Gesetzgebers klarstellend - geändert werden, dass auf Fondsebene erzielte Aktienverluste wie in der Direktanlage nach Abschaffung des Anrechnungsverfahrens nicht steuerwirksam sein sollen. Durch die Feststellung der Nichtigkeit der Anwendungsvorschrift durch das BVerfG musste § 40a Abs. 1 Satz 1 KAGG einfachgesetzlich ausgelegt werden und der BFH kam zu dem Ergebnis, dass die Vorschrift Aktienverluste nicht erfasst, so dass diese auf Fondsebene steuerwirksam und daher aus dem Aktiengewinn herauszurechnen sind. Dies geschieht über sog. Aktiengewinn-Korrekturposten. Bei Berücksichtigung dieser Korrekturposten können Aktienverluste der Fondsebene je nach betroffenem Jahr durch den Anleger bei Verkauf oder Rückgabe der Fondsanteile auf Anlegerebene berücksichtigt werden. Die Finanzverwaltung hat mit BMF-Schreiben vom 25.07.2016 zu der Thematik Stellung genommen.
BFH klärt Schicksal von Aktienverlusten aus 2002
Offen blieb allerdings, ob im Jahr 2002 erzielte Aktienverluste auf Fondsebene bei Veräußerung oder Rückgabe der Fondsanteile auf Anlegerebene auch ab dem Jahr 2003 berücksichtigt werden können. Dem erteilt der BFH nun mit Urteil vom 29.09.2021 (Az. I R 40/17, veröffentlicht am 03.03.2022) eine Absage.
Nach Auffassung des BFH ist der besitzzeitanteilige Anleger-Aktiengewinn auf den Zeitpunkt der Rückgabe zu ermitteln und bestimmt sich nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage. Aus der Ermittlung und Veröffentlichung des Aktiengewinns könne eine irgend geartete Bindung der für die Ermittlung des besitzzeitanteiligen Anleger-Aktiengewinns für im Jahr 2005 erfolgende Anteilsrückgaben nicht abgeleitet werden. § 8 InvStG 2004 a.F. (und nicht die Vorgängervorschrift) sei auf alle nach dem 31.12.2003 stattfindenden Anteilsrückgaben oder -veräußerungen anzuwenden. Mit dieser Entscheidung sei im Streitfall weder eine "echte" noch eine "unechte" Rückwirkung verbunden. Allein aus dem Umstand, dass bei einer hypothetischen Veräußerung oder Rückgabe der Fondsanteile noch im Jahr 2002 ein negativer Aktiengewinn nach dem seinerzeit anzuwendenden § 40a Abs. 1 KAGG nicht den Folgen des § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG unterworfen worden wäre, könne der Kläger kein geschütztes Vertrauen ableiten.
Praktische Auswirkungen
Mit dem Urteil werden die Hoffnungen institutioneller Anleger auf einen guten Ausgang dieser Frage bei Realisierung auf Anlegerebene ab dem Jahr 2004 und später enttäuscht. Das Urteil wird man bei der Ermittlung des fiktiven Veräußerungsgewinns zum 31.12.2017 beachten müssen.
Noch offen ist der Ausgang des Beschlusses des BFH vom 23.10.2019 (Az. XI R 43/18), mit dem die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt wird, ob die Vorschrift des § 43 Abs. 18 KAGG, welche die Anwendung des § 40a Abs. 1 Satz 2 KAGG i. d. F. des sog. Korb II-Gesetzes auf alle noch nicht bestandskräftigen Festsetzungen anordnet, infolge des Verstoßes gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot insoweit verfassungswidrig ist, als sie sich auf den Veranlagungszeitraum 2003 bezieht. In dem zu entscheidenden Fall geht es um die Veräußerung von Fondsanteilen auf Anlegerebene im Mai 2003. Der BFH vertritt in dem Vorlagebeschluss die Auffassung, dass der Vertrauensschutz erst in dem Zeitpunkt des öffentlich bekannt gewordenen Gesetzentwurfs des Korb II-Gesetzes der Bundesregierung vom 15.08.2003 erschüttert wurde und somit die Rückwirkung der o.g. Vorschrift auf vor diesem Zeitpunkt erfolgte Dispositionen verfassungswidrig sei.
Autor: Marco Brinkmann