Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem im Juli 2012 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen des früheren Steuerberaters E, der seitdem rechtskräftig mit einem Berufsverbot belegt war. Für seine frühere Kanzlei wurde Steuerberater P im Oktober 2012 als Vertreter und später als Praxisabwickler bestellt.
Im Rahmen einer bei der E-KG durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass die KG keinen Geschäftsbetrieb entfaltet habe und steuerpflichtige Umsätze dem E als Einzelunternehmer, nicht aber der KG, zuzurechnen seien. Hiervon abweichend war das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung der Auffassung, dass diese Umsätze nicht dem E, sondern der KG zuzuordnen seien, weil diese im Außenverhältnis gegenüber den Mandanten als Vertragspartner aufgetreten sei.
Da weder der Kläger als Insolvenzverwalter noch der Kanzleivertreter des Insolvenzschuldners im Streitjahr 2012 Umsätze ausgeführt hatten, gab der Kläger keine Umsatzsteuererklärung ab. Eine Freigabe von Vermögen i.S.d. § 35 Abs. 2 InsO erklärte der Kläger gegenüber dem Insolvenzschuldner nicht.
Das zuständige Finanzamt ging letztlich davon aus, dass nicht die KG, sondern der Insolvenzschuldner E die streitigen Umsätze ausgeführt habe. Auf der Grundlage der für die KG eingereichten Umsatzsteuervoranmeldungen schätzte es die Umsatzsteuer 2012 und ging vom Vorliegen einer Masseverbindlichkeit aus. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision der Finanzbehörde blieb vor dem BFH erfolglos.
Gründe:
Das FG hat zutreffend entschieden, dass keine Masseverbindlichkeit vorliegt. Ist bei einer Tätigkeit ohne Wissen und Billigung des Insolvenzverwalters unklar, ob es sich umsatzsteuerrechtlich um eine solche des Insolvenzschuldners handelt, entsteht keine Masseverbindlichkeit. Offen bleiben kann, ob umsatzsteuerrechtlich Leistungen der KG oder Leistungen des E vorliegen. Denn für die der KG zuzurechnenden Leistungen kann kein Steuerbescheid zu Lasten der Insolvenzmasse des E ergehen, während bei durch E erbrachten Leistungen die Voraussetzungen für eine Steuerfestsetzung als Masseverbindlichkeit nicht vorliegen.
Abweichendes ergibt sich entgegen der Auffassung des Finanzamtes nicht aus § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO. Durch eine selbständige Tätigkeit begründete Steuerforderungen sind nicht von vornherein bis zur Freigabeerklärung durch den Insolvenzverwalter nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO Masseverbindlichkeiten. Gleichfalls entgegen der Auffassung der Steuerbehörde steht eine unterbliebene Erklärung des Insolvenzverwalters auch nicht einer "konkludenten Positiverklärung" gleich. Stattdessen scheitert die Annahme einer Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO unter Berücksichtigung der Wertungen des § 35 Abs. 2 InsO im Streitfall daran, dass der Kläger als Insolvenzverwalter trotz seiner Aufklärungsmaßnahmen keine Kenntnis von umsatzsteuerrechtlich durch E erbrachte Leistungen hatte, so dass für ihn keine Pflicht bestand, eine Erklärung nach § 35 Abs. 2 InsO abzugeben. Der Kläger hat weder gewusst noch gebilligt, dass E umsatzsteuerrechtlich ihm zuzurechnende Leistungen erbracht hat. Eine derartige Leistungstätigkeit hat er auch nicht wissentlich geduldet.
Ist bei einer Tätigkeit ohne Wissen und Billigung des Insolvenzverwalters unklar, ob es sich umsatzsteuerrechtlich um eine solche des Insolvenzschuldners handelt, entsteht keine Masseverbindlichkeit. Eine unterbliebene Erklärung des Insolvenzverwalters steht auch nicht einer "konkludenten Positiverklärung" gleich.