Der Sachverhalt:
Auf eine Finanzierungsanfrage der Beklagten über 295.000 € hatte die klagende Bank ihnen im Dezember 2013 ein verbindliches Darlehensangebot übersandt, das eine Auszahlung zum 31.10.2015 vorsah (Forward-Immobiliendarlehen). Als Tilgungsersatzprodukt war die Hinterlegung eines Bausparvertrages vorgesehen. Als Sicherheit sollte eine Eintragung/Abtretung einer erstrangigen Grundschuld i.H.v. 295.000 € auf dem Beleihungsobjekt vereinbart werden.
Im Oktober 2015 teilten die Beklagten der Klägerin mit, dass der Beklagte zu 1) arbeitslos geworden sei. Dadurch hätte sich die Einkommenssituation vor Auszahlung des Darlehens im Vergleich zu der Einkommenssituation bei Vertragsschluss verschlechtert. Mit Schreiben aus November 2015 teilten die Beklagten mit, dass sie eine größere Schenkung von 80.000 € erwarten würden, die Angelegenheit aber derzeit gerichtlich geprüft werde. Dem Schreiben war eine Ladung des Gerichts beigefügt, die sich auf ein Adoptionsverfahren bezog. Mit Schreiben aus Januar 2016 kündigte die Klägerin das Darlehen außerordentlich gemäß den Finanzierungsbedingungen und machte eine Nichtabnahmeentschädigung von rund 76.5907 € geltend.
Das LG wies die Klage ab.
Die Gründe:
Der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung einer Nichtabnahmeentschädigung steht der Klägerin gegen die Beklagten schon dem Grunde nach nicht zu, weil die von der Klägerin ausgesprochene außerordentliche Kündigung des mit den Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages unwirksam ist.
Die Vertragsklausel verstößt gegen Wertungen des Rechtes der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Gem. § 490 Abs. 1 BGB kann der Darlehensgeber den Darlehensvertrag vor Auszahlung des Darlehens im Zweifel stets fristlos kündigen, wenn in den Vermögensverhältnissen des Darlehensnehmers oder in der Werthaltigkeit einer für das Darlehen gestellten Sicherheit eine wesentliche Verschlechterung eintritt oder einzutreten droht, durch die die Rückzahlung des Darlehens, auch unter Verwertung der Sicherheit, gefährdet werde. Letztere Einschränkung findet sich in der verwendeten Klausel allerdings nicht.
Im Hinblick auf Individualvereinbarungen wird zwar teilweise die Dispositivität des § 490 Abs. 1 BGB bejaht. So wird vertreten, dass die Vereinbarung von gegenüber der Gesetzeslage erleichterten Voraussetzungen für eine Kündigung des Darlehensvertrags im Wege individualvertraglicher Abmachung bis zur Grenze des § 138 grundsätzlich möglich ist (Staudinger/Mülbert BGB § 490, Rn. 53). Im Rahmen von allgemeinen Geschäftsbedingungen (wie vorliegend) wird dies hingegen in Schrifttum überwiegend anders beurteilt (MüKoBGB/Berger BGB § 490 Rn. 22). Die Kammer folgt dieser Auffassung, wonach der Vorschrift des § 490 Abs. 1 BGB Leitbildfunktion bei der AGB-rechtlichen Ausgestaltung des Kündigungsrechts zukommt.
Zum Teil wird auch vertreten, dass in Fällen, in denen ein Dritter eine Sicherheit für das Darlehen bestellt hat, durch AGB die Einschränkung des § 490 Abs. 1 BGB "auch unter Verwertung der Sicherheit" abbedungen und damit der Anwendungsbereich des Kündigungsrechts erweitert werden kann. Dies ergebe sich daraus, dass dem § 490 Abs. 1 BGB zumindest in Bezug auf diese Einschränkung nicht die Funktion eines gesetzlichen Leitbildes iS des § 307 Abs. 2 BGB zukomme (Staudinger/Mülbert BGB § 490, Rn. 54 m.w.N.). Diese Bedenken greifen im Streitfall allerdings nicht, weil die hier gestellten Sicherheiten nicht von Dritten, sondern von den Darlehensnehmern selbst gestellt worden sind. In der vorliegenden Konstellation ist somit davon auszugehen, dass der entscheidende Punkt der Finanzierungsbedingungen gem. § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist und sich die Kündigung damit allein nach § 490 Abs. 1 BGB richtet.
In der Instanzrechtsprechung ist eine Nichtabnahmeentschädigung bislang größtenteils bejaht worden für den Fall, dass der Darlehensgeber wegen eines vom Darlehensnehmer schuldhaft gesetzten wichtigen Kündigungsgrundes, kündigt. Als Anspruchsgrundlage zog die h.A. §§ 280, 281 oder alleine § 280 heran. Ein solcher Anspruch kam hier jedoch bereits deshalb nicht in Betracht, weil nicht der Darlehensnehmer selbst die Abnahme des Darlehens verweigert hatte, sondern arbeitslos geworden war. Hierin vermag die Kammer ein Verschulden i.S.d. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht zu erkennen.
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