Holger Klindtworth, Partner im Geschäftsbereich IT-Revision (GBIT) von Ebner Stolz in Hamburg bezieht Stellung und beantwortet zentrale Fragen.
Unternehmen beschäftigen sich seit Jahren damit, wie sie die GoBD einhalten können, um Strafen zu vermeiden. Jetzt ist die Neufassung in Kraft getreten. Sind damit alle bisherigen Maßnahmen hinfällig, Herr Klindtworth?
Gesetzlich hat sich zunächst einmal nichts geändert. Die alten wie die neuen GoBD beziehen sich auf Steuergesetze, HGB und AO, die wie bisher gelten. Die GoBD selbst sind ja kein Gesetz, sondern eine „Leitlinie“ für die Betriebsprüfer, die festlegt, was ordnungsmäßig ist und was nicht. Alle Maßnahmen, die Unternehmen bisher erfolgreich umgesetzt haben, können und sollten sie also beibehalten -– soweit sie denn wirtschaftlich sind und weiterhin gefordert.
Was ändert sich denn mit diesem Update?
Generell hat man sich in der Neufassung Mühe gegeben, die aktuelle IT-Technik zu berücksichtigen, also z. B. die Nutzung von Cloud-Systemen. Sie gelten jetzt als Medium der Datenspeicherung. Allerdings sind diese Cloud-Systeme entsprechend zu bewerten. Wenn Sie eine Cloud im Ausland nutzen wollen, brauchen Sie erst eine Genehmigung, egal ob die Cloud in Nordkorea oder der Schweiz aus betrieben wird. Die Finanzverwaltung muss auch dort Zugriff auf Ihre Daten haben. Wenn das in einem Land nicht möglich scheint, werden Sie dafür keine Genehmigung bekommen. Also: Cloud-Systeme sind grundsätzlich möglich, aber holen Sie sich für das Ausland in jedem Fall eine Genehmigung ein – und denken Sie daran, neben Steuergesetzen gibt es auch noch andere Gesetze und Regularien, wie z. B. den Datenschutz.
Mit den GoBD 2.0 darf man Belege jetzt mobil erfassen. Gibt es dabei auch Einschränkungen?
Zunächst geht es hier um die bildliche Erfassung der Belege: Das Bild muss für das menschliche Auge lesbar und die notwendigen Daten müssen erfasst sein. Damit ist quasi jede technische Lösung möglich, die das gewährleistet: stationäre Scanner wie auch mobile Endgeräte. Spannend wird hier wiederum die Frage nach dem Ausland: Sie dürfen grundsätzlich auch dort Belege erfassen. Aber Sie brauchen einen definierten Prozess und entsprechende Kontrollmaßnahmen, die diesen Prozess komplett absichern. Stellen Sie sich vor, Sie sind auf Dienstreise im Ausland: Sie wollen Reisekosten gleich digitalisieren, zücken ihr Smartphone, scannen die Taxi-Rechnung und leiten sie an Ihre Buchhaltung weiter. Die Frage ist jetzt: An welcher Stelle beginnt der eigentliche Buchungsvorgang? Sobald das Bild des Belegs an die Buchhaltung übertragen wurde oder schon davor bei der Erfassung und Personalisierung? Diesen Prozess sollten Sie genau hinterfragen und ihn in der Verfahrensdokumentation festhalten.
Wie sieht es aus, wenn Unternehmen ihre gesamte Buchführung outsourcen und ins Ausland verlagern?
Solange die Finanzverwaltung Zugriff auf die entsprechenden Daten hat, ist die Speicherung im Ausland möglich. Auch hier sollten Sie sich aber eine Genehmigung einholen. Innerhalb der EU ist das eher unkritisch. In anderen Fällen ist es wichtig, dass das Sicherheitsniveau und das rechtliche Niveau des betreffenden Staates mit dem von EU-Staaten vergleichbar sind.
Die GoBD forderten bisher die Unveränderbarkeit von Belegen: Wollten Unternehmen Belege in andere Formate konvertieren, mussten sie das Original aufbewahren und dieses sowie die konvertierte Datei mit einem gemeinsamen Index versehen, damit die Konvertierung nachvollziehbar ist. Hat sich da jetzt etwas geändert?
Ja, Sie können unter bestimmten Umständen auf das Aufbewahren des Originals verzichten, z. B. wenn keine bildliche oder inhaltliche Veränderung vorgenommen wird. Aber was heißt eigentlich unveränderbar? Sie werden ja i. d. R. mit den Belegen arbeiten und z. B. den Eingang und die Kontierung darauf vermerken. Um Unveränderbarkeit nachzuweisen, müssen Sie daher Maßnahmen ergreifen, die sicherstellen, dass ein originärer Buchungsbeleg nicht geändert werden kann, z. B. durch die Versionierung von Änderungen. Die Technologie dafür ist Ihnen nicht vorgegeben. Und ganz wichtig: Sie müssen diese Maßnahmen dokumentieren. Eine Verfahrensdokumentation ist auf alle Fälle notwendig. Das hat man in den letzten Jahren mangels Konsequenzen vielleicht eher entspannt gesehen. Ich kann nun aber sagen: Diese Lässigkeit ist nicht mehr angebracht. Wir haben die ersten Fälle, wo die Buchführung verworfen wurde und die fehlende Verfahrensdokumentation zu Verzögerungen bei der Prüfung geführt hat. Eine fehlende oder lückenhafte Verfahrensdokumentation ist inzwischen kein Kavaliersdelikt mehr und kann zum Verwerfen Ihrer Buchführung führen, z. B. wenn es für eine IT-gestützte Kassenbuchführung keine Dokumentation des IT-Systems gibt. Dann kommt es zur Schätzung Ihres Umsatzes oder Erlöses. Und zwar immer mit einem Sicherheitspuffer, der sogenannten „Zuschätzung“, der im Zweifel auch nicht gering ist. Sie sind in jedem Fall in der Bringschuld und müssen die Ordnungsmäßigkeit Ihrer Buchführung irgendwie belegen - und das ist die Frage, wie Sie das ohne Verfahrensdokumentation Bewerkstelligen möchten!
Die neuen GoBD betonen die Wichtigkeit der Verfahrensdokumentation ja auch noch stärker.
Und das ist auch richtig so. Sie müssen jederzeit eine ordnungsmäßige Buchführung nachweisen können. Nehmen wir mal an, Sie haben deutliche Prozessänderungen, vielleicht durch Einführung eines neuen CRM-Systems. Wenn Sie vor März ein anderes CRM und jetzt das neue System genutzt haben, brauchen Sie eine Verfahrensdokumentation für beide Zeiträume. Es würde gemäß der GoBD-Neufassung eigentlich ausreichen, wenn nur die Änderungen an der Verfahrensdokumentation versioniert sind. Aus meiner IT-Projekt-Praxis würde ich allerdings sagen, dass das nicht reicht. Wenn Sie per Änderungshistorie nachvollziehen wollen, wie Ihre Systeme vor zehn Jahren liefen und wie sich dabei alle Prozesse geändert haben, ist das nicht wirklich praktikabel. Ich persönlich plädiere für eine saubere Versionierung der kompletten Verfahrensdokumentation, um einfach kein Risiko einzugehen.
Wie sieht es aus, wenn man sein Dokumentenmanagementsystem, mit dem man bisher die Archivierung durchgeführt hat, wechselt? Wird so eine Migration mit den neuen GoBD einfacher?
Das ist nach wie vor ein kritisches Thema. Sie müssen auch nach der Migration alle Daten unverzüglich lesbar machen können. Die Auswertbarkeit Ihrer Daten sollte bei einem Systemwechsel in der Regel ja eigentlich besser sein, wenn sie alles korrekt übernehmen und das Verfahren sauber dokumentieren. Problematisch wird es in der Praxis dann doch immer wieder, weil man in der Regel eben nicht alles migriert, sondern ältere Daten weglässt. Was ich hier empfehle, ist das Festlegen des Ausstiegs- und Migrationsszenarios. Sozusagen ein DMS-Ehevertrag. Haben Sie den nicht, können Sie nur darauf hoffen, dass der neue DMS-Anbieter Sie beim Wechsel bestmöglich unterstützt.
Bei Ebner Stolz prüfen Sie DMS-Lösungen, die GoBD-konform sind. Was können Unternehmen erwarten, wenn sie so eine zertifizierte Software einsetzen?
Zunächst möchte ich betonen, dass so eine Bescheinigung kein Freifahrtschein ist. Unternehmen müssen selbst organisatorische Maßnahmen treffen, um regulatorische Anforderungen zu erfüllen, und die entsprechende Software dafür sachgemäß einsetzen. Der Prüfer oder das Finanzgericht sieht mit der Bescheinigung aber, dass Ihre Archiv- oder DMS-Software angemessen geprüft und die Konformität im Grunde gegeben ist, dass Sie sich also um Compliance bemühen. Eine Bescheinigung hat damit zwei Vorteile: Erstens wissen Sie selbst, dass Ihre Software geeignet ist, und zweitens können Sie damit im Zweifelsfall gegenüber Behörden argumentieren.