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Freiberufliche Einkünfte bei Betreiberin einer Kindertagesstätte

FG Hamburg 20.1.2015, 3 K 157/14

Die Grup­pen­er­zie­hung von Kin­dern im Vor­schul­al­ter in ei­ner Kin­der­ta­gesstätte ist eine er­zie­he­ri­sche Tätig­keit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG. Der In­ha­ber ei­ner Kin­der­ta­gesstätte wird trotz der Be­schäfti­gung fach­lich vor­ge­bil­de­ter Ar­beitskräfte ei­gen­ver­ant­wort­lich tätig, wenn er durch re­gelmäßige und ein­ge­hende Kon­trol­len der Mit­ar­bei­ter maßgeb­lich auf die Er­zie­hung je­des Kin­des Ein­fluss nimmt und darüber hin­aus eine persönli­che Be­zie­hung des In­ha­bers zu den ein­zel­nen Kin­dern be­steht; eine Kin­der­ta­gesstätte mit 45 Plätzen ist kei­nes­wegs zu groß, um eine persönli­che Be­zie­hung zu je­dem Kind her­stel­len zu können.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist eine Di­plom-So­zi­alpädago­gin. Sie hatte im Jahr 2006 eine Kin­der­ta­gesstätte eröff­net, in der im Streit­zeit­raum 2007 bis 2013 bis zu 45 Kin­der in zwei Grup­pen - ei­ner Krip­pen­gruppe und ei­ner Ele­men­tar­gruppe - auf der Grund­lage ei­nes von der Kläge­rin ent­wi­ckel­ten pädago­gi­schen Kon­zepts be­treut wer­den. In bei­den Grup­pen wa­ren je­weils drei an­ge­stellte Er­zie­he­rin­nen tätig. Da­ne­ben be­schäftigte die Kläge­rin je­weils in Teil­zeit eine Ver­wal­tungs­an­ge­stellte, eine haus­wirt­schaft­li­che Kraft und eine Aus­hilfe im pädago­gi­schen Be­reich.

Das Fi­nanz­amt war der An­sicht, die Kläge­rin un­ter­liege der Ge­wer­be­steuer. Schließlich sei sie nicht frei­be­ruf­lich tätig, weil es am Tat­be­stands­merk­mal der Ei­gen­ver­ant­wort­lich­keit fehle. Der Kern­be­reich der er­zie­he­ri­schen Tätig­keit liege in der tägli­chen Ein­fluss­nahme von Be­zugs­per­so­nen auf das je­wei­lige Kind. Bei der Größe der Ein­rich­tung könne der er­for­der­li­che persönli­che Kon­takt der Lei­te­rin zu den Kin­dern nicht mehr ge­ge­ben sein.

Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Das Ur­teil ist rechtskräftig.

Die Gründe:
Die Tätig­keit der Kläge­rin ist als Ausübung ei­nes freien Be­rufs an­zu­se­hen und so­mit kein Ge­wer­be­be­trieb.

Die Grup­pen­er­zie­hung von Kin­dern im Vor­schul­al­ter in ei­ner Kin­der­ta­gesstätte stel­len grundsätz­lich eine er­zie­he­ri­sche Tätig­keit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG dar. Wei­tere Leis­tun­gen wie etwa die Be­auf­sich­ti­gung und Verkösti­gung der Kin­der sind le­dig­lich not­wen­dige Hilfstätig­kei­ten; die Er­zie­hung gibt da­bei der Ge­samt­heit der Leis­tun­gen das Gepräge.

Der In­ha­ber ei­ner Kin­der­ta­gesstätte wird in­so­fern trotz der Be­schäfti­gung fach­lich vor­ge­bil­de­ter Ar­beitskräfte ei­gen­ver­ant­wort­lich i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG tätig, wenn er durch re­gelmäßige und ein­ge­hende Kon­trol­len der Mit­ar­bei­ter maßgeb­lich auf die Er­zie­hung je­des Kin­des Ein­fluss neh­men kann und darüber hin­aus eine persönli­che Be­zie­hung zwi­schen ihm und den ein­zel­nen Kin­dern be­steht. Wer­den in ei­ner Kin­der­ta­gesstätte so­mit 45 Kin­der in zwei Grup­pen durch ins­ge­samt sechs an­ge­stellte Er­zie­he­rin­nen be­treut, kann das Merk­mal der Ei­gen­ver­ant­wort­lich­keit durch­aus noch erfüllt sein, ins­be­son­dere wenn die Lei­tung durch wei­te­res Per­so­nal von all­ge­mei­ner Ver­wal­tungstätig­keit und sons­ti­gen nichtpädago­gi­schen Ar­bei­ten ent­las­tet wird.

Es konnte im vor­lie­gen­den Fall letzt­lich da­von aus­ge­gan­gen wer­den, dass die Kläge­rin ihre durch­ge­hende An­we­sen­heit vor Ort und ihre für die pädago­gi­schen Auf­ga­ben zur Verfügung ste­hende Zeit kon­se­quent dazu ge­nutzt hatte, eine persönli­che Be­zie­hung zu je­dem Kind auf­zu­bauen und selbst oder über die von ihr an­ge­stell­ten und an­ge­lei­te­ten sechs Er­zie­he­rin­nen auf die Er­zie­hung je­des Kin­des ein­zu­wir­ken und der Er­zie­hungs­leis­tung auf diese Weise den "Stem­pel ih­rer Persönlich­keit" auf­zudrücken. Da sich ihr Büro im Krip­pen­be­reich be­fand, stand die Kläge­rin lau­fend als An­sprech­part­ne­rin für Er­zie­he­rin­nen, El­tern und Kin­der zur Verfügung und konnte von sich aus je­der­zeit in das Ge­sche­hen ein­grei­fen. Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Fi­nanz­am­tes ist eine Kin­der­ta­gesstätte mit 45 Plätzen kei­nes­wegs zu groß, um eine persönli­che Be­zie­hung zu je­dem Kind her­stel­len zu können.

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