Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Diplom-Sozialpädagogin. Sie hatte im Jahr 2006 eine Kindertagesstätte eröffnet, in der im Streitzeitraum 2007 bis 2013 bis zu 45 Kinder in zwei Gruppen - einer Krippengruppe und einer Elementargruppe - auf der Grundlage eines von der Klägerin entwickelten pädagogischen Konzepts betreut werden. In beiden Gruppen waren jeweils drei angestellte Erzieherinnen tätig. Daneben beschäftigte die Klägerin jeweils in Teilzeit eine Verwaltungsangestellte, eine hauswirtschaftliche Kraft und eine Aushilfe im pädagogischen Bereich.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Gründe:
Die Tätigkeit der Klägerin ist als Ausübung eines freien Berufs anzusehen und somit kein Gewerbebetrieb.
Die Gruppenerziehung von Kindern im Vorschulalter in einer Kindertagesstätte stellen grundsätzlich eine erzieherische Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG dar. Weitere Leistungen wie etwa die Beaufsichtigung und Verköstigung der Kinder sind lediglich notwendige Hilfstätigkeiten; die Erziehung gibt dabei der Gesamtheit der Leistungen das Gepräge.
Der Inhaber einer Kindertagesstätte wird insofern trotz der Beschäftigung fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte eigenverantwortlich i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG tätig, wenn er durch regelmäßige und eingehende Kontrollen der Mitarbeiter maßgeblich auf die Erziehung jedes Kindes Einfluss nehmen kann und darüber hinaus eine persönliche Beziehung zwischen ihm und den einzelnen Kindern besteht. Werden in einer Kindertagesstätte somit 45 Kinder in zwei Gruppen durch insgesamt sechs angestellte Erzieherinnen betreut, kann das Merkmal der Eigenverantwortlichkeit durchaus noch erfüllt sein, insbesondere wenn die Leitung durch weiteres Personal von allgemeiner Verwaltungstätigkeit und sonstigen nichtpädagogischen Arbeiten entlastet wird.
Es konnte im vorliegenden Fall letztlich davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihre durchgehende Anwesenheit vor Ort und ihre für die pädagogischen Aufgaben zur Verfügung stehende Zeit konsequent dazu genutzt hatte, eine persönliche Beziehung zu jedem Kind aufzubauen und selbst oder über die von ihr angestellten und angeleiteten sechs Erzieherinnen auf die Erziehung jedes Kindes einzuwirken und der Erziehungsleistung auf diese Weise den "Stempel ihrer Persönlichkeit" aufzudrücken. Da sich ihr Büro im Krippenbereich befand, stand die Klägerin laufend als Ansprechpartnerin für Erzieherinnen, Eltern und Kinder zur Verfügung und konnte von sich aus jederzeit in das Geschehen eingreifen. Entgegen der Auffassung des Finanzamtes ist eine Kindertagesstätte mit 45 Plätzen keineswegs zu groß, um eine persönliche Beziehung zu jedem Kind herstellen zu können.
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