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Für die Errichtung einer Mobilfunksendeanlage müssen alle Wohnungseigentümer zustimmen

BGH 24.1.2014, V ZR 48/13

Nach § 906 Abs. 1 S. 2 BGB be­steht zwar im Verhält­nis be­nach­bar­ter Grundstücks­ei­gentümer eine Ver­mu­tung dafür, dass be­stimmte Ein­wir­kun­gen, zu de­nen auch Strah­le­nim­mi­sio­nen gehören, un­we­sent­lich und da­her hin­zu­neh­men sind, wenn die ein­schlägi­gen Grenz- und Richt­werte ein­ge­hal­ten wer­den. Die Norm re­gelt aber nicht den Kon­flikt un­ter Woh­nungs­ei­gentümern darüber, wie mit dem Ge­mein­schafts­ei­gen­tum um­ge­gan­gen wer­den soll und ob hierzu bau­li­che Verände­run­gen (hier: eine Mo­bil­funk­an­lage) vor­ge­nom­men wer­den sol­len.

Der Sach­ver­halt:
Die be­klag­ten Mit­glie­der ei­ner Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft hat­ten im Jahr 2010 mehr­heit­lich den Be­schluss ge­fasst, einem Un­ter­neh­men die Auf­stel­lung und den Be­trieb ei­ner Mo­bil­funk­an­lage auf dem Fahr­stuhl­dach der Woh­nungs­ei­gen­tums­an­lage zu ge­stat­ten. Die Kläge­rin ist eben­falls Mit­glied der Woh­nungs­ei­gentümer­ge­mein­schaft. Ihr gehörte im Zeit­punkt der Be­schluss­fas­sung u.a. eine Dach­ge­schoss­woh­nung. Sie war mit dem Be­schluss nicht ein­ver­stan­den und er­hob An­fech­tungs­klage ge­gen den Be­schluss.

AG und LG ga­ben der Klage im We­sent­li­chen statt. Sie wa­ren der An­sicht, die An­brin­gung der Mo­bil­funk­an­lage sei eine bau­li­che Verände­rung, die nach § 22 Abs. 1 WEG der Zu­stim­mung sämt­li­cher Woh­nungs­ei­gentümer be­durft hätte, weil die Kläge­rin durch die Maßnahme über das in § 14 Nr. 1 WEG be­stimmte Maß hin­aus be­einträch­tigt werde. Der wis­sen­schaft­li­che Streit um die Ge­sund­heits­ge­fah­ren von Mo­bil­funk­an­la­gen führe zu Be­einträch­ti­gun­gen bei der Ver­miet­bar­keit und hin­sicht­lich des Ver­kehrs­werts der Ei­gen­tums­woh­nung. Das müsse die Kläge­rin nicht hin­neh­men.

Die Re­vi­sion der Be­klag­ten, mit der sie wei­ter­hin die Ab­wei­sung der Klage er­rei­chen wollte, blieb vor dem BGH er­folg­los.

Die Gründe:
Im vor­lie­gen­den Fall hätte es der Zu­stim­mung sämt­li­cher Woh­nungs­ei­gentümer be­durft.

Eine an­dere Be­ur­tei­lung war auch nicht mit Blick auf die Re­ge­lung des § 906 Abs. 1 S. 2 BGB ge­bo­ten. Da­nach be­steht zwar im Verhält­nis be­nach­bar­ter Grundstücks­ei­gentümer eine Ver­mu­tung dafür, dass be­stimmte Ein­wir­kun­gen, zu de­nen auch Strah­le­nim­mi­sio­nen gehören, un­we­sent­lich und da­her hin­zu­neh­men sind, wenn die ein­schlägi­gen Grenz- und Richt­werte ein­ge­hal­ten wer­den. Die Norm re­gelt al­ler­dings nicht den Kon­flikt un­ter Woh­nungs­ei­gentümern darüber, wie mit dem Ge­mein­schafts­ei­gen­tum um­ge­gan­gen wer­den soll und ob hierzu bau­li­che Verände­run­gen mit all ih­ren Vorzügen und Nach­tei­len vor­ge­nom­men wer­den sol­len.

Der Rück­griff von § 22 Abs. 1 WEG auf den Maßstab des § 14 Nr. 1 WEG soll si­cher­stel­len, dass das Recht je­des Woh­nungs­ei­gentümers, auf Ent­schei­dun­gen über bau­li­che Verände­run­gen durch das Zu­stim­mungs­er­for­der­nis maßge­bend Ein­fluss zu neh­men (§ 903 BGB), grundsätz­lich ge­wahrt bleibt. In diese Be­fug­nis darf nur ein­ge­grif­fen wer­den, so­weit Woh­nungs­ei­gentümer von der Maßnahme gar nicht oder nur ganz ge­ringfügig be­trof­fen sind. Für die Kon­kre­ti­sie­rung die­ser spe­zi­fi­sch woh­nungs­ei­gen­tums­recht­li­chen Ge­ringfügig­keit lie­fern die in § 906 Abs. 1 S. 2 BGB ge­nann­ten im­mis­si­ons­recht­li­chen Grenz- und Richt­werte kei­nen brauch­ba­ren Maßstab. Das gilt umso mehr, als das Zu­sam­men­le­ben in ei­ner Woh­nungs­ei­gen­tums­an­lage - auch bei Ent­schei­dun­gen über bau­li­che Verände­run­gen - ein stärke­res Maß an Rück­sicht­nahme ver­langt.

Link­hin­weise:

  • Der Voll­text die­ser Ent­schei­dung wird demnächst auf den Web­sei­ten des BGH veröff­ent­licht.
  • Für die Pres­se­mit­tei­lung des BGH kli­cken Sie bitte hier.
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