Schülerschwund und der Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften - nahezu alle mittelständischen Unternehmen haben mit diesem Problem zu kämpfen. Umgekehrt können sich qualifizierte Fachkräfte der Generation Z ihren Job aussuchen. Wie positioniert sich das Familienunternehmen TRUMPF aus Ditzingen in dem Wettbewerb um die besten Talente - und wie integriert der Mittelständler die junge Generation Z in das Unternehmen? Darüber spricht Markus Heinlein, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner bei Ebner Stolz in Stuttgart, mit Oliver Maassen, Leiter Personal- und Sozialwesen der TRUMPF GmbH + Co. KG in Ditzingen. Oliver Maassen beschäftigt sich intensiv mit bildungspolitischen Fragestellungen, ist Autor des Buches „Die Bologna Revolution“, Mitglied im Ausschuss Hochschule – Wirtschaft der BdA und war in zahlreichen hochschulpolitischen Gremien aktiv.
TRUMPF ist ein seit 1923 bestehendes Familienunternehmen und Technologieführer in den Bereichen Werkzeugmaschinen und Lasern für die industrielle Fertigung mit 77 Tochtergesellschaften weltweit - also ein Global Player im gehobenen Mittelstand. Was macht TRUMPF als Arbeitgeber aus?
Wir sind ein Familienunternehmen. Was uns ausmacht ist, dass wir langfristige und nachhaltige Ziele verfolgen und nicht nur auf den nächsten Quartalsbericht schielen. Wir beschäftigen weltweit 14.000 Mitarbeiter, 7.000 davon außerhalb Deutschlands. Unser Unternehmen befindet sich in einem starken Wachstumsprozess. Im vergangenen Jahr haben wir 1.500 Mitarbeiter weltweit neu eingestellt. Als Hochtechnologieunternehmen fördern wir aktiv, dass unsere Mitarbeiter experimentieren, kreativ sind und querdenken. Immer wieder ist es uns deshalb in der Vergangenheit gelungen, disruptiv zu sein und ganz neue Lösungen zu entwickeln.
Um qualifizierte Mitarbeiter gewinnen zu können, sollte man einerseits ein attraktives und glaubwürdiges Bild als Arbeitgeber abgeben und sich andererseits auf die heranwachsende Generation einstellen. Wie „tickt“ denn die Generation Z?
Wenn wir von der Generation Z sprechen, dann meinen wir die Geburtsjahrgänge ab 1995. Positiv an dieser Generation ist die hohe Akzeptanz von Diversitäten, sie sind technologisch fit und selbstorganisationsfähig. Sie neigen allerdings auch dazu, Verantwortung abzugeben, etwa an ihre Eltern, sie arbeiten nicht so sorgfältig und rekurrieren ihr Wissen über Google. Führung und Vorgesetzten steht das Gros dieser Generation eher indifferent gegenüber.
Die Gewinnung von Mitarbeitern ist für viele Unternehmen eine große Herausforderung. Welche Erwartungen haben die jungen Bewerber an einen guten Arbeitgeber?
Die Generation Z wünscht sich geregelte Arbeitszeiten und legt Wert auf die Trennung von Beruf- und Privatsphäre. Sie möchte sich frei entfalten. Allerdings hat sie auch ein hohes Sicherheitsbedürfnis; unbefristete Arbeitsverträge sind ihr deshalb sehr wichtig. Wir bemerken, dass diese Generation wieder vermehrt Ausbildungs- und Traineeprogramme nachfragt. Wir haben deshalb Traineeprogramme erarbeitet, mit denen die Bewerber strukturiert und individualisiert auf künftige Aufgaben vorbereitet werden. Weiter verzeichnen wir eine hohe Nachfrage im Rahmen der dualen Ausbildung. Wir bieten 18 Ausbildungsberufe und DHBW-Studiengänge an.
Im vergangenen Jahr hat TRUMPF rund 1.500 neue Mitarbeiter eingestellt. Sie beschäftigen in Ditzingen 163 Auszubildende und DHBW-Studierende. Wie gewinnen Sie diese Mitarbeiter?
Eines unserer effizientesten Rekrutierungsinstrumente ist das TRUMPF Referral Programm. Im Kern geht es hierbei um Empfehlungsmanagement. Wenn es Ihnen gelingt, dass Mitarbeiter von sich aus Werbung für das Unternehmen machen, ist schon viel gewonnen. Dazu kann etwa bei den Eltern, auf die diese Generation vermehrt hört, und in den Schulen angesetzt werden. Werden ausgewählte Stellen besetzt, prämieren wir diese entsprechend finanziell. Auch sind Aktivitäten in Socia Media-Kanälen für diese Altersgruppe von großer Bedeutung. Und natürlich bleibt unsere eigene Website die Informationsquelle Nummer 1.
Stichwort Bildungsniveau. Wie fit ist denn die Generation Z für den Berufsalltag?
Hier gibt es natürlich keine Verallgemeinerung. Aber bedauerlicherweise sind die Unternehmen doch oft zum Reparaturbetrieb für das geworden, was in Elternhaus und Schule versäumt wurde. Nachdem die Regierung hier weitgehend untätig ist, bleibt den Unternehmen nichts anderes übrig, als frühzeitig Verantwortung in den Schulen zu übernehmen. Auch das verhilft im Übrigen dazu, die junge Generation schon an die Unternehmen in der Region zu binden. TRUMPF fördert in diesem Bereich Digitalisierungs- und MINT-Programme.
Wie wichtig ist Karriere eigentlich für die Generation Z?
Der Generation Z kommt es auf die persönliche Weiterentwicklung an, ohne dass es ihr auf einen Führungsanspruch ankommt. „What’s in the job for me?“ - so hinterfragt sie regelmäßig, was die konkrete Aufgabe persönlich bringt. Auch kommt dem Faktor Gehalt eine große Bedeutung zu. Die Haltung, sich finanziell zu vergleichen, hat deutlich zugenommen. Gehälter werden verglichen und die Gerechtigkeitsdebatten haben deutlich zugenommen. Ein Verteilen von Gehalt oder Bonus nach Gutsherrenart wie früher oft üblich ist nicht mehr möglich.
Sie erwähnten ja schon, dass die Generation Z genau zwischen beruflicher und privater Sphäre trennt…
In der Tat spielen bei der Generation Z die Work-Life-Separation und Arbeitszeiten von „nine to five“ eine große Rolle. Auf diese Bedürfnisse haben wir reagiert. Unsere Mitarbeiter können jährlich neu ihre wöchentliche Arbeitszeit festlegen. Diese variiert zwischen 15 und 40 Stunden pro Woche. Auch bieten wir mobiles Arbeiten an, was selbst in der Produktion fallweise möglich ist.
Wie kommen die älteren Generationen mit der Generation Z zurecht?
Von der Generation der Baby Boomer (Geburtsjahrgänge bis 1965) bekomme ich oft zu hören, dass das Unternehmen nicht mehr so wie früher ist. Das ist natürlich schon alleine aufgrund des enormen Mitarbeiterzuwachses ein Fakt. Klar ist aber auch, dass ein Arbeitgeber alle Generationen bedienen muss. Dazu gehört, das Verständnis der Generationen untereinander zu stärken.
Die ältere Generation muss an den Umgang mit dem flexiblen und mobilen Arbeiten genauso hingeführt werden wie an die Digitalisierung. Kulturelle Haltungsfragen sind neu zu definieren. In Bezug auf flexible Arbeitsorte besteht bei den Älteren vielfach noch das Vorurteil, dass jemand, der nicht am Arbeitsplatz ist, auch nicht arbeitet.
Mir ist sehr wichtig, dass alle Generationen ins Gespräch kommen. Dazu haben wir bei TRUMPF ein Reverse Mentoring eingeführt. Während beim traditionellen Mentoring ein älterer Mentor seine Erfahrungen mit jüngeren Menschen teilt, haben wir dieses Prinzip umgekehrt. In persönlichen Gesprächen bringen jüngere Mitarbeiter den erfahrenen Führungskräften ihr Know-How und ihre Erfahrungen näher. Es geht hier um Themen, in die jüngere Menschen mehr Einblick haben. Konkret geht es um gesellschaftliche Entwicklungen, den Zeitgeist, Trends und Werteverständnisse sowie technische und digitale Neuerungen. Wichtig ist, dass sich der ältere Arbeitnehmer auf die Erfahrungen der jüngeren einlässt.
Muss sich in diesem Zusammenhang die Führungskraft neu definieren?
Nein, aber Führung oder Leadership werden in diesen Zeiten noch einmal wichtiger. Die einfachste Definition von Leader ist „Someone who has followers“. Die Assets guter Führung bestehen darin, Menschen mitzunehmen, sie hinter sich und die zu verfolgende Strategie zu bringen. Wer dies durch Zuhören, Sinn erklären und Menschen ins Handeln bringen schafft, dem folgen die Mitarbeiter gerne. Denn umgekehrt kündigen Arbeitnehmer meistens nicht wegen dem Job oder dem Unternehmen, sondern sie gehen wegen ihrem Chef.