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Rechtsberatung

Neuer Schwung für die Geothermie?

Nach der Ver­ab­schie­dung des um­strit­te­nen „Hei­zungs­ge­set­zes“ rückt nun auch des­sen Zu­sam-men­spiel mit der kom­mu­na­len Wärme­pla­nung zu­neh­mend in den Fo­kus von Kom­mu­nen und Bürgern. Die verstärkte Nut­zung von Wärme­net­zen ist da­bei ein zen­tra­les Ziel. Der Geo­ther­mie als wärme­netzfähi­ger er­neu­er­ba­rer En­er­gie­quelle könnte dies neue Dy­na­mik ver­lei­hen. Man­che Stim­men spre­chen ihr so­gar das Po­ten­tial zum „Game-Chan­ger“ in der „Wärme­wende“ zu.

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De­kar­bo­ni­sie­rung der Wärme­ver­sor­gung

Das Wärme­pla­nungs­ge­setz (WPG) wird vor­aus­sicht­lich zum 01.01.2024 im Gleich­schritt mit der No­velle des Gebäude­en­er­gie­ge­set­zes („sog. Hei­zungs­ge­setz“) in Kraft tre­ten. Es ver­pflich­tet die Bun­desländer dazu, si­cher­zu­stel­len, dass Städte und Ge­mein­den kom­mu­nale Wärmepläne er­stel­len. Diese Pläne die­nen zur Iden­ti­fi­ka­tion des vor Ort bes­ten und kos­ten­ef­fi­zi­en­tes­ten Wegs zu ei­ner kli­ma­freund­li­chen und fort­schritt­li­chen Wärme­ver­sor­gung.

Die An­for­de­run­gen, die das WPG an Ab­lauf und In­halte der kom­mu­na­len Wärm­pla­nung stellt, sind da­bei um­fas­send. Es müssen hierfür eine ganze Reihe von Pla­nungs­schrit­ten (u. a. Vorprüfun­gen, Be­stands­ana­ly­sen, Po­ten­ti­al­ana­ly­sen, Ent­wick­lung von Ziel­sze­na­rien, Ent­wick­lung von Um­set­zungs­stra­te­gien) durch­lau­fen wer­den. Ein we­sent­li­cher Be­stand­teil die­ser Pla­nung soll da­bei die Klärung der Frage sein, in wel­chen Ge­mein­de­ge­bie­ten ein An­schluss von Gebäuden an ein Wärme­netz möglich ist.

Der Wärme­be­darf ist in Deutsch­land nach wie vor sehr hoch. Bei ei­ner Ana­lyse der Po­ten­tiale ei­ner de­kar­bo­ni­sier­ten Wärme­ver­sor­gung rückt so­mit auch die Tie­fen­geo­ther­mie verstärkt in den Fo­kus, die in Deutsch­land bis­lang nur sehr punk­tu­ell zum Ein­satz ge­kom­men ist.

Un­ter der sog. Tie­fen­geo­ther­mie ver­steht man die Nut­zung von Erdwärme, die in größeren Tie­fen (über 400 m) un­ter der Erd­oberfläche er­schlos­sen wird. Da­bei sind ver­schie­dene La­gerstätten und Nut­zungs­for­men zu un­ter­schei­den. Bei der hy­dro­ther­ma­len Geo­ther­mie wer­den z. B. tiefe Re­ser­voire von Ther­mal­was­ser er­schlos­sen und zu­tage gefördert, um ober­ir­di­sche Kraft­werke zu be­trei­ben. Bei der pe­tro­ther­ma­len Geo­ther­mie wird hin­ge­gen heißes Tie­fen­ge­stein zur Wärme­ge­win­nung ge­nutzt. Eine wei­tere we­sent­li­che Va­ri­ante ist die Nut­zung von Erdwärme­son­den.

Her­aus­for­de­run­gen und Chan­cen der Tie­fen­geo­ther­mie

Die Tie­fen­geo­ther­mie ist eine er­neu­er­bare En­er­gie im Sinne des Er­neu­er­bare-En­er­gien-Ge­set­zes (EEG), die grund­lastfähig und weit­ge­hend emis­si­ons­frei ist.

Schätzun­gen zu­folge könnte bis zu einem Vier­tel des Wärme­be­darfs in Deutsch­land durch die Nut­zung geo­ther­mi­scher En­er­gie ab­ge­deckt wer­den. Die tatsäch­li­chen Re­ser­ven sind geo­lo­gi­sch schwer ab­zu­schätzen, so dass der­ar­tige Schätzun­gen mit er­heb­li­chen Un­si­cher­hei­ten be­haf­tet sind. Ei­nig­keit be­steht je­doch in­so­weit, dass das beträcht­li­che ener­ge­ti­sche Po­ten­tial der Tie­fen­geo­ther­mie in Deutsch­land noch nicht an­satz­weise aus­ge­schöpft ist.

Die Gründe für die bis­her nur schlep­pend an­lau­fende Nut­zung die­ser En­er­gie­quelle lie­gen zum einen in den ho­hen Vor­lauf­kos­ten für die Rea­li­sie­rung der­ar­ti­ger Pro­jekte. Das Auf­su­chen von ent­spre­chen­den Re­ser­voiren tief un­ter der Erd­oberfläche ist ein tech­ni­sch-geo­lo­gi­sch äußerst an­spruchs­vol­les bergmänni­sches Un­ter­fan­gen. Um schließlich iden­ti­fi­zierte Re­ser­voire auf ihre Er­gie­big­keit ab­zu­tas­ten, müssen aufwändige Pro­be­boh­run­gen in die Tiefe nie­der­ge­bracht wer­den. Oft er­ge­ben diese Pro­be­boh­run­gen dann zwar ein Auf­fin­den von z. B. Ther­mal­was­ser, aber eben nicht in der aus­rei­chen­den Menge, um er­folg­reich ein ober­ir­di­sches Kraft­werk zu be­trei­ben. Dann geht die Su­che von vorne los und die Un­ter­su­chun­gen müssen an an­de­rer Stelle von Neuem be­gon­nen wer­den. Die­ses zen­trale Ri­siko wird als sog. Fündig­keits­ri­siko be­zeich­net und ist ei­nes der größten Her­aus­for­de­run­gen bei der Fi­nan­zie­rung von ent­spre­chen­den Pro­jek­ten.

Ist ein Erdwärme­re­ser­voir hin­ge­gen erst ein­mal er­folg­reich auf­ge­fun­den und er­schlos­sen, sind die lau­fen­den Kos­ten für den Be­trieb von Geo­ther­mie-Kraft­wer­ken re­la­tiv ge­ring und die Be­triebs­lauf­zeit des Kraft­werks bei ent­spre­chen­der Aus­ge­stal­tung theo­re­ti­sch un­be­grenzt.

Und auch mit Blick auf die er­for­der­li­chen Ge­neh­mi­gun­gen und den Ge­neh­mi­gungs­pro­zess be­ste­hen Be­son­der­hei­ten, die u. a. in dem an­wend­ba­ren Berg­recht begründet lie­gen. Erdwärme ist ein Bo­den­schatz im Sinne des Bun­des­berg­ge­set­zes (BBergG). Seine Auf­su­chung und Ge­win­nung er­for­dert das Ein­ho­len von berg­recht­li­chen Er­laub­nis­sen und Be­wil­li­gun­gen. Die ver­schie­de­nen Stu­fen der Pro­jekt­ver­wirk­li­chung von der Un­ter­grund­un­ter­su­chung, der Her­rich­tung von Bohrplätzen, dem Ab­teu­fen von Pro­be­boh­run­gen bis hin zum - er­hoff­ten - Dau­er­be­trieb bedürfen ei­ner gan­zen Kas­kade von berg­recht­li­chen Be­triebsplänen, die von der Berg­behörde zu­ge­las­sen wer­den müssen. Auf je­der ein­zel­nen Stufe muss um­welt- und na­tur­schutz­recht­li­chen Ge­sichts­punk­ten Rech­nung ge­tra­gen wer­den.

Das - ge­ne­rell bei Pro­jek­ten im Be­reich der er­neu­er­ba­ren En­er­gien be­ste­hende - Ri­siko, dass et­waige Geg­ner ei­nes Pro­jekts vor den Ver­wal­tungs­ge­rich­ten Klage er­he­ben und sich so­mit Verzöge­run­gen er­ge­ben, ist eben­falls ein Teil der Ge­neh­mi­gungs- und Fi­nan­zie­rungs­pra­xis. Letz­te­res gilt auch trotz der Tat­sa­che, dass die seis­mi­schen Ri­si­ken (Erder­schütte­run­gen etc.) von Tie­fen­boh­run­gen mitt­ler­weile tech­ni­sch wei­test­ge­hend aus­ge­schlos­sen wer­den können.

Es sind so­mit ei­nige Hürden zu neh­men auf dem Weg zu ei­ner er­folg­rei­chen Pro­jekt­ver­wirk­li­chung. Je­doch gibt es in den je­weils geo­lo­gi­sch be­son­ders ge­eig­ne­ten Ge­gen­den (Südbay­ern, Ober­rhein­gra­ben, Nord­deutsch­land etc.) be­reits eine ganz Reihe von Pro­jek­ten, die einen er­folg­rei­chen Bei­trag zur de­zen­tra­len Strom- und Wärme­ver­sor­gung leis­ten.

Neue Ho­ri­zonte und po­li­ti­scher Rücken­wind?

Die deut­sche Po­li­tik auf Bun­des- und Lan­des­ebene hat sich in der zurück­lie­gen­den De­kade dazu ent­schie­den, auf die Nut­zung von ein­hei­mi­schen Re­ser­voiren an un­kon­ven­tio­nel­len Gas­vor­kom­men (z. B. Schie­fer­gas) zu ver­zich­ten.

Sie steht nun vor der Frage, ob sie der Tie­fen­geo­ther­mie als wei­tere, auf ei­ge­nem Ter­ri­to­rium vor­han­dene En­er­gie­quelle, po­li­ti­schen Rücken­wind ver­leiht, da­mit diese ihr Po­ten­zial für die En­er­gie- und Wärme­wende voll aus­spie­len kann.

Im Ko­ali­ti­ons­ver­trag der Re­gie­rungs­par­teien fin­det sich im­mer­hin die Ab­sicht, das „Po­ten­zial der Geo­ther­mie für die En­er­gie­ver­sor­gung, u. a. durch Ver­bes­se­rung der Da­ten­la­gen und Prüfung ei­ner Fündig­keits­ver­si­che­rung stärker zu nut­zen“.

Es meh­ren sich die An­zei­chen, dass sich diese „Ab­sicht“ mit Blick auf die an­ste­hende flächen­de­ckende kom­mu­nale Wärme­pla­nung mit Le­ben füllt. Zwi­schen den Par­teien der Am­pel-Ko­ali­tion und den Uni­ons­par­teien herrscht Ei­nig­keit über eine er­heb­li­che Stei­ge­rung der Nut­zung der Geo­ther­mie. Schon ist die Rede von einem „Mini-Deutsch­land­pakt“ für Geo­ther­mie. An­ge­dacht wird ein „Geo­ther­mie-Er­schließungs­ge­setz“, wel­ches Fördermaßnah­men bündeln soll. Diese sol­len von ei­ner Be­schleu­ni­gung und Er­leich­te­rung von Ge­neh­mi­gungs­pro­zes­sen bis hin zur ver­bes­ser­ten Ab­si­che­rung des Fündig­keits­ri­si­kos rei­chen.

Wie schnell diese Über­le­gun­gen sich in kon­kre­ten Ge­set­zes­vor­ha­ben nie­der­schla­gen wer­den, ist ge­genwärtig noch of­fen. Si­cher ist hin­ge­gen, dass die Tie­fen­geo­ther­mie im Rah­men der an­ste­hen­den kom­mu­na­len Wärm­pla­nung wie­der stärker in den Fo­kus rücken wird.

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