Der Sachverhalt:
Die klagende Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft begehrt die Zahlung von Honorar aus einem vom Aufsichtsrat der beklagten Aktiengesellschaft erteilten Sonderprüfungsauftrag. Die Klägerin berechnete der Beklagten rd. 90.000 €, worauf diese 10.000 € zahlte. In der Folge leitete die Klägerin ein Mahnverfahren gegen die Beklagte, vertreten durch deren Aufsichtsrat, ein. Dagegen legte die Beklagte, vertreten durch ihren Vorstand, Widerspruch ein. Das Mahngericht lehnte den Antrag der Klägerin auf Erlass eines Vollstreckungsbescheids ab; die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg.
Das LG wies den Hauptantrag ab und verurteilte auf den Hilfsantrag. Gegen das Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Im Berufungsverfahren weigerte sich der Vorstand der Beklagten, die Prozessführung durch den Aufsichtsrat und dessen Prozessbevollmächtigten zu genehmigen oder in den Prozess einzutreten. Die Berufungen beider Parteien blieben vor dem OLG ohne Erfolg. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH ebenso wenig Erfolg.
Die Gründe:
Der Aufsichtsrat der Beklagten ist im vorliegenden Rechtsstreit zu deren Vertretung berufen. Die Vertretung der Aktiengesellschaft richtet sich nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts, § 51 Abs. 1 ZPO.
Die Aktiengesellschaft wird allerdings in einem Passivprozess entsprechend der Regel des § 78 Abs. 1 S. 1 AktG grundsätzlich durch ihren Vorstand als dem zu ihrer Außenvertretung berufenen Organ vertreten. Dies gilt jedoch nicht, wenn und soweit das Aktiengesetz die Vertretung der Gesellschaft einem anderen Organ zuweist. Dies ist in Bezug auf die mit der Beauftragung eines Sachverständigen nach § 111 Abs. 2 S. 2 AktG verbundenen Hilfsgeschäfte der Fall. Hat der Aufsichtsrat in Ausübung seiner Einsichts- und Prüfungsrechte gem. § 111 Abs. 2 S. 2 AktG einen besonderen Sachverständigen im Namen der Gesellschaft beauftragt, hat er auch die Befugnis zur gerichtlichen Vertretung der Gesellschaft gegenüber dem Sachverständigen in einem Erkenntnisverfahren, das im Hinblick auf eine Streitigkeit aus dem Auftragsverhältnis geführt wird.
Der Umfang der Vertretungszuständigkeit des Aufsichtsrats für die im Zusammenhang mit der Aufgabenwahrnehmung anfallenden Hilfsgeschäfte bestimmt sich aus dem Inhalt der jeweiligen Aufgabenzuweisung. Entscheidend ist dabei, dass die Anerkennung der Kompetenz für Hilfsgeschäfte nicht zu einer Erweiterung des sachlichen Aufgabenbereichs führt, sondern sich innerhalb einer zugewiesenen Aufgabe auf die Stadien der Vorbereitung und Durchführung der Aufgabenwahrnehmung bezieht. Diese Anbindung an den sachlichen Aufgabenbereich setzt der Kompetenzzuweisung für Hilfsgeschäfte einen engen Rahmen. Hiervon ausgehend gehört die gerichtliche Vertretung der Gesellschaft in einem Erkenntnisverfahren betreffend einen vom Aufsichtsrat erteilten Sachverständigenauftrag zum Kreis der in die Aufsichtsratszuständigkeit fallenden Hilfsgeschäfte.
Der Zweck des § 111 Abs. 2 S. 1 und 2 AktG besteht darin, dem Aufsichtsrat zur Wahrnehmung seiner Überwachungspflicht nach § 111 Abs. 1 AktG neben den Auskünften des Vorstands (z.B. über Berichte nach § 90 AktG) diejenigen Mittel an die Hand zu geben, mit denen er eigenverantwortlich die Aufklärung von Sachverhalten betreiben kann. Der der Aufgabenzuweisung zu Grunde liegenden Zweck würde nicht erfüllt, wenn die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats auf die Erteilung des Prüfungsauftrags beschränkt wäre. Der Aufsichtsrat kann mit der Erteilung des Prüfungsauftrags zwar dessen Gegenstand bestimmen. Zu einer sachgerechten Aufgabenwahrnehmung gehört es aber auch, dass der Aufsichtsrat den Sachverständigen bei seiner Tätigkeit anleitet und überwacht sowie nach der Ausführung des Auftrags darüber befindet, ob der Auftrag sachgerecht erfüllt wurde.
Von dem Gesetzeszweck ebenfalls gedeckt ist hieran anknüpfend die Prozessvertretung der Aktiengesellschaft in einem Erkenntnisverfahren gegen den Sachverständigen. Die Wahrnehmung der gerichtlichen Vertretung im Erkenntnisverfahren entspricht zunächst einer sachnahen Aufgabenzuweisung, wenn es um eine Streitigkeit über einen vom Aufsichtsrat selbst erteilten Auftrag geht. Der Aufsichtsrat verfügt in diesem Fall typischerweise über die für die gerichtliche Auseinandersetzung erforderlichen Informationen. Er sollte auf der Grundlage dieser Informationen und seinem Aufklärungsinteresse auch darüber entscheiden, ob und ggf. mit welchen Angriffs- und Verteidigungsmitteln ein Rechtsstreit gegen den Sachverständigen geführt wird. Die von der Revision aufgeworfene Frage, ob etwas anderes gilt, wenn der Vorstand auf Bitten des Aufsichtsrats den Auftrag erteilt hat, muss im vorliegenden Fall nicht beantwortet werden.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf den Webseiten des BGH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.