Der Sachverhalt:
Die Klägerin hat sechs Kinder: 1 (geb. 1993), 2 (geb. 1995), 3 (geb. 1998), 4 (geb. 2009), 5 (geb. 2003) und 6 (geb. 2006). Sämtliche Kinder gingen im Streitzeitraum zur Schule. Der Ehemann der Klägerin arbeitet seit 2009 ausschließlich in Belgien. Die Klägerin lebt mit den Kindern in Deutschland und ist nicht erwerbstätig.
Nachdem beim Finanzamt eine Bescheinigung über die belgischen Familienleistungen einging, hob dieses die Festsetzung des Differenzkindergeldes im April 2012 gem. § 70 Abs. 2 EStG ab Mai 2010 auf und forderte mit zeitgleichem Bescheid das gezahlte Differenzkindergeld für den Zeitraum Mai 2010 bis April 2012 i.H.v. rd. 1.900 € nach § 37 Abs. 2 AO zurück. Dies begründete das Finanzamt mit dem Inkrafttreten des Art. 68 Abs. 1 der EG-VO Nr. 883/2004. Bei der Ermittlung des Differenzkindergeldes stellte es den belgischen Gesamtfamilienleistungen für alle Kinder i.H.v. mtl. 1.328 € die deutschen Kindergeldansprüche i.H.v. mtl. 1.203 € gegenüber.
Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht die Festsetzung des Differenzkindergeldes ab Mai 2010 aufgehoben und das überzahlte Kindergeld bis April 2012 i.H.v. 1.900 € zurückgefordert.
Die Klägerin hat im Streitzeitraum keinen Anspruch auf deutsches Differenzkindergeld. Ihr grundsätzlich bestehender Kindergeldanspruch ist nicht geringer als die belgischen Familienleistungen. Die Klägerin hat zwar grundsätzlich für ihre Kinder Anspruch auf deutsches Kindergeld, da sie und ihre unter 18-jährigen Kinder bzw. ihr unter 25-jähriges in Schulausbildung befindliches Kind I ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Allerdings ist der gleichzeitig bestehende Anspruch des Ehemanns der Klägerin auf belgische Familienleistungen dem deutschen Kindergeld vorrangig.
Das Konkurrenzverhältnis von Familienleistungen innerhalb der EU wird in der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit vom 29.4.2004 geregelt. Für die Klägerin (und ihren Ehemann) ist als Staatsangehörige eines Mitgliedsstaats der persönliche (Art. 2 Abs. 1 EG-VO 883/2004) und hinsichtlich der Familienleistungen auch der sachliche Geltungsbereich (Art. 3 Abs. 1 j. EG-VO 883/2004) der Verordnung eröffnet. Art. 68 Abs. 2 EG-VO 883/2004 löst das Konkurrenzverhältnis insoweit, indem es die Familienleistungen des nachrangig verpflichteten Staates bis zur Höhe der Leistungen des vorrangig verpflichteten Staates aussetzt; erforderlichenfalls ist einen Unterschiedsbetrag (vorliegend Differenzkindergeld) zu gewähren.
Der Anspruch des Ehemanns der Klägerin auf Familienleistungen ist aufgrund seiner alleinigen Erwerbstätigkeit vorrangig nach Art. 68 Abs. 1 a) EG-VO 883/2004. Insoweit wird der deutsche Kindergeldanspruch der Klägerin nach Art. 68 Abs. 2 S. 1 und 2 EG-VO 883/2004 ausgesetzt. Der Klägerin war auch kein Differenzkindergeld zu gewähren. Denn das Finanzamt ist bei der Berechnung des Differenzkindergeldes zu Recht von einer Gesamtbetrachtung des für alle Kinder nach deutschem Recht zu zahlenden Monatsbetrags zum Monatsbetrag der gesamten belgischen Familienleistungen ausgegangen. Dies leitet der Senat aus den Erwägungsgründen zur EG-VO 883/2004 her. Nach dem Erwägungsgrund Nr. 35 will die Verordnung ungerechtfertigte Doppelleistungen vermeiden. Würde man jedoch eine Einzelbetrachtung für jedes Kind vornehmen, so könnte - wie hier - die Summe der Familienleistungen sowohl den Kindergeldanspruch im vorrangig zuständigen wie auch im nachrangig zuständigen Staat übersteigen und damit zu einer Leistungserhöhung führen.
Dies würde auch gegen den Erwägungsgrund 4 sprechen, wonach die Verordnung zu einer Koordination der Leistungen im System der sozialen Sicherheit führen und damit keine erhöhten Ansprüche begründen soll. Demnach war der Klägerin für I kein deutsches (Differenz-)Kindergeld zu gewähren, da sich die belgischen Familienleistungen für alle Kinder auf mtl. 1.328 € beliefen, die deutschen Kindergeldbeträge jedoch nur auf 1.203 €.
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