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Rechtsberatung

Geschäftsführer zur Einrichtung eines Compliance Management Systems verpflichtet

Das OLG Nürn­berg stellte klar, dass zu den Pflich­ten ei­nes Ge­schäftsführers auch die Schaf­fung von Com­pli­ance-Struk­tu­ren gehört. Bei ei­ner Ver­let­zung die­ser Ob­lie­gen­heit kann der Ge­schäftsführer gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG für den ent­stan­den Scha­den in An­spruch ge­nom­men wer­den.

Der Be­klagte ist Ge­schäftsführer der Kom­ple­mentär GmbH der Kläge­rin, ei­ner GmbH & Co. KG, de­ren Un­ter­neh­mens­ge­gen­stand ins­be­son­dere der Ver­trieb von Mi­ne­ralölpro­duk­ten ist. Die Kläge­rin gibt an ihre Kun­den Tank­kar­ten mit einem Kre­dit­li­mit aus, mit­tels de­rer die Fah­rer der Kun­den an ei­ner von der Kläge­rin be­trie­be­nen Tank­stelle auf Rech­nung bar­geld­los tan­ken können. Man­gels Kon­trolle der Ein­hal­tung des Kre­dit­li­mits kam es be­reits im Jahr 2006 zu For­de­rungs­ausfällen bei der Kläge­rin. Ei­nige Jahre später wa­ren er­neut meh­rere Kun­den auf­grund wirt­schaft­li­cher Schwie­rig­kei­ten nicht in der Lage, die Tan­krech­nun­gen zu be­glei­chen. Die­sen Um­stand ver­suchte ein Mit­ar­bei­ter der Kläge­rin un­ter an­de­rem durch fal­sche Zu­ord­nung der Tank­kar­ten zu ver­schlei­ern. So war es den Kun­den wei­ter­hin möglich, die Tank­kar­ten auch über das Kre­dit­li­mit hin­aus zu nut­zen, ohne die ent­stan­de­nen For­de­run­gen zu be­glei­chen. Da der Ge­schäftsführer keine Maßnah­men er­grif­fen hatte, um den scha­den­sträch­ti­gen Be­reich der Aus­gabe der Tank­kar­ten so­wie de­ren EDV-mäßige Ver­bu­chung und Zu­ord­nung an Kar­ten­kun­den zu über­wa­chen, ver­langt die Kläge­rin Scha­dens­er­satz.

Das OLG Nürn­berg be­jahte mit Ur­teil vom 30.03.2022 (Az. 12 U 1520/19) einen Scha­dens­er­satz­an­spruch der Ge­sell­schaft ge­gen den Ge­schäftsführer. Nach § 43 Abs. 1 GmbHG hat der Ge­schäftsführer in den An­ge­le­gen­hei­ten der Ge­sell­schaft die Sorg­falt ei­nes or­dent­li­chen Ge­schäfts­man­nes an­zu­wen­den. Dies ge­bie­tet es, eine in­terne Or­ga­ni­sa­ti­ons­struk­tur der Ge­sell­schaft zu schaf­fen, wel­che die Rechtmäßig­keit und Ef­fi­zi­enz ih­res Han­delns gewähr­leis­tet. Die Sorg­falts­pflicht kon­kre­ti­siert sich in­so­weit zu Un­ter­neh­mens­or­ga­ni­sa­ti­ons­pflich­ten.

Der Zi­vil­se­nat stellt ausdrück­lich fest, dass den Ge­schäftsführer die Ver­pflich­tung zur Ein­rich­tung ei­nes Com­pli­ance Ma­nage­ment Sys­tems trifft. Eine Pflicht­ver­let­zung kann in­so­weit schon dann vor­lie­gen, wenn durch un­zu­rei­chende Or­ga­ni­sa­tion, An­lei­tung bzw. Kon­trolle Straf­ta­ten oder sons­ti­ges Fehl­ver­hal­ten ermöglicht oder auch nur er­leich­tert wer­den. Ver­dachts­mo­men­ten muss der Ge­schäftsführer un­verzüglich nach­ge­hen. Zu der Über­wa­chungs­pflicht gehört zu­dem auch eine hin­rei­chende Kon­trolle, die nicht etwa erst dann er­fol­gen darf, wenn Missstände ent­deckt wor­den sind. Im Ein­zel­fall kann auch eine ge­stei­gerte Über­wa­chungs­pflicht be­ste­hen, ins­be­son­dere dann, wenn es im Un­ter­neh­men be­reits in der Ver­gan­gen­heit zu Un­re­gelmäßig­kei­ten ge­kom­men ist.

Nach An­sicht des OLG Nürn­berg re­du­ziert sich des­sen ef­fek­tive Über­wa­chungs­pflicht auf die ihm un­mit­tel­bar un­ter­stell­ten Mit­ar­bei­ter und de­ren Führungs- und Über­wa­chungs­ver­hal­ten, so­fern der Ge­schäftsführer seine Über­wa­chungs­auf­ga­ben de­le­giert. Aber auch bei mehr­stu­fi­ger Ver­tei­lung der Auf­sichts­pflich­ten ver­bleibt die sog. Ober­auf­sicht stets bei dem Ge­schäftsführer. Dazu gehört vor al­lem die Or­ga­ni­sa­ti­ons- und Sys­tem­ver­ant­wor­tung für die un­ter­neh­mens­in­ter­nen De­le­ga­ti­ons­pro­zesse.

Nach den Fest­stel­lun­gen des Ge­richts hat der be­klagte Ge­schäftsführer eine Pflicht­ver­let­zung be­gan­gen, in­dem er es un­ter­las­sen hat, Com­pli­ance-Struk­tu­ren zu schaf­fen, die ein rechtmäßiges und ef­fek­ti­ves Han­deln gewähr­leis­ten und die Be­ge­hung von Rechts­verstößen durch die Ge­sell­schaft oder de­ren Mit­ar­bei­ter – auch mit­tels Über­wa­chungs- und Kon­trollmaßnah­men – ver­hin­dern. Zu­dem ist ihm eine wei­tere Pflicht­ver­let­zung an­zu­las­ten, da er nicht ein­ge­schrit­ten ist, ob­wohl das rechts­wid­rige Ver­hal­ten des Mit­ar­bei­ters un­schwer er­kenn­bar und leicht zu ver­hin­dern ge­we­sen wäre.

Fa­zit:

Der 12. Zi­vil­se­nat des OLG Nürn­berg lässt kei­nen Zwei­fel daran, dass der Ge­schäftsführer ei­ner GmbH nach § 43 GmbHG zur Einführung ei­nes Com­pli­ance Ma­nage­ment Sys­tems ver­pflich­tet ist. Das Ur­teil zeigt zu­dem ein­mal mehr die prak­ti­sche Re­le­vanz an­ge­mes­se­ner, funk­tio­nie­ren­der Com­pli­ance Struk­tu­ren. Aus­rei­chende Kon­troll- und Über­wa­chungsmaßnah­men sind nicht nur un­erläss­lich, um et­waige zi­vil­recht­li­che Scha­dens­er­satz­an­sprüche ab­zu­wen­den. Viel­mehr tra­gen sie maßgeb­lich dazu bei, eine straf­recht­li­che Ver­fol­gung der Lei­tungs­per­so­nen, etwa we­gen ei­nes Bei­hilfe- oder Un­ter­las­sens­vor­wurfs, zu ver­hin­dern. Da­ne­ben müssen Un­ter­neh­mens­ver­ant­wort­li­che die er­for­der­li­chen Auf­sichtsmaßnah­men er­grei­fen, um ei­ner Sank­tio­nie­rung nach § 130 Abs. 1 OWiG vor­zu­beu­gen. Nach § 130 Abs. 1 Satz 2 OWiG gehören dazu auch die Be­stel­lung, sorgfältige Aus­wahl und Über­wa­chung von Auf­sichts­per­so­nen. Auf die­sem Wege kann das Ri­siko ei­ner et­wai­gen Geldbuße ge­gen das Un­ter­neh­men nach § 30 OWiG und ein da­mit ein­her­ge­hen­der emp­find­li­cher Re­pu­ta­ti­ons­scha­den er­heb­lich ver­rin­gert wer­den. Hier schützen häufig be­reits klare Struk­tu­ren und do­ku­men­tierte Pro­zesse vor behörd­li­chen Sank­tio­nen.

Wir un­terstützen Sie bei der Im­ple­men­tie­rung, Überprüfung und An­pas­sung von Com­pli­ance Ma­nage­ment Sys­te­men mit in­di­vi­du­ell auf Ihr Un­ter­neh­men zu­ge­schnit­te­nen Lösun­gen.

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