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Geschäftsführer-Versorgungsansprüche: Einwand des Rechtsmissbrauchs

BGH v. 2.7.2019 - II ZR 252/16

Eine GmbH kann An­sprüchen aus ei­ner ih­rem Ge­schäftsführer er­teil­ten Ver­sor­gungs­zu­sage nur dann den Ein­wand des Rechts­miss­brauchs ent­ge­gen­hal­ten, wenn der Ver­sor­gungs­be­rech­tigte seine Pflich­ten in so gro­ber Weise ver­letzt hat, dass sich die in der Ver­gan­gen­heit be­wie­sene Be­trieb­streue nachträglich als wert­los oder zu­min­dest er­heb­lich ent­wer­tet her­aus­stellt. Dies setzt vor­aus, dass die Ge­sell­schaft durch das grobe Fehl­ver­hal­ten des Begüns­tig­ten in eine ihre Exis­tenz be­dro­hende Lage ge­bracht wurde; ob im Ein­zel­fall die Zufügung ei­nes außer­or­dent­lich ho­hen Scha­dens genügen kann, kann of­fen­blei­ben.

Der Sach­ver­halt:
Der Kläger war mit 98 % Mehr­heits­ge­sell­schaf­ter und al­lei­ni­ger Ge­schäftsführer der be­klag­ten GmbH, die seit 1995 im Be­reich der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung tätig war. Im No­vem­ber 1999 er­teilte die Be­klagte dem Kläger eine Pen­si­ons­zu­sage. Der Kläger be­ab­sich­tigte nach Er­rei­chen des Ren­ten­al­ters, einen be­deu­ten­den Teil sei­ner Ge­schäfts­an­teile zu veräußern und zu­gleich sei­nen Söhnen S. und N. eine dau­er­hafte An­stel­lung als Ge­schäftsführer der Be­klag­ten zu ermögli­chen.

Im Juni 2013 veräußerte der Kläger 51 % der Ge­schäfts­an­teile an die zur K. -Un­ter­neh­mens­gruppe gehörende E. GmbH, die da­mit Mehr­heits­ge­sell­schaf­te­rin wurde. Im Juli 2013 schlos­sen die K., die E. GmbH, die Be­klagte und der Kläger einen Grund­la­gen­ver­trag. Die­ser re­gelte u.a. eine Über­lei­tung der Ge­schäfte der Be­klag­ten auf die K. Ab Au­gust 2013 soll­ten alle Leis­tun­gen der Be­klag­ten den Kun­den durch die K. in Rech­nung ge­stellt wer­den; die Pen­si­ons­ver­pflich­tun­gen soll­ten aber bei der Be­klag­ten ver­blei­ben. Ver­ein­bart wur­den fer­ner der Ab­schluss ei­nes Be­ra­ter­ver­trags zwi­schen der K. und dem Kläger so­wie eine li­qui­ditätsabhängige Be­tei­li­gung des Klägers am Um­satz der K. mit Alt­man­dan­ten. Im Zu­sam­men­hang mit der An­teils­veräußerung wur­den ne­ben dem Kläger des­sen Söhne so­wie der Ge­schäftsführer der E. GmbH zu wei­te­ren Ge­schäftsführern der Be­klag­ten be­stellt.

Ab Au­gust 2013 kam es zu Strei­tig­kei­ten auf meh­re­ren Ebe­nen, die in ein nach­hal­ti­ges Zerwürf­nis zwi­schen dem Kläger und dem Ge­schäftsführer der E. GmbH münde­ten. Noch im Au­gust 2013 verpfändete der Kläger na­mens der Be­klag­ten zu sei­nen Guns­ten Vermögens­werte der Be­klag­ten, die zur De­ckung der Pen­si­ons­zu­sage de­po­niert wa­ren. Nach­dem die Pen­si­ons­zah­lung für Sep­tem­ber 2013 aus­ge­blie­ben war, teilte der Kläger der Be­klag­ten mit, dass er von sei­nem be­strit­te­nen Recht auf Ka­pi­tal­ab­fin­dung Ge­brauch ma­che und ver­an­lasste den Trans­fer der zu sei­nen Guns­ten verpfände­ten Vermögens­werte auf ein für ihn und seine Ehe­frau geführ­tes Konto. Die Be­klagte nahm den Kläger in einem Par­al­lel­ver­fah­ren er­folg­reich auf Rücker­stat­tung in An­spruch.

Im Sep­tem­ber 2013 ver­wei­ger­ten der Kläger und seine Söhne ih­nen be­kann­ten Mit­ar­bei­tern der E. GmbH den Zu­tritt zu den Ge­schäftsräumen der Be­klag­ten. Kurz dar­auf be­schloss die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung der Be­klag­ten mehr­heit­lich, den Ver­wal­tungs­sitz zu ver­le­gen. Der Kläger, der die­sen Be­schluss für un­wirk­sam hielt, wei­gerte sich, seine Tätig­keit an dem neuen Ort auf­zu­neh­men. Die ge­gen den Ge­sell­schaf­ter­be­schluss ge­rich­tete An­fech­tungs­klage des Klägers hatte im Er­geb­nis kei­nen Er­folg.

Mit einem Rund­schrei­ben aus Ok­to­ber 2013 wandte sich der Kläger an Kun­den der Be­klag­ten und teilte mit, er sei als Ge­schäftsführer der Be­klag­ten bis auf wei­te­res nicht mehr un­ter der be­kann­ten Fest­netz­num­mer, son­dern nur noch un­ter sei­ner näher be­zeich­ne­ten Mo­bil­fun­knum­mer er­reich­bar. In ei­ner an­schließen­den Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung wurde der Kläger als Ge­schäftsführer ab­be­ru­fen. Wei­ter wurde be­schlos­sen, die dem Kläger er­teilte Pen­si­ons­zu­sage zu wi­der­ru­fen. Die­sen Be­schluss hat der Kläger in einem Par­al­lel­ver­fah­ren er­folg­reich an­ge­foch­ten. In der Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung aus No­vem­ber 2013 wurde zu TOP 4 die Bestäti­gung des Ge­sell­schaf­ter­be­schlus­ses aus Ok­to­ber 2013 über den Wi­der­ruf der dem Kläger er­teil­ten Pen­si­ons­zu­sage be­schlos­sen; wei­ter wurde be­schlos­sen, den Wi­der­ruf vor­sorg­lich er­neut zu erklären.

Während die­ser Zeit wurde der Kläger im Be­reich der be­trieb­li­chen Al­ters­ver­sor­gung bei einem Kon­kur­renz­un­ter­neh­men tätig. Dem­ge­genüber hat die Be­klagte ihre Ge­schäftstätig­keit mitt­ler­weile ein­ge­stellt. Sie er­hebt den Vor­wurf, dass der Kläger und seine Söhne die Be­stands­kun­den der Be­klag­ten bzw. die für die Kun­den­wer­bung maßge­ben­den "Mul­ti­pli­ka­to­ren" auf das neue Un­ter­neh­men über­ge­lei­tet hätten.

Die An­fech­tungs­klage war teil­weise er­folg­reich. Mit sei­ner vom OLG zu­ge­las­se­nen Re­vi­sion ver­folgte der Kläger nur noch die An­fech­tung des zu TOP 4 zum er­neu­ten Wi­der­ruf der Pen­si­ons­zu­sage ge­fass­ten Ge­sell­schaf­ter­be­schlus­ses wei­ter. Der BGH hob die Be­ru­fungs­ent­schei­dung auf und wies die Sa­che an das OLG zurück.

Gründe:
Der an­ge­grif­fene Ge­sell­schaf­ter­be­schluss zum "Wi­der­ruf" der Pen­si­ons­zu­sage kann nur Be­stand ha­ben, wenn die Ver­pflich­tun­gen der Be­klag­ten aus der Pen­si­ons­zu­sage nicht mehr be­ste­hen oder die Be­klagte eine Erfüllung die­ser Ver­pflich­tun­gen ver­wei­gern, ins­be­son­dere dem Kläger den Ein­wand des Rechts­miss­brauchs ent­ge­gen­hal­ten kann. Die Vor­aus­set­zun­gen hierfür sind nach den vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­trof­fe­nen Fest­stel­lun­gen nicht erfüllt.

Nach ge­fes­tig­ter Recht­spre­chung des Se­nats sind Ver­sor­gungs­zu­sa­gen nur dann dem durch­grei­fen­den Rechts­miss­brauchsein­wand aus­ge­setzt, wenn der Pen­si­ons­be­rech­tigte seine Pflich­ten in so gro­ber Weise ver­letzt hat, dass sich die in der Ver­gan­gen­heit be­wie­sene Be­trieb­streue nachträglich als wert­los oder zu­min­dest er­heb­lich ent­wer­tet her­aus­stellt. Dies setzt vor­aus, dass die Ge­sell­schaft durch das grobe Fehl­ver­hal­ten des Begüns­tig­ten in eine ihre Exis­tenz be­dro­hende Lage ge­bracht wurde; ob im Ein­zel­fall die Zufügung ei­nes außer­or­dent­lich ho­hen Scha­dens genügen kann, kann of­fen­blei­ben.

Die Erfüllung die­ser recht­li­chen Vor­aus­set­zun­gen hat das Be­ru­fungs­ge­richt al­ler­dings nicht fest­ge­stellt. Zwar mag eine exis­tenz­be­dro­hende Lage der Be­klag­ten an­zu­neh­men sein. Es fehlt aber an der Fest­stel­lung, dass die Exis­tenz­gefähr­dung maßge­bend auf grobe Pflicht­ver­let­zun­gen des Klägers zurück­zuführen ist. Die Fest­stel­lun­gen zur Ein­fluss­nahme auf das Kun­den­ver­hal­ten, na­ment­lich im Zu­sam­men­hang mit der Tätig­keit des Klägers für das Kon­kur­renz­un­ter­neh­men genügten nicht.

Das Be­ru­fungs­ge­richt hat sich dar­auf be­schränkt, ein­zelne, ei­ner Exis­tenz­gefähr­dung der Be­klag­ten vor­ge­la­gerte Umstände fest­zu­stel­len, die dem Kläger vor­zu­wer­fen seien und seine langjährige Tätig­keit für die Be­klagte ent­wer­te­ten. Die an­ge­spro­che­nen Ver­hal­tens­wei­sen des Klägers wie seine ver­wei­gerte Teil­nahme an der Ver­le­gung des Ver­wal­tungs­sit­zes, das Auf­recht­er­hal­ten ei­nes persönli­chen Kon­tak­tes zu Kun­den der Be­klag­ten so­wie die Tätig­keit des Klägers für das an­dere Un­ter­neh­men stel­len zwar Umstände dar, die zu ei­ner wirt­schaft­li­chen Schwächung der Be­klag­ten bei­ge­tra­gen ha­ben können. Ohne eine nähere Be­wer­tung der je­wei­li­gen Aus­wir­kun­gen un­ter Berück­sich­ti­gung mögli­cher Al­ter­na­tiv­ur­sa­chen recht­fer­ti­gen diese Umstände aber nicht die Schluss­fol­ge­rung, dass die exis­tenz­be­dro­hende Lage der Be­klag­ten im We­sent­li­chen dem Kläger an­zu­las­ten sei.

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