Im Bereich der Krankenhaus- und vertragsärztlichen Versorgung sind folgende relevante Änderungen zu beachten:
Ersteinschätzungsverfahren für die ambulante Notfallbehandlung
Eingeführt wird ein einheitliches Ersteinschätzungsverfahren für die ambulante Notfallbehandlung im Krankenhaus. Positiv zu bewerten ist zunächst das damit verfolgte Ziel, die Krankenhäuser zu entlasten und Patienten in die richtige Versorgungsebene zu leiten.
Der Gesetzgeber sieht vor, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) Vorgaben für ein qualifiziertes und standardisiertes Ersteinschätzungsverfahren für ambulante Notfallbehandlungen in Krankenhäusern entwickelt. Das Verfahren setzt die Krankenhäuser aber dadurch unter Druck, dass die Anwendung des Ersteinschätzungsverfahrens künftig Voraussetzung für die Abrechnung ambulanter Notfallleistungen ist. Eine Vergütung ambulanter Leistungen zur Behandlung von Notfällen findet nur dann statt, wenn zuvor in dem gesonderten Ersteinschätzungsverfahren die sofortige ambulante Behandlungsnotwendigkeit festgestellt wurde.
Mit der Neuregelung versucht der Gesetzgeber, Patienten zielgerichtet zu Haus- und Fachärzten zu steuern. Fraglich ist aber bereits, ob mit der Neuregelung eine sachgerechte Zuordnung der Patienten zu der richtigen Versorgungsebene sowie eine damit einhergehende wünschenswerte Entlastung der Notfallambulanzen der Krankenhäuser sichergestellt werden kann. Demgegenüber zeichnet sich klar ab, dass der Bürokratieaufwand der Krankenhäuser ein weiteres Mal erhöht wird. Tatsächlich wäre ein stärkerer Fokus auf eine wirtschaftlich tragfähige und nachhaltige Finanzierungslösung wünschenswert gewesen. Aufgrund der aktuellen Situation, dass Patienten häufig in der Notaufnahme der Krankenhäuser vorstellig werden, weil sie im niedergelassenen Bereich keine zeitnahe Versorgung erhalten können, bleibt abzuwarten, inwieweit die Krankenhäuser durch diese Regelung tatsächlich eine Entlastung im Patientenaufkommen erfahren.
Übergangspflege im Krankenhaus
Zu begrüßen ist die Einführung des neuen § 39e SGB V, der einen Anspruch auf stationäre Übergangspflege begründet. Mit Inkrafttreten des GVWG sind Krankenhäuser nunmehr berechtigt, Leistungen der Kurzzeitpflege zu erbringen und bei den Krankenkassen abzurechnen, sofern eine Anschlussversorgung nicht oder nur unter erheblichem Aufwand sichergestellt werden kann. Die Übergangspflege muss im behandelnden Krankenhaus erbracht werden und kann für höchstens zehn Tage beansprucht werden. Sie umfasst die Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, die Aktivierung der Versicherten, die Grund- und Behandlungspflege, ein Entlassmanagement, Unterkunft und Verpflegung sowie die im Einzelfall erforderliche ärztliche Behandlung.
Die Neuregelung sorgt primär für eine Verbesserung der medizinischen Versorgung für Patienten. Aber auch den Krankenhäusern wird ein gewisser Druck genommen. Bei Überschreiten der Grenzverweildauer können sie jetzt auf eine explizite Kostenregelung zurückgreifen, die bislang fehlte. Auch im Hinblick auf die bestimmte Bettenbelegung im Krankenhaus kann die Neuregelung für mehr Planungssicherheit sorgen. Schwierigkeiten in der kritischen Phase zwischen stationärer Krankenhausversorgung und weitergehender medizinischer, rehabilitativer oder pflegerischer Versorgung können so etwas abgemildert werden und werden nicht mehr allein auf dem Rücken der Krankenhäuser ausgetragen. Hinsichtlich des Anspruchs auf Erstattungen durch die Übergangspflege wird es aber maßgeblich auf eine sorgfältige und ausführliche Dokumentation der Krankenhäuser ankommen. Da die Einführung der Übergangspflege im SGB V verortet worden ist, bleibt die Handhabung bei privatversicherten Patienten derzeit noch ungeregelt.
Neue Mindestmengenregelungen und verbindliche Qualitätsverträge
In der Krankenhausversorgung werden neue Bereiche für Mindestmengen festgelegt. Der neue § 136b SGB V sieht vor, dass bis zum 31.12.2023 vier weitere Leistungen bzw. Leistungsbereiche durch den G-BA festgelegt werden sollen. Gestrichen wurde der alte § 136b Abs. 3 SGB V, wonach eine Unterschreitung der Mindestmengen ausnahmsweise bei nachgewiesener hoher Qualität möglich war. Gemäß § 136b Abs. 5 SGB V n. F. können zur Sicherstellung der Versorgung zwar weiterhin Ausnahmen von den Mindestmengen durch die zuständige Landesbehörde auf Antrag des Krankenhauses erteilt werden, allerdings nur im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen.
Der Gesetzgeber verfolgt mit dieser Neureglung die Möglichkeit, Mindestmengen besser durchzusetzen, und das Ziel, die Qualitätssicherung in der Krankenhausversorgung zu verbessern. Die Abschaffung von Ausnahmetatbeständen bei den Mindestmengenregelungen kann jedoch einer flächendeckenden und qualitätsorientierten Versorgung in ländlicheren Gebieten gerade auch entgegenstehen, da eine geringfügige Unterschreitung der Mindestmengen nicht zwingend damit gleichzusetzen ist, dass die Qualität der Leistung sinkt und einer Gelegenheitsversorgung entspricht.
Qualitätsverträge zwischen Krankenkassen und Kliniken werden verbindlicher geregelt. Gemäß § 110a Abs. 1 Satz 1 SGB V n. F. haben die Krankenkassen und Krankenhäuser zu von dem G-BA festgelegten vier Leistungen bzw. Leistungsbereichen Qualitätsverträge abzuschließen. Für diese Anwendungsbereiche sollen die Elemente der qualitätsorientierten Vergütung stärker erprobt werden. Welchen Einfluss die neue Verbindlichkeit auf die Verbesserung der medizinischen Versorgung hat und ob sich diese zugunsten der Krankenhäuser auswirkt, ist ungewiss.
Mehr Transparenz und Qualität in der Versorgung
Für den Gesetzgeber war handlungsleitend, die Transparenz und Qualität der Krankenhaus- und vertragsärztlichen Versorgung zu verbessern.
Konkret wird der G-BA mit dem neu eingefügten § 136a Abs. 6 SGB V bis Ende nächsten Jahres verpflichtet, einheitliche Anforderungen für die Information der Öffentlichkeit durch einrichtungsbezogene Vergleiche der zugelassenen Krankenhäuser und - ab jetzt auch auf ambulanter Ebene - der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte festzulegen. Dabei muss die Veröffentlichung der Auswertungsergebnisse der bereits verarbeiteten Daten einrichtungsbezogen und regelmäßig erfolgen.
Die Förderung der Transparenz in der Krankenhausversorgung, soll u. a. durch mehr Informationen über den Pflegepersonaleinsatz in den Krankenhäusern erreicht werden. Dazu werden für jeden Krankenhaus-Standort die Pflegepersonalquotienten ermittelt und künftig auf der Internetseite des Instituts für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) veröffentlicht. Das Verhältnis von eingesetztem Pflegepersonal zum Pflegeaufwand wird mit dieser Neuregelung deutlich. Um konkurrenzfähig zu bleiben, sind Krankenhäuser daher angehalten, auf einen angemessenen Ausgleich zwischen Personaleinsatz und Pflegebedarf zu achten.
Weitere Möglichkeiten für eine Verbesserung der Transparenz sah der Gesetzgeber zudem im Bereich der Patientenbefragungen in der Krankenhausversorgung. Durch die Änderung des § 299 Abs. 4 SGB V zur Datenerhebung durch den G-BA wird die Patientenbefragung weiterentwickelt und kann in Zukunft auch digital genutzt werden.
Ausweitung des Zweitmeinungsverfahrens
Ab dem 01.01.2022 soll der G-BA jährlich mindestens zwei weitere Eingriffe bestimmen, für die ein Anspruch der Versicherten auf Einholung einer unabhängigen ärztlichen Zweitmeinung gemäß der Neufassung in § 27b Abs. 2 SGB V besteht.
Implementierung eines Modellvorhabens im Bereich Onkologie
Das GVWG sieht vor, ein bundeseinheitlich durchzuführendes Modellvorhaben zur umfassenden Diagnostik und Therapiefindung mittels Genomsequenzierung im Bereich der Onkologie bzw. seltenen Krankheiten zu implementieren. Besonders hervorzuheben und begrüßenswert ist hier die darauf aufbauende Datenzusammenführung der gesammelten klinischen und genomischen Daten in einer bundesweiten Dateninfrastruktur. Die im Rahmen des Modellvorhabens gewonnenen Daten können so leichter analysiert werden und tragen zur Verbesserung der medizinischen Versorgung bei. Von den Krankenhäusern weiterhin im Blick zu behalten sind die datenschutzrechtlichen Anforderungen an die Umsetzung des Modellvorhabens.
Refinanzierungsmöglichkeiten für klinische Sektionen
Mit Streichung des § 9 Abs. 1a Nr. 3 KHEntgG fallen die zur Qualitätssicherung erforderliche Sektionsrate und die Kriterien für die Auswahl der zu obduzierenden Todesfälle weg. Dagegen soll über den vom InEK kalkulierten Zuschlag jede durchgeführte klinische Sektion, die die für die Qualitätssicherung erforderlichen Mindestanforderungen erfüllt, refinanziert werden. Dabei sind im Zuschlag für klinische Sektionen die vom InEK kalkulierten Kosten in voller Höhe zu berücksichtigen.
Außerdem: Änderung der Zulassungsverordnung für Vertrags(-zahn)ärzte
Ferner ist die leicht zu übersehende Änderung der Zulassungsverordnung für Vertrags(-zahn)ärzte zu beachten. Gemäß § 95e SGB V n. F. besteht nun eine Berufshaftpflichtversicherung für Vertrags(-zahn)ärzte. Der Zulassungsausschuss prüft, ob ein ausreichender Versicherungsschutz bei einem Antrag auf Zulassung, Ermächtigung oder Anstellung besteht. Bei bereits zugelassenen Vertrags(-zahn)ärzten wird der zuständige Zulassungsausschuss verpflichtet, diesen Nachweis nachzufordern. Hiermit soll der Patientenschutz gestärkt werden, sollte es in Folge einer Berufspflichtverletzung im Ausnahmefall zu einem Wegfall eines solventen Leistungserbringers kommen. Wird der Nachweis nicht erbracht, kann der Zulassungsausschuss das Ruhen der Zulassung und nach Ablauf von zwei Jahren nach dem Beschluss die Entziehung der Zulassung beschließen.
Fazit
Das GVWG bringt viele und in Teilen umstrittene Änderungen mit erheblichem Konfliktpotential mit sich. Der Gesetzgeber beabsichtigt, mit dem Sammelgesetz allgemein den äußeren Rahmen der Gesundheitsversorgung weiter zu stärken. In welchem Umfang dies mit dem vorliegenden Maßnahmenpaket erreicht werden kann oder die tägliche Arbeit der Leistungserbringer erschwert wird, bleibt abzuwarten.
Bereits jetzt ist klar: Die Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen bleibt nach wie vor notwendig.