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Steuerberatung

Gesonderte Feststellung nach § 17 Abs. 3 GrEStG

BFH 30.8.2017, II R 39/15

Ge­gen­stand der ge­son­der­ten Fest­stel­lung nach § 17 Abs. 3 GrEStG ist auch der Zeit­punkt, auf den der Grund­be­sitz der Per­so­nen­ge­sell­schaft zu be­wer­ten ist. Die bloße Voll­macht zur Ausübung der Rechte aus einem Ge­sell­schafts­an­teil so­wie zu des­sen Veräußerung und Ab­tre­tung genügt nicht für An­teilsüberg­ang nach § 1 Abs. 2a GrEStG.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist eine GmbH & Co. KG. Al­lei­nige Kom­man­di­tis­tin war eine KG. Die Kom­ple­mentär-GmbH war nicht am Ge­sell­schafts­ka­pi­tal der Kläge­rin be­tei­ligt. Mit no­ta­ri­ell be­ur­kun­de­tem Ver­trag vom 12.4.2005 über­trug die KG von ih­rer Kom­man­dit­be­tei­li­gung an der Kläge­rin von no­mi­nal 1.000 € einen An­teil von je­weils 470 €, ins­ge­samt 940 EUR = 94 %, auf A und B. Die Ab­tre­tung der Kom­man­dit­be­tei­li­gung er­folgte un­ter ver­schie­de­nen auf­schie­ben­den Be­din­gun­gen, nämlich der Ein­tra­gung des eben­falls ver­ein­bar­ten Kom­ple­mentärwech­sels und der Käufer als neue Kom­man­di­tis­ten im Han­dels­re­gis­ter so­wie der vollständi­gen Zah­lung des Kauf­prei­ses. Der Kauf­preis wurde am 30.11.2005 be­zahlt. Der Kom­ple­mentärwech­sel wurde am 28.2.2006 und der Kom­man­di­tis­ten­wech­sel am 7.3.2006 im Han­dels­re­gis­ter ein­ge­tra­gen.

Am 25. Mai 2005 er­teilte die KG den bei­den Er­wer­bern A und B un­ter Be­zug­nahme auf den Ver­trag vom 12.4.2005 je­weils ein­zeln und un­ter Be­frei­ung von § 181 BGB eine um­fas­sende, un­be­fris­tete und un­wi­der­ruf­li­che und et­waige Rechts­nach­fol­ger bin­dende Voll­macht. Da­nach wa­ren die Be­vollmäch­tig­ten je ein­zeln und un­wi­der­ruf­lich be­fugt, die Ge­sell­schaf­ter­rechte bei der Kläge­rin auszuüben, ins­be­son­dere das Stimm­recht in Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lun­gen wahr­zu­neh­men, die KG bei sat­zungsändern­den Ge­sell­schaf­ter­be­schlüssen zu ver­tre­ten und in de­ren Na­men auf Ge­winn­ver­tei­lungs­an­sprüche zu ver­zich­ten. Fer­ner wa­ren die Be­vollmäch­tig­ten be­rech­tigt, den von der KG an der Kläge­rin ge­hal­te­nen Kom­man­dit­an­teil zu veräußern, ab­zu­tre­ten, die Be­din­gun­gen der Veräußerung oder Ab­tre­tung fest­zu­le­gen und ggf. auf eine Ge­gen­leis­tung völlig zu ver­zich­ten.

Das Fi­nanz­amt stellte nach § 17 GrEStG die Be­steue­rungs­grund­la­gen "für den Er­werb von min­des­tens 95 % der An­teile an der Kläge­rin durch Ver­trag vom 25.5.2005" ge­son­dert fest. In den Erläute­run­gen führte es aus, bei dem Ver­trag vom 12.4.2005 i.V.m. mit der no­ta­ri­el­len Ur­kunde vom 25.5.2005 handle es sich um eine steu­er­pflich­tige Ände­rung im Ge­sell­schaf­ter­be­stand der Kläge­rin nach § 1 Abs. 2a GrEStG. Die Steuer sei am 25.5.2005 mit dem Ein­tritt des letz­ten zur Tat­be­stands­erfüllung er­for­der­li­chen Teil­akts ent­stan­den. Mit der Ver­ein­ba­rung vom 25.5.2005 hätten die Er­wer­ber die un­ein­ge­schränkte Verfügungs­macht über die rest­li­chen 6 % der Ge­sell­schafts­an­teile und so­mit die Verfügungs­be­fug­nis an den Grundstücken der Ge­sell­schaft er­langt.

Das FG wies die hier­ge­gen ge­rich­tete Klage ab. Auf die Re­vi­sion der Kläge­rin hob der BFH das Ur­teil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Der Fest­stel­lungs­be­scheid ist rechts­wid­rig, weil er auf einen un­zu­tref­fen­den Fest­stel­lungs­zeit­punkt er­gan­gen ist. Zu­dem hat die Er­tei­lung der Voll­mach­ten vom 25.5.2005 ent­ge­gen der Auf­fas­sung des FG nicht zu ei­ner mit­tel­ba­ren Ände­rung des Ge­sell­schaf­ter­be­stan­des der Kläge­rin i.S.v. § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG geführt.

Eine un­mit­tel­bare Ände­rung des Ge­sell­schaf­ter­be­stan­des ei­ner grund­be­sit­zen­den Per­so­nen­ge­sell­schaft liegt vor, wenn ein Mit­glied­schafts­recht an der Ge­sell­schaft zi­vil­recht­lich wirk­sam auf ein neues Mit­glied der Per­so­nen­ge­sell­schaft über­geht. Der Tat­be­stand des § 1 Abs. 2a GrEStG ist da­nach erst in dem Zeit­punkt erfüllt, in dem die Ge­sell­schafts­an­teile ding­lich auf die neuen Er­wer­ber über­ge­hen. Bei ei­ner Ände­rung des Ge­sell­schaf­ter­be­stan­des ei­ner grund­be­sit­zen­den Per­so­nen­ge­sell­schaft von min­des­tens 95 % (§ 1 Abs. 2a GrEStG) wer­den nach § 17 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GrEStG die Be­steue­rungs­grund­la­gen durch das Fi­nanz­amt, in des­sen Be­zirk sich die Ge­schäfts­lei­tung der Ge­sell­schaft be­fin­det, ge­son­dert fest­ge­stellt, wenn ein außer­halb des Be­zirks die­ses Fi­nanz­amts lie­gen­des Grundstück be­trof­fen ist. Ge­gen­stand der ge­son­der­ten Fest­stel­lung nach § 17 Abs. 3 GrEStG sind die Be­steue­rungs­grund­la­gen. Zu die­sen gehört in den Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG die ver­bind­li­che Ent­schei­dung über die Steu­er­pflicht dem Grunde nach, über die als Steu­er­schuld­ner in Be­tracht kom­men­den Per­so­nen und über die Fi­nanzämter, die zur Steu­er­fest­set­zung be­ru­fen sind.

Ge­son­dert fest­zu­stel­len ist auch der Zeit­punkt, auf den der Grund­be­sitz der Per­so­nen­ge­sell­schaft nach § 8 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GrEStG zu be­wer­ten ist. Dies ist nach § 138 Abs. 1 S. 2 BewG in der im Jahr 2005 gel­ten­den Fas­sung der Zeit­punkt der Steu­er­ent­ste­hung (§ 38 AO, § 14 GrEStG), so­weit nicht ei­ner der in § 8 Abs. 2 S. 2 GrEStG ge­re­gel­ten Son­derfälle vor­liegt. Im Streit­fall war der streit­be­fan­gene Fest­stel­lungs­be­scheid rechts­wid­rig, da mit ihm ausdrück­lich fest­ge­stellt wurde, dass ein Er­werbs­vor­gang nach § 1 Abs. 2a GrEStG ver­wirk­licht wor­den war. Dies er­folgte je­doch erst zu einem späte­ren Zeit­punkt mit Ein­tritt al­ler auf­schie­ben­den Be­din­gun­gen. Denn die "mit­tel­bare" Ände­rung des Ge­sell­schaf­ter­be­stan­des ei­ner grund­be­sit­zen­den Per­so­nen­ge­sell­schaft i.S.d. § 1 Abs. 2a GrEStG ist - im Ge­gen­satz zur un­mit­tel­ba­ren Ände­rung - nur nach wirt­schaft­li­chen Maßstäben zu be­ur­tei­len. Da­bei kann für die nach wirt­schaft­li­chen Ge­sichts­punk­ten vor­zu­neh­mende Zu­rech­nungs­ent­schei­dung un­ter Be­ach­tung grund­er­werb­steu­er­recht­li­cher Be­son­der­hei­ten auf die Grundsätze des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO zurück­ge­grif­fen wer­den.

In Fällen der Ver­ein­ba­rung ei­ner "Dop­pel­op­tion", bei der dem Käufer ein An­kaufs­recht und zu­gleich dem Verkäufer ein An­die­nungs­recht zu je­weils fest­ste­hen­den Kon­di­tio­nen ein­geräumt wird, liegt wirt­schaft­li­ches Ei­gen­tum hin­sicht­lich nicht über­tra­ge­ner Ge­sell­schafts­an­teile nur vor, wenn der Er­wer­ber auf­grund ei­nes (bürger­lich-recht­li­chen) Rechts­ge­schäfts be­reits eine recht­lich ge­schützte, auf den Er­werb des Rechts ge­rich­tete Po­si­tion er­wor­ben hat, die ihm ge­gen sei­nen Wil­len nicht mehr ent­zo­gen wer­den kann, und die mit dem An­teil ver­bun­de­nen we­sent­li­chen Rechte so­wie das Ri­siko ei­ner Wert­min­de­rung und die Chance ei­ner Wert­stei­ge­rung auf ihn über­ge­gan­gen sind. Das­selbe gilt bei der Ver­ein­ba­rung ei­nes Treu­hand­verhält­nis­ses. Da­nach ändert sich der Ge­sell­schaf­ter­be­stand ei­ner grund­be­sit­zen­den Per­so­nen­ge­sell­schaft nach § 1 Abs. 2a S. 1 GrEStG mit­tel­bar, wenn ein an der Per­so­nen­ge­sell­schaft un­mit­tel­bar be­tei­lig­ter Ge­sell­schaf­ter mit einem oder meh­re­ren Treu­ge­bern ver­ein­bart, den Ge­sell­schafts­an­teil treuhände­ri­sch für die Treu­ge­ber zu hal­ten, und die Treu­hand­ver­ein­ba­run­gen im maßgeb­li­chen Fünf­jah­res­zeit­raum dazu führen, dass den Treu­ge­bern min­des­tens 95 % der An­teile am Ge­sell­schafts­vermögen der Per­so­nen­ge­sell­schaft als neuen Ge­sell­schaf­tern zu­zu­rech­nen sind.

Die Einräum­ung ei­ner um­fas­sen­den, un­wi­der­ruf­li­chen Voll­macht zur Ausübung der Rechte aus einem Ge­sell­schafts­an­teil reicht dem­ge­genüber nicht aus, um eine mit­tel­bare Ände­rung des Ge­sell­schaf­ter­be­stan­des im Hin­blick auf den von der Voll­macht um­fass­ten Ge­sell­schafts­an­teil an­zu­neh­men. In­so­weit wird dem Be­vollmäch­tig­ten nur die bloße Möglich­keit ein­geräumt, die we­sent­li­chen Ge­sell­schaf­ter­rechte für den Ge­sell­schaf­ter wahr­zu­neh­men. Es genügt auch nicht, wenn der Be­vollmäch­tigte zu­dem be­rech­tigt ist, den Ge­sell­schafts­an­teil auf sich ohne Ge­gen­leis­tung zu über­tra­gen. Die we­sent­li­chen Rechte des Ge­sell­schaf­ters, nämlich ins­be­son­dere die Stimm­rechte und das Ge­winn­stamm­recht sind da­mit ge­rade nicht auf den Be­vollmäch­tig­ten über­ge­gan­gen.

Link­hin­weis:

  • Der Voll­text der Ent­schei­dung ist auf der Home­page des BFH veröff­ent­licht.
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