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Corona-Unterstützungsmaßnahmen: Gesundes Unternehmen vor Zeiten der Corona-Krise?

Die ge­genwärtige CO­VID-19-Pan­de­mie bringt nicht nur un­ser Ge­sund­heits­we­sen an seine Gren­zen. Auch die Wirt­schaft lei­det un­ter der mas­si­ven Aus­brei­tung des Coro­na­vi­rus und den verhäng­ten Schutzmaßnah­men. So kann eine Viel­zahl von Un­ter­neh­men schon jetzt oder in na­her Zu­kunft seine Schul­den nicht mehr be­glei­chen - es dro­hen exis­ten­zi­elle Nöte. Der Ge­setz­ge­ber hat um­ge­hend rea­giert und in Eil­ver­fah­ren zahl­rei­che Maßnah­men auf den Weg ge­bracht, um Un­ter­neh­men in die­ser exis­tenz­be­dro­hen­den Si­tua­tion zu stützen.

Wir spre­chen mit Bern­hard Stef­fan, Wirt­schaftsprüfer, Steu­er­be­ra­ter, Part­ner bei Eb­ner Stolz in Stutt­gart und Vor­sit­zer des Fach­aus­schus­ses Sa­nie­rung und In­sol­venz des In­sti­tuts der Wirt­schafts­prü­fer (IDW FAS), wel­che Kri­te­rien erfüllt wer­den müssen, um an staat­li­che Un­terstützungs­leis­tun­gen zu er­hal­ten.

Bernhard Steffan, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Ebner Stolz Stuttgart© Bernhard Steffan, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Partner bei Ebner Stolz

Herr Steffan, welche sind die wesentlichen Maßnahmen, die umgesetzt wurden, um Unternehmen in dieser wirtschaftlich prekären Situation unter die Arme zu greifen?

Der Ge­setz­ge­ber hat mit dem sog. Corona-In­sol­venz-Aus­set­zungs­ge­set­zes (CO­RIn­sAG) in noch nie da­ge­we­se­ner Ge­schwin­dig­keit die recht­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen und dar­auf auf­bau­end zahl­rei­che nach­fol­gende wirt­schaft­li­che Un­terstützungsmaßnah­men für die Un­ter­neh­men, die sich auf­grund der Corona-Krise in ei­ner wirt­schaft­li­chen Not­lage be­fin­den, auf den Weg ge­bracht.

Die we­sent­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen wa­ren zum einen die Aus­set­zung der In­sol­venz­an­trags­pflicht zunächst bis zum 30.9.2020, da­mit die Un­ter­neh­men, die auf­grund der Corona-Krise ih­ren Zah­lungs­ver­pflich­tun­gen tem­porär nicht mehr nach­kom­men können, nicht in die In­sol­venz rut­schen und da­mit vom Markt ver­schwin­den. Zum an­de­ren wurde die Haf­tung für Zah­lungs­ver­bote aus­ge­setzt, da­mit Ge­schäftsführer im Falle der In­sol­venz­reife der Ge­sell­schaft nicht in die persönli­che Haf­tung ge­ra­ten. Und schließlich wurde die In­sol­venz­an­fech­tung aus­ge­setzt, da­mit Li­qui­ditätshil­fen auch rechts­si­cher von Drit­ter Seite ge­ge­ben wer­den können.

Um die von der Corona-Krise be­trof­fe­nen Un­ter­neh­men auf der Aus­ga­ben­seite zu ent­las­ten, wur­den par­al­lel die Vor­aus­set­zun­gen für li­qui­ditäts­scho­nende Maßnah­men wie bspw. die Stun­dung von Miet­zah­lun­gen und Steuer- und So­zi­al­ver­si­che­rungs­beiträgen ge­schaf­fen. Daran schließen sich insb. die Li­qui­ditätshil­fen der KfW an.

Um diese Maßnahmen in Anspruch nehmen zu können, müssen die betroffenen Unternehmen bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Welche sind dies konkret?

Um von der In­sol­venz­an­trags­pflicht ent­bun­den zu sein, muss die In­sol­venz­reife auf die Aus­wir­kun­gen der Corona-Krise zurück­zuführen sein und es muss die Aus­sicht be­ste­hen, einen da­nach ein­ge­tre­te­nen In­sol­venz­grund zu be­sei­ti­gen. Da es in der Pra­xis schwie­rig sein kann nach­zu­wei­sen, ob ein In­sol­venz­an­trags­grund auf den Aus­wir­kun­gen der Corona-Krise be­ruht, ar­bei­tet der Ge­setz­ge­ber zu Guns­ten der Un­ter­neh­men mit ei­ner Ver­mu­tungs­re­ge­lung. Es wird grundsätz­lich ge­setz­lich ver­mu­tet, dass bei be­ste­hen­der Zah­lungsfähig­keit zum 31.12.2019, die spätere In­sol­venz­reife auf der Corona-Krise be­ruht und Aus­sich­ten be­stan­den, eine be­ste­hende Zah­lungs­unfähig­keit zu be­sei­ti­gen. Da­durch sol­len Un­ter­neh­men mit einem ge­sun­den Ge­schäfts­mo­dell, bei de­nen bis Ende letz­ten Jah­res keine Kri­sen­an­zei­chen zu er­ken­nen wa­ren, wei­ter fort­geführt wer­den.

Kann dann also pauschal von einer Fortführungsfähigkeit des Unternehmens ausgegangen werden, wenn zum 31.12.2019 Zahlungsfähigkeit bestand?

Zunächst ein­mal ja. Kommt es al­ler­dings später - trotz Aus­set­zung der An­trags­pflicht – zu einem In­sol­venz­ver­fah­ren, wird ein In­sol­venz­ver­wal­ter An­sprüche we­gen ei­ner verspäte­ten An­trag­stel­lung prüfen und wenn ge­ge­ben, auch ver­fol­gen. Der Ge­schäftsführer trägt dann die Be­weis­last dafür, dass keine An­trags­pflicht vor­lag, da der In­sol­venz­grund auf den Aus­wir­kun­gen der Corona-Epi­de­mie be­ruhte und begründete Aus­sich­ten be­stan­den die Krise un­ter Ein­be­zie­hung der staat­li­chen Hilfsmaßnah­men zu meis­tern. Ge­lingt der Ent­las­tungs­be­weis nicht, kann dies u. a. dazu führen, dass die Ge­schäfts­lei­ter auf Er­stat­tung sämt­li­cher nach Ein­tritt der In­sol­venz­reife vom Un­ter­neh­men noch ge­leis­te­ter Zah­lun­gen persönlich in An­spruch ge­nom­men wer­den.

Vor die­sem Hin­ter­grund sollte die Ge­schäftsführung drin­gend die Li­qui­ditätspla­nung vor Ein­tritt der Corona-Krise mit dem Nach­weis do­ku­men­tie­ren, dass we­der Zah­lungs­unfähig­keit noch Über­schul­dung vor­la­gen. Zu­dem sollte die Li­qui­ditätspla­nung mit den Aus­wir­kun­gen der Corona-Krise er­stellt wer­den. Der Ver­gleich bei­der Pla­nun­gen er­gibt den durch die Corona-Krise aus­gelösten zusätz­li­chen Li­qui­ditäts­be­darf. Schließlich soll­ten die be­an­trag­ten öff­ent­li­chen Hil­fen bzw. die ernst­haf­ten Fi­nan­zie­rungs­ver­hand­lun­gen do­ku­men­tiert wer­den.

Für die Einschätzung der Fähigkeit, ein Unternehmen fortführen zu können, kommt es auch darauf an, dass ein Unternehmen ausreichenden Zugang zu Liquidität hat. Unter welchen Voraussetzungen können Unternehmen die zur Verfügung gestellten Hilfskredite der KfW oder der Bürgschaftsbanken in Anspruch nehmen?

Das KfW-Son­der­pro­gramm 2020 steht ab dem 23.3.2020 auch Un­ter­neh­men zur Verfügung, die be­dingt durch die Corona-Krise vorüber­ge­hend Fi­nan­zie­rungs­schwie­rig­kei­ten ha­ben, je­doch struk­tu­rell ge­sund und lang­fris­tig wett­be­werbsfähig sind.

Um die Hilfs­kre­dite in An­spruch neh­men zu können, sind, wie ich be­reits aus­geführt habe, zwei Li­qui­ditätspläne bzw. Er­trags­pla­nun­gen er­for­der­lich - eine Pla­nung vor und eine nach Ein­tritt der Corona-Krise. Hier­durch können dann die Aus­wir­kun­gen der Corona-Krise auf die Er­trags­lage und Li­qui­dität des Un­ter­neh­mens nach­ge­wie­sen und der er­for­der­li­che Kre­dit­be­trag fest­ge­stellt wer­den.

Die KfW hat die Be­din­gun­gen für die Gewährung von Hilfs­kre­di­ten mehr­fach an­ge­passt, zu­letzt in den je­wei­li­gen Merkblättern zum Un­ter­neh­mer- und Schnell­kre­dit, je­weils mit Stand vom 15.4.2020.

Da­nach darf es sich bspw. bei In­an­spruch­nahme des Un­ter­neh­mer­kre­dits zum Stand 31.12.2019 nicht um ein Un­ter­neh­men in wirt­schaft­li­chen Schwie­rig­kei­ten han­deln. Dies ist der Fall, wenn min­des­tens eine der fol­gen­den Vor­aus­set­zun­gen nicht erfüllt ist:  

  • Es ist ein Ver­lust von mehr als der Hälfte des Haft­ka­pi­tals zu ver­zeich­nen.
  • Das Un­ter­neh­men ist Ge­gen­stand ei­nes ln­sol­venz­ver­fah­rens oder es liegt ein In­sol­venz­grund vor.
  • Das Un­ter­neh­men hat eine Ret­tungs- oder Um­struk­tu­rie­rungs­bei­hilfe der EU er­hal­ten.
  • In den ver­gan­ge­nen bei­den Jah­ren lag
    • der buch­wert­ba­sierte Ver­schul­dungs­grad über 7,5 und
    • das Verhält­nis von EBITDA zu den Zins­auf­wen­dun­gen un­ter 1,0.

Da­ne­ben darf die Haus­bank keine Kennt­nis von

  • un­ge­re­gel­ten Zah­lungsrückständen des An­trag­stel­lers von mehr als 30 Ta­gen ha­ben,
  • Stun­dungs­ver­ein­ba­run­gen, die auf bo­nitäts­be­dingte Til­gungs­aus­set­zun­gen zurück­zuführen sind und des­halb dem Ver­lust der Kre­ditwürdig­keit gleich­be­deu­tend sind, so­wie
  • ma­te­ri­el­len Co­ven­antbrüchen, die dem Ver­lust der Kre­ditwürdig­keit gleich­be­deu­tend sind (z. B. Co­ven­ant Debt Ser­vice Co­ver­age Ra­tio > 100 %).
Zum Zeit­punkt der An­trag­stel­lung ein­zu­hal­tende Be­din­gung ist, dass das Un­ter­neh­men durch­fi­nan­ziert ist. Vor­aus­set­zung hierfür ist, dass die Haus­bank auf Ba­sis der wirt­schaft­li­chen Verhält­nisse des Un­ter­neh­mens per 31.12.2019 im Rah­men ih­rer bank­in­ter­nen Be­wer­tung zum Er­geb­nis ge­langt, dass das Un­ter­neh­men in der Lage ist, die zur Ab­de­ckung der Krise auf­zu­neh­men­den Kre­dite zu tra­gen, und dass das Un­ter­neh­men nach der Krise – un­ter der An­nahme ei­ner sich wie­der nor­ma­li­sie­ren­den wirt­schaft­li­chen Ge­samt­si­tua­tion nach spätes­tens drei Mo­na­ten – auch über den 31.12.2020 hin­aus wei­ter über­le­bensfähig und da­mit in der Lage ist, an­ge­mes­sene An­schluss­fi­nan­zie­run­gen auf­zu­neh­men.

Eine weitere Möglichkeit, die Unternehmensliquidität zu schonen, besteht darin, die Stundung von Steuerzahlungen sowie Sozialversicherungsbeiträgen zu beantragen.

Das ist rich­tig. Hier muss der Ge­schäftsführer aber Vor­sicht wal­ten las­sen. Un­ter Umständen trifft den Ge­schäftsführer nämlich eine persönli­che Haf­tung, wenn er die in An­spruch ge­nom­me­nen Steu­er­vergüns­ti­gun­gen später nicht zurück­zah­len kann. Diese Ge­fahr be­steht nur dann nicht, wenn er nach­wei­sen kann, dass die wirt­schaft­li­che Not­lage der Ge­sell­schaft auf die Corona-Pan­de­mie zurück­zuführen ist. An­ders wie bei der Aus­set­zung der In­sol­venz­an­trags­pflicht be­steht hier keine Ver­mu­tungs­re­ge­lung, wo­nach die wirt­schaft­li­che Not­lage ab einem be­stimm­ten Stich­tag als auf der Corona-Krise be­ru­hend an­ge­se­hen wird. Ge­schäftsführern ist des­halb drin­gend an­zu­ra­ten, im Zuge der Be­an­tra­gung ent­spre­chen­der Stun­dun­gen die Corona-Be­dingt­heit ge­nau­es­tens zu do­ku­men­tie­ren und ge­genüber den Behörden of­fen­zu­le­gen. Durch die bei­den oben be­schrie­be­nen Pla­nun­gen vor und nach der Corona-Krise kann dies be­legt wer­den.

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