Dürfen sie Apps für das Handy entwickeln oder nutzen, um Patienten auch über den Aufenthalt im Krankenhaus oder der Ambulanz zu binden, z.B. indem sie Herz-Kreislaufdaten von Chronikern sammeln und auswerten, die von einer App aufgezeichnet werden?
Möglichkeiten und Chancen
Apps sind ein starkes Instrument zur Kundenbindung. Wer als Kunde eine App heruntergeladen hat, kehrt häufiger auf die Bestellseiten des Anbieters zurück und kauft im Schnitt mehr als der Nicht-App-Kunde.
Mobile Technologien bieten inzwischen auch beim Thema Gesundheit vielfältige Einsatzmöglichkeiten, z.B. im Rahmen der Prävention, oder der Gesundheitsförderung bis hin zur selbstständigen Therapiebegleitung. Gesundheits-Apps werden zunehmend auch zur Unterstützung von Diagnostik und Therapie inkl. Rehabilitation angeboten und verwendet. Ihr Nutzen besteht für die Anwender vor allem darin, unabhängig von Ort und Zeit mit dem betreuenden Fachpersonal kommunizieren zu können. Ärztinnen und Ärzten bieten die mobilen Anwendungen in der Versorgung neue Möglichkeiten, Langzeiten-Daten und aktuelle Gesundheitsinformationen von ihren Patienten zu erhalten, die für eine spätere Behandlung nutzbar gemacht werden können – und einen Vorteil gegenüber Wettbewerbern bedeuten.
Risiken und Nebenwirkungen
Gesundheits-Apps haben gegenüber den berufsrechtlich, sozialversicherungs-, wettbewerbs- und nunmehr auch strafrechtlich problematischen Zuweiserbindungssystemen einen entscheidenden Vorteil: Sie setzen unmittelbar beim Patienten an und nicht bei einem Zuweiser und es fehlt an Zahlungsströmen. Die Kundenbindung erfolgt subtiler: Der Vorteil für den Patienten liegt darin, dass er Gesundheitsdaten von sich fachkundig beim Experten gesammelt und gesichtet weiß. Das Krankenhaus setzt auf die Bereitschaft des Patienten, sich im Krankheitsfall durch entsprechende Krankenhauswahl diesen Vorteil zunutze zu machen. Problematisch ist dies unter dem Gesichtspunkt verschleiernder Werbung, wenn der Patient den werbenden Charakter der App nicht mehr erkennt und von einer neutralen medizinischen Kontrollinstanz ausgeht, statt von einem konkurrierenden Marktteilnehmer. Per se sind Gesundheits-Apps von Krankenhäusern aber nicht unzulässig oder unlauter.
Die Schwierigkeiten bestehen eher in anderem Zusammenhang: Eine Gesundheits-App kann im Einzelfall ein Medizinprodukt sein, das erheblichen Marktzugangskontrollen unterliegt, wenn der Hersteller der Software einen diagnostischen oder therapeutischen Zweck mit der Software verfolgt. Das kann im Einzelfall schwer abzugrenzen sein. Wer eigene Apps entwickeln will, muss hier aufpassen. Wenn Apps im klinischen Betrieb Verwendung finden sollen, müssen diese ungeachtet ob sie rechtliche Medizinprodukte sind oder nicht aber verlässlich und sicher sein. Sie sollten daher einer Qualitätssicherung durch Dritte und ggfs. sogar einer Zertifizierung unterzogen werden. Der Patient sollte über die Möglichkeiten der App und deren Fehlertoleranz informiert werden, wieweit auf erfasste Daten Verlass ist.
Weiterhin stellt sich die Frage, wie die erfassten Daten zu sichern sind. Wenn Daten im Zusammenhang mit einer medizinischen Behandlung, sei diese in der Vergangenheit oder Zukunft, gesammelt werden, spricht vieles dafür, dass die Daten in der Patientenakte zu dokumentieren sind. Die Dokumentation hat die Aufgabe, den Krankheitsverlauf und die durchgeführten Behandlungsmaßnahmen für einen Fachmann transparent zu machen, damit dieser die Weiterbehandlung übernehmen oder die Behandlung im Nachhinein nachvollziehen kann.
Daraus folgt aber auch, dass in die gesammelten Daten Einsichtsrechte des Patienten und seiner Angehörigen bestehen und diese mit Einwilligung des Patienten auch Nachbehandlern zugänglich gemacht werden. Demgegenüber unterliegen die erhobenen Daten aber der ärztlichen Schweigepflicht. Sie können nicht ohne Einwilligung zu werblichen oder sonstigen Zwecken ausgewertet und genutzt werden, es sei denn das sie zu diesem Zwecke gesammelt wurden und der Patient dem zustimmte.
Ein wichtiger Punkt ist die Frage, ob ein Krankenhaus, das Behandlungsdaten langfristig sammelt auch eine Überwachungspflicht hat und zum Beispiel bei absehbaren Akutsituation überwachend und warnend agieren muss. Das hängt sehr vom Einzelfall ab. Ist es zu einer faktischen Übernahme von Schutzpflichten auf der Grundlage einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung gekommen? Sprich: durfte der Patient darauf vertrauen, dass das Krankenhaus ihm Schutz vor Gesundheitsgefahren zugesagt hat?
Fazit
Gesundheits-Apps sind ein nutzbares Mittel zur Patientenbindung durch Krankenhäuser, wenn einige Grundsätze beachtet werden:
- Vorteile, Hintergründe und außermedizinische Interessen der Gesundheits-App sollten dem Patienten transparent sein.
- Es sollte ausdrücklich geklärt sein, ob das Krankenhaus zusammen mit der App auch Schutzpflichten zugunsten des Pateinten übernehmen will.
- Je mehr die App zur klinischen Behandlung bestimmt ist, desto höher sollte die Qualitätssicherung der App sein. Wo möglich, sollte eine Zertifizierung angestrebt werden.
- Erhobene Daten sollten nach den Grundsätzen der Dokumentation in der Patientenakte gesichert werden.