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Steuerberatung

Gewinn aus für Vermögensübertragung an Anteilseigner zu gewährende Aktien

BFH 17.1.2018, I R 27/16

Die Rück­wir­kung nach § 2 Abs. 1 S. 1 Um­wStG 1995 er­fasst nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck der Vor­schrift das von der über­tra­gen­den Körper­schaft auf die Über­neh­me­rin über­tra­gene Vermögen, nicht hin­ge­gen die für das über­tra­gene Vermögen er­brach­ten Ge­gen­leis­tun­gen (hier: Ak­tien) an die An­teils­eig­ner der über­tra­gen­den Körper­schaft. Für eine er­wei­ternde Aus­le­gung des in § 12 Abs. 2 S. 2 Um­wStG 1995 ent­hal­te­nen Be­griffs der "An­teile an der über­tra­gen­den Körper­schaft" i.S.d. Ein­be­zie­hung des durch die Gewährung der Ak­tien an die An­teils­eig­ner der über­tra­gen­den Körper­schaft rea­li­sier­ten Ge­winns be­steht an­ge­sichts des ein­deu­ti­gen Norm­wort­lauts kein Spiel­raum.

Der Sach­ver­halt:
Die Kläge­rin ist ein Ver­si­che­rungs­ver­ein auf Ge­gen­sei­tig­keit. Sie war mehr­heit­lich an ei­ner ehe­ma­li­gen AG - seit 18.10.1999 B-AG - be­tei­ligt. Die ehe­ma­lige A-AG hatte sich durch Vermögensüber­tra­gungs­ver­trag vom 17.6.1999 ver­pflich­tet, ihr Vermögen als Gan­zes mit al­len Rech­ten und Pflich­ten un­ter Auflösung ohne Ab­wick­lung nach § 174 Abs. 1 UmwG im Wege der Vermögensüber­tra­gung mit Wir­kung zum 1.1.2000, 0:00 Uhr (han­dels­recht­li­cher Über­tra­gungs­stich­tag), auf die Kläge­rin zu über­tra­gen.

Die Kläge­rin war nicht an der A-AG be­tei­ligt. Als Ge­gen­leis­tung für die Vermögensüber­tra­gung sollte sie den Ak­tionären der A-AG mit Wirk­sam­wer­den des Über­tra­gungs­ver­tra­ges vin­ku­lierte Na­mens­ak­tien der B-AG gewähren. Die Ak­tien soll­ten an eine Bank als Treuhände­rin mit der Maßgabe aus­gehändigt wer­den, sie nach Wirk­sam­wer­den der Vermögensüber­tra­gung an die Ak­tionäre zu über­ge­ben. Der Vermögensüber­tra­gung sollte die Han­dels­bi­lanz der A-AG zum 31.12.1999 als Schluss­bi­lanz zu­grunde ge­legt wer­den.

Das Fi­nanz­amt ver­trat da­ge­gen die Auf­fas­sung, dass nach § 2 Abs. 1 Um­wStG 1995 so­wohl die Über­tra­gung des Vermögens der A-AG an die Kläge­rin als auch die Gewährung der Ge­gen­leis­tung durch die Steu­er­pflich­tige an die Ak­tionäre der A-AG auf den steu­er­recht­li­chen Über­tra­gungs­stich­tag zurück zu be­zie­hen und da­her be­reits in der Bi­lanz zum 31.12.1999 zu er­fas­sen seien. Das FG gab der hier­ge­gen ge­rich­te­ten Klage statt. Die Re­vi­sion des Fi­nanz­am­tes vor dem BFH blieb er­folg­los.

Gründe:
Das FG ist im Er­geb­nis zu­tref­fend da­von aus­ge­gan­gen, dass die Kläge­rin den Ge­winn aus der Über­tra­gung der B-Ak­tien erst in 2000 rea­li­siert hat und eine Berück­sich­ti­gung be­reits in 1999 sich we­der aus § 2 Abs. 1 S. 1 Um­wStG 1995 noch aus § 12 Abs. 2 S. 1 Um­wStG 1995 er­gibt.

Die Kläge­rin hatte den strei­ti­gen Ge­winn i.H.d. Dif­fe­renz zwi­schen dem Buch­wert der B-Ak­tien und dem ge­mei­nen Wert der er­hal­te­nen Leis­tung, den Wirt­schaftsgütern der A-AG, erst in 2000 rea­li­siert, denn sie hat die ihr nach dem Vermögensüber­tra­gungs­ver­trag ob­lie­gende recht­li­che Ver­pflich­tung zur Er­brin­gung ei­ner Ge­gen­leis­tung in Form der Über­tra­gung der B-Ak­tien erst am 14.11.2000 über eine treuhände­ri­sch tätige Bank erfüllt. Bis zu die­sem Zeit­punkt wa­ren ihr die an­ge­spro­che­nen Ak­tien für steu­er­li­che Zwecke noch zu­zu­rech­nen (§ 39 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 AO).

We­der § 2 Abs. 1 S. 1 noch § 12 Abs. 2 S. 1 Um­wStG 1995 ent­hal­ten die all­ge­mei­nen Ge­winn­er­mitt­lungs­grundsätze verdrängende Spe­zi­al­re­ge­lun­gen, die im Streit­fall dazu führen würden, dass der an­ge­spro­chene Ge­winn be­reits in 1999 zu berück­sich­ti­gen wäre. Denn nach § 2 Abs. 1 S. 1 Um­wStG 1995 sind das Ein­kom­men und das Vermögen der über­tra­gen­den Körper­schaft so­wie der Über­neh­me­rin so zu er­mit­teln, als ob das Vermögen der Körper­schaft mit Ab­lauf des Stich­ta­ges der Bi­lanz, die dem Vermögensüberg­ang zu­grunde liegt (steu­er­li­cher Über­tra­gungs­stich­tag), ganz oder teil­weise auf die Über­neh­me­rin über­ge­gan­gen wäre. Die Norm enthält eine Fik­tion, wo­nach be­zo­gen auf die über­tra­gende Körper­schaft so­wie die Über­neh­me­rin die Ein­kom­mens- und Vermögen­ser­mitt­lung so vor­zu­neh­men ist, als wäre die Über­tra­gung des be­tref­fen­den Vermögens von der über­tra­gen­den Körper­schaft auf die Über­neh­me­rin be­reits mit Ab­lauf des vor­an­ge­gan­ge­nen steu­er­li­chen Über­tra­gungs­stich­ta­ges er­folgt. Für steu­er­li­che Zwecke wird da­nach ein Über­tra­gungs­stich­tag fin­giert, der von der zi­vil­recht­li­chen Re­ge­lung über die Wirk­sam­keit des Über­tra­gungs­vor­gangs ab­weicht und sich statt­des­sen am Stich­tag der letz­ten - nach § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG bis zu acht Mo­na­ten vor der Re­gis­ter­an­mel­dung lie­gen­den - han­dels­recht­li­chen Schluss­bi­lanz ori­en­tiert.

Nach dem in­so­weit ein­deu­ti­gen Ge­set­zes­wort­laut er­streckt sich die Fik­ti­ons­wir­kung al­leine auf die steu­er­li­che Be­hand­lung des an­ge­spro­che­nen über­tra­ge­nen Vermögens. Dies folgt auch dar­aus, dass es sich bei der Bi­lanz, wel­che dem Vermögensüberg­ang zu Grunde liegt, um die in § 17 Abs. 2 UmwG ge­nannte Schluss­bi­lanz der über­tra­gen­den Körper­schaft han­delt, die der An­mel­dung zur Ein­tra­gung in das Re­gis­ter bei­zufügen ist und die sich nur auf das dort aus­ge­wie­sene Vermögen be­zie­hen kann. Ob die Über­neh­me­rin für den Er­halt des über­tra­ge­nen Vermögens eine Ge­gen­leis­tung er­bringt, ist nach dem Wort­laut des § 2 Abs. 1 S. 1 Um­wStG 1995 hin­ge­gen nicht re­le­vant. Hinzu kommt, dass sich aus dem Norm­wort­laut auch kei­ner­lei An­halt für eine Er­stre­ckung der Rechts­fol­gen auf die Ebene der Ge­sell­schaf­ter der an der Über­tra­gung be­tei­lig­ten Recht­sträger er­gibt. Die Rück­wir­kungs­fik­tion gilt nur für die an der über­tra­gen­den Um­wand­lung be­tei­lig­ten Recht­sträger, nicht hin­ge­gen für de­ren Ge­sell­schaf­ter; für diese bleibt es viel­mehr bei dem im Steu­er­recht gel­ten­den Grund­satz, dass Sach­ver­halte grundsätz­lich nicht auf zurück­lie­gende Zeit­punkte zurück­wir­ken.

Nichts an­de­res lässt sich § 12 Um­wStG 1995 ent­neh­men; auch hier­aus er­gibt sich für 1999 keine höhere Körper­schaft­steu­er­fest­set­zung. Der von der Steu­er­pflich­ti­gen bei der Er­brin­gung der Ge­gen­leis­tung rea­li­sierte Ge­winn ist nicht Teil des Über­nah­me­er­geb­nis­ses nach § 12 Abs. 2 S. 1 Um­wStG 1995. Da­nach bleibt bei der Er­mitt­lung des Ge­winns der über­neh­men­den Körper­schaft ein Ge­winn oder Ver­lust i.H.d. Un­ter­schieds zwi­schen dem Buch­wert der An­teile (§ 4 Abs. 4 S. 2 Um­wStG 1995) und dem Wert, mit dem die über­ge­gan­ge­nen Wirt­schaftsgüter zu über­neh­men sind, außer An­satz.

Hier­nach kommt als ein­zige Po­si­tion, die dem Wert der über­ge­gan­ge­nen Wirt­schaftsgüter ge­genüber­zu­stel­len ist, der Buch­wert der An­teile i.S.d. § 4 Abs. 4 S. 2 Um­wStG 1995 in Be­tracht. An­ge­spro­chen ist da­mit der Buch­wert der weg­fal­len­den An­teile an der über­tra­gen­den Körper­schaft, mit wel­chem diese zum steu­er­li­chen Über­tra­gungs­stich­tag bei der über­neh­men­den Körper­schaft bi­lan­ziert sind. Für eine er­wei­ternde Aus­le­gung des in § 12 Abs. 2 S. 2 Um­wStG 1995 ent­hal­te­nen Be­griffs der "An­teile an der über­tra­gen­den Körper­schaft" i.S.d. Ein­be­zie­hung des durch Über­tra­gung der B-Ak­tien rea­li­sier­ten Ge­winns be­steht an­ge­sichts des ein­deu­ti­gen Norm­wort­lauts kein Spiel­raum.

Link­hin­weis:

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