Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. Sie war mehrheitlich an einer ehemaligen AG - seit 18.10.1999 B-AG - beteiligt. Die ehemalige A-AG hatte sich durch Vermögensübertragungsvertrag vom 17.6.1999 verpflichtet, ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Auflösung ohne Abwicklung nach § 174 Abs. 1 UmwG im Wege der Vermögensübertragung mit Wirkung zum 1.1.2000, 0:00 Uhr (handelsrechtlicher Übertragungsstichtag), auf die Klägerin zu übertragen.
Das Finanzamt vertrat dagegen die Auffassung, dass nach § 2 Abs. 1 UmwStG 1995 sowohl die Übertragung des Vermögens der A-AG an die Klägerin als auch die Gewährung der Gegenleistung durch die Steuerpflichtige an die Aktionäre der A-AG auf den steuerrechtlichen Übertragungsstichtag zurück zu beziehen und daher bereits in der Bilanz zum 31.12.1999 zu erfassen seien. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes vor dem BFH blieb erfolglos.
Gründe:
Das FG ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Klägerin den Gewinn aus der Übertragung der B-Aktien erst in 2000 realisiert hat und eine Berücksichtigung bereits in 1999 sich weder aus § 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG 1995 noch aus § 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG 1995 ergibt.
Die Klägerin hatte den streitigen Gewinn i.H.d. Differenz zwischen dem Buchwert der B-Aktien und dem gemeinen Wert der erhaltenen Leistung, den Wirtschaftsgütern der A-AG, erst in 2000 realisiert, denn sie hat die ihr nach dem Vermögensübertragungsvertrag obliegende rechtliche Verpflichtung zur Erbringung einer Gegenleistung in Form der Übertragung der B-Aktien erst am 14.11.2000 über eine treuhänderisch tätige Bank erfüllt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren ihr die angesprochenen Aktien für steuerliche Zwecke noch zuzurechnen (§ 39 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. 1 AO).
Weder § 2 Abs. 1 S. 1 noch § 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG 1995 enthalten die allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätze verdrängende Spezialregelungen, die im Streitfall dazu führen würden, dass der angesprochene Gewinn bereits in 1999 zu berücksichtigen wäre. Denn nach § 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG 1995 sind das Einkommen und das Vermögen der übertragenden Körperschaft sowie der Übernehmerin so zu ermitteln, als ob das Vermögen der Körperschaft mit Ablauf des Stichtages der Bilanz, die dem Vermögensübergang zugrunde liegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), ganz oder teilweise auf die Übernehmerin übergegangen wäre. Die Norm enthält eine Fiktion, wonach bezogen auf die übertragende Körperschaft sowie die Übernehmerin die Einkommens- und Vermögensermittlung so vorzunehmen ist, als wäre die Übertragung des betreffenden Vermögens von der übertragenden Körperschaft auf die Übernehmerin bereits mit Ablauf des vorangegangenen steuerlichen Übertragungsstichtages erfolgt. Für steuerliche Zwecke wird danach ein Übertragungsstichtag fingiert, der von der zivilrechtlichen Regelung über die Wirksamkeit des Übertragungsvorgangs abweicht und sich stattdessen am Stichtag der letzten - nach § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG bis zu acht Monaten vor der Registeranmeldung liegenden - handelsrechtlichen Schlussbilanz orientiert.
Nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut erstreckt sich die Fiktionswirkung alleine auf die steuerliche Behandlung des angesprochenen übertragenen Vermögens. Dies folgt auch daraus, dass es sich bei der Bilanz, welche dem Vermögensübergang zu Grunde liegt, um die in § 17 Abs. 2 UmwG genannte Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft handelt, die der Anmeldung zur Eintragung in das Register beizufügen ist und die sich nur auf das dort ausgewiesene Vermögen beziehen kann. Ob die Übernehmerin für den Erhalt des übertragenen Vermögens eine Gegenleistung erbringt, ist nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 S. 1 UmwStG 1995 hingegen nicht relevant. Hinzu kommt, dass sich aus dem Normwortlaut auch keinerlei Anhalt für eine Erstreckung der Rechtsfolgen auf die Ebene der Gesellschafter der an der Übertragung beteiligten Rechtsträger ergibt. Die Rückwirkungsfiktion gilt nur für die an der übertragenden Umwandlung beteiligten Rechtsträger, nicht hingegen für deren Gesellschafter; für diese bleibt es vielmehr bei dem im Steuerrecht geltenden Grundsatz, dass Sachverhalte grundsätzlich nicht auf zurückliegende Zeitpunkte zurückwirken.
Nichts anderes lässt sich § 12 UmwStG 1995 entnehmen; auch hieraus ergibt sich für 1999 keine höhere Körperschaftsteuerfestsetzung. Der von der Steuerpflichtigen bei der Erbringung der Gegenleistung realisierte Gewinn ist nicht Teil des Übernahmeergebnisses nach § 12 Abs. 2 S. 1 UmwStG 1995. Danach bleibt bei der Ermittlung des Gewinns der übernehmenden Körperschaft ein Gewinn oder Verlust i.H.d. Unterschieds zwischen dem Buchwert der Anteile (§ 4 Abs. 4 S. 2 UmwStG 1995) und dem Wert, mit dem die übergegangenen Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, außer Ansatz.
Hiernach kommt als einzige Position, die dem Wert der übergegangenen Wirtschaftsgüter gegenüberzustellen ist, der Buchwert der Anteile i.S.d. § 4 Abs. 4 S. 2 UmwStG 1995 in Betracht. Angesprochen ist damit der Buchwert der wegfallenden Anteile an der übertragenden Körperschaft, mit welchem diese zum steuerlichen Übertragungsstichtag bei der übernehmenden Körperschaft bilanziert sind. Für eine erweiternde Auslegung des in § 12 Abs. 2 S. 2 UmwStG 1995 enthaltenen Begriffs der "Anteile an der übertragenden Körperschaft" i.S.d. Einbeziehung des durch Übertragung der B-Aktien realisierten Gewinns besteht angesichts des eindeutigen Normwortlauts kein Spielraum.
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