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Rechtsberatung

GmbH-Gesellschafter-Ausschluss ohne Beschluss über Geschäftsanteils-Verwertung

BGH v. 4.8.2020 - II ZR 171/19

Der Ge­sell­schaf­ter ei­ner GmbH kann, ob­wohl er seine be­reits fällig ge­stellte Ein­lage noch nicht vollständig er­bracht hat, aus der Ge­sell­schaft aus­ge­schlos­sen wer­den, ohne dass zu­gleich mit dem Aus­schluss ein Be­schluss über die Ver­wer­tung sei­nes Ge­schäfts­an­teils ge­fasst wer­den muss.

Der Sach­ver­halt:
Die Be­klagte ist eine GmbH. Die Kläge­rin und die Ne­be­nin­ter­ve­ni­en­tin der Be­klag­ten sind de­ren Ge­sell­schaf­ter. 2012 erhöhten die Ge­sell­schaf­ter das voll ein­ge­zahlte Stamm­ka­pi­tal von 26.000 € auf 200.000 €. Von den zwei neu ge­bil­de­ten Ge­schäfts­an­tei­len über­nahm die Kläge­rin einen im Nenn­be­trag von 85.000 €, wo­bei sie bei des­sen Ein­zah­lung einen Rest­be­trag iHv 49.000 € schul­dig blieb.

Laut Ge­sell­schafts­ver­trags der GmbH kann ein Ge­sell­schaf­ter durch Be­schluss aus der Ge­sell­schaft aus­ge­schlos­sen wer­den, wenn er mit der Ein­zah­lung des ver­trag­lich ge­schul­de­ten Ge­sell­schafts­ka­pi­tals oder ei­ner ver­trag­lich ver­ein­bar­ten Ka­pi­tal­erhöhung in Ver­zug ist und un­ge­ach­tet ei­ner mit dem Hin­weis auf die Möglich­keit der Aus­schließung ver­bun­de­nen noch­ma­li­gen Zah­lungs­auf­for­de­rung bin­nen ei­nes wei­te­ren Mo­na­tes nicht leis­tet.

In ei­ner Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung be­schloss die al­lein teil­neh­mende Ne­be­nin­ter­ve­ni­en­tin am 22.9.2016, die Kläge­rin aus­zu­schließen.

Das LG hat die von der Kläge­rin da­ge­gen er­ho­bene An­fech­tungs­klage ab­ge­wie­sen. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat dem­ge­genüber fest­ge­stellt, dass der Be­schluss der Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung vom 22.9.2016 be­tref­fend den Aus­schluss der Kläge­rin nich­tig ist. Der BGH hat der hier­ge­gen er­ho­be­nen Re­vi­sion nun statt­ge­ge­ben.

Die Gründe:
Der Ge­sell­schaf­ter ei­ner GmbH kann, ob­wohl er seine be­reits fällig ge­stellte Ein­lage noch nicht vollständig er­bracht hat, aus der Ge­sell­schaft aus­ge­schlos­sen wer­den, ohne dass zu­gleich mit dem Aus­schluss ein Be­schluss über die Ver­wer­tung sei­nes Ge­schäfts­an­teils ge­fasst wer­den muss. Die vom Be­ru­fungs­ge­richt ge­for­derte Gleich­zei­tig­keit des Aus­schlus­ses und der Ent­schei­dung über das Schick­sal des Ge­schäfts­an­teils ist zum Schutz der Ka­pi­tal­auf­brin­gung nicht ge­bo­ten.

Ein rechtmäßiger Aus­schließungs­be­schluss hat zur Folge, dass der be­trof­fene Ge­sell­schaf­ter seine Ge­sell­schaf­ter­stel­lung ver­liert. Der Ge­schäfts­an­teil bleibt da­ge­gen be­ste­hen. Auch wenn die Ge­sell­schaft nicht in an­ge­mes­se­ner Frist die Ein­zie­hung des Ge­schäfts­an­teils be­schließt oder seine Ab­tre­tung ver­langt, lebt die Ge­sell­schaf­ter­stel­lung des Be­trof­fe­nen nicht wie­der auf. Für die Wirk­sam­keit der Aus­schließung kommt es da­her nicht dar­auf an, dass le­dig­lich diese be­schlos­sen, nicht aber über den Ge­schäfts­an­teil Be­schluss ge­fasst wor­den ist.

Hat der aus­zu­schließende Ge­sell­schaf­ter seine Ein­lage noch nicht vollständig ge­leis­tet, steht dies nur der Ein­zie­hung sei­nes Ge­schäfts­an­teils in Voll­zug der Aus­schließung ent­ge­gen.

Die Ge­sell­schaft kann einen Aus­schluss nicht durch Ein­zie­hung des Ge­schäfts­an­teils des aus­zu­schließen­den Ge­sell­schaf­ters voll­zie­hen, wenn die Ein­lage auf den Ge­schäfts­an­teil des Aus­ge­schlos­se­nen nicht vollständig er­bracht wurde. Die­ses aus dem Grund­satz der Ka­pi­tal­auf­brin­gung her­ge­lei­tete Ein­zie­hungs­ver­bot gilt aber un­abhängig da­von, ob mit dem Aus­schluss oder da­nach die Ein­zie­hung be­schlos­sen wird.

Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts wird das Ver­bot der Ein­zie­hung ei­nes nicht vollständig ein­ge­zahl­ten Ge­schäfts­an­teils nicht aus dem Grund­satz der Ka­pi­tal­er­hal­tung her­ge­lei­tet, son­dern aus dem Grund­satz der Ka­pi­tal­auf­brin­gung. Eine Ein­zie­hung ist nur zulässig, wenn die auf den ein­zu­zie­hen­den Ge­schäfts­an­teil zu er­brin­gende Ein­la­ge­leis­tung vollständig er­bracht ist. Das er­gibt sich aus § 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG. Da­nach darf der Ge­sell­schaf­ter von sei­ner Pflicht zur Leis­tung der Ein­lage nicht be­freit wer­den. Das würde aber ge­sche­hen, wenn ein Ge­schäfts­an­teil, auf den eine noch nicht fällig ge­stellte Ein­lage noch nicht ein­ge­zahlt ist, ein­ge­zo­gen würde.

Die Ein­zie­hung ist auch un­zulässig, wenn die noch nicht ge­leis­tete Ein­lage be­reits fällig ge­stellt wurde. Wurde die Ein­lage be­reits fällig ge­stellt, haf­tet der be­trof­fene Ge­sell­schaf­ter al­ler­dings wei­ter für die Ein­la­ge­for­de­rung. Er kann dann nicht mehr im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG durch die Ein­zie­hung von der Ver­pflich­tung zur Leis­tung der Ein­lage be­freit wer­den. Aber auch in die­sem Fall bleibt die Ein­zie­hung we­gen der da­mit ver­bun­de­nen Ge­fahr für die Ka­pi­tal­auf­brin­gung un­zulässig. Denn eine wirk­same Ein­zie­hung ver­nich­tet den Ge­schäfts­an­teil. Dann schei­det eine Ver­wer­tung des Ge­schäfts­an­teils und da­mit die Rea­li­sie­rung des in ihm verkörper­ten Ein­la­ge­an­spruchs aus. Es ver­bliebe le­dig­lich die Haf­tung des be­trof­fe­nen Ge­sell­schaf­ters für be­reits fällig ge­stellte Ein­la­ge­for­de­run­gen. Ist die­ser zah­lungs­unfähig, schei­tert die Ka­pi­tal­auf­brin­gung endgültig.

Be­schließt die Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung erst nach dem Aus­schluss über die Ver­wer­tung des Ge­schäfts­an­teils des Aus­ge­schlos­se­nen, bringt dies für den Schutz der Ka­pi­tal­auf­brin­gung ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts keine Nach­teile ge­genüber ei­ner zeit­glei­chen Be­schluss­fas­sung mit sich, wenn die Ein­la­ge­leis­tung be­reits fällig ge­stellt wurde.

Der Aus­schluss der Kläge­rin wird un­abhängig von der Zah­lung ei­ner Ab­fin­dung wirk­sam. Hat, wie vor­lie­gend, ein rechtmäßiger Aus­schließungs­be­schluss der Ge­sell­schaf­ter­ver­samm­lung nach der Sat­zung der GmbH die Wir­kung, dass der be­trof­fene Ge­sell­schaf­ter seine Ge­sell­schaf­ter­stel­lung mit so­for­ti­ger Wir­kung ver­liert, tritt diese Wir­kung un­abhängig von der Zah­lung der dem Ge­sell­schaf­ter zu­ste­hen­den Ab­fin­dung ein. Dies gilt für den Aus­schluss ei­nes Ge­sell­schaf­ters, der seine Ein­lage voll er­bracht hat, in glei­cher Weise wie für den Aus­schluss ei­nes Ge­sell­schaf­ters, des­sen Ein­lage teil­weise rückständig ist.

Die Ge­sell­schaf­ter­stel­lung des Be­trof­fe­nen lebt nicht wie­der auf, wenn die Ge­sell­schaft nicht in an­ge­mes­se­ner Frist die Ein­zie­hung des Ge­schäfts­an­teils be­schließt oder seine Ab­tre­tung ver­langt und nichts dazu tut, dass der Aus­ge­schlos­sene den Ge­gen­wert sei­nes Ge­schäfts­an­teils er­langt. Im Pro­zess über die Wirk­sam­keit des Aus­schließungs­be­schlus­ses kommt es da­her nicht dar­auf an, dass le­dig­lich die Aus­schließung des Klägers be­schlos­sen, nicht aber über sei­nen Ge­schäfts­an­teil Be­schluss ge­fasst wor­den ist, und wel­chen Wert die­ser Ge­schäfts­an­teil hat.

Das Be­ru­fungs­ur­teil ist nicht aus an­de­ren Gründen rich­tig: Der Aus­schließungs­be­schluss ist nicht des­halb an­fecht­bar, weil die Kläge­rin ihre Ein­la­ge­ver­pflich­tung nicht erfüllen muss. Die Kläge­rin hat im We­sent­li­chen dar­auf ab­ge­stellt, sie dürfe nicht aus­ge­schlos­sen wer­den, weil sie sich zu Recht da­ge­gen wehre, die Ein­zah­lungs­ver­pflich­tung zu erfüllen. Sämt­li­che Geld­beträge, die die Be­klagte ein­ge­nom­men habe, seien nicht für sat­zungs­gemäße Zwecke ver­wen­det, son­dern le­dig­lich "ver­brannt" wor­den.

Bei dem Ein­wand, Ge­sell­schafts­mit­tel würden nicht dem Ge­sell­schafts­zweck gemäß ver­wen­det, han­delt es sich der Sa­che nach um die Be­ru­fung auf ein Zurück­be­hal­tungs­recht. Der In­fe­rent kann ge­gen die Bar­ein­la­ge­for­de­rung aber keine Zurück­be­hal­tungs­rechte gel­tend ma­chen. Dies er­gibt sich aus dem Auf­rech­nungs­ver­bot des § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG. Die Gel­tend­ma­chung ei­nes Zurück­be­hal­tungs­rechts gefähr­det die Ka­pi­tal­auf­brin­gung und da­mit Ge­sell­schafts- und Gläubi­ger­in­ter­es­sen in ähn­li­cher Weise wie die Auf­rech­nung.

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