Der Sachverhalt:
Die Beklagte ist eine GmbH. Die Klägerin und die Nebenintervenientin der Beklagten sind deren Gesellschafter. 2012 erhöhten die Gesellschafter das voll eingezahlte Stammkapital von 26.000 € auf 200.000 €. Von den zwei neu gebildeten Geschäftsanteilen übernahm die Klägerin einen im Nennbetrag von 85.000 €, wobei sie bei dessen Einzahlung einen Restbetrag iHv 49.000 € schuldig blieb.
Laut Gesellschaftsvertrags der GmbH kann ein Gesellschafter durch Beschluss aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, wenn er mit der Einzahlung des vertraglich geschuldeten Gesellschaftskapitals oder einer vertraglich vereinbarten Kapitalerhöhung in Verzug ist und ungeachtet einer mit dem Hinweis auf die Möglichkeit der Ausschließung verbundenen nochmaligen Zahlungsaufforderung binnen eines weiteren Monates nicht leistet.
In einer Gesellschafterversammlung beschloss die allein teilnehmende Nebenintervenientin am 22.9.2016, die Klägerin auszuschließen.
Das LG hat die von der Klägerin dagegen erhobene Anfechtungsklage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat demgegenüber festgestellt, dass der Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 22.9.2016 betreffend den Ausschluss der Klägerin nichtig ist. Der BGH hat der hiergegen erhobenen Revision nun stattgegeben.
Die Gründe:
Der Gesellschafter einer GmbH kann, obwohl er seine bereits fällig gestellte Einlage noch nicht vollständig erbracht hat, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, ohne dass zugleich mit dem Ausschluss ein Beschluss über die Verwertung seines Geschäftsanteils gefasst werden muss. Die vom Berufungsgericht geforderte Gleichzeitigkeit des Ausschlusses und der Entscheidung über das Schicksal des Geschäftsanteils ist zum Schutz der Kapitalaufbringung nicht geboten.
Ein rechtmäßiger Ausschließungsbeschluss hat zur Folge, dass der betroffene Gesellschafter seine Gesellschafterstellung verliert. Der Geschäftsanteil bleibt dagegen bestehen. Auch wenn die Gesellschaft nicht in angemessener Frist die Einziehung des Geschäftsanteils beschließt oder seine Abtretung verlangt, lebt die Gesellschafterstellung des Betroffenen nicht wieder auf. Für die Wirksamkeit der Ausschließung kommt es daher nicht darauf an, dass lediglich diese beschlossen, nicht aber über den Geschäftsanteil Beschluss gefasst worden ist.
Hat der auszuschließende Gesellschafter seine Einlage noch nicht vollständig geleistet, steht dies nur der Einziehung seines Geschäftsanteils in Vollzug der Ausschließung entgegen.
Die Gesellschaft kann einen Ausschluss nicht durch Einziehung des Geschäftsanteils des auszuschließenden Gesellschafters vollziehen, wenn die Einlage auf den Geschäftsanteil des Ausgeschlossenen nicht vollständig erbracht wurde. Dieses aus dem Grundsatz der Kapitalaufbringung hergeleitete Einziehungsverbot gilt aber unabhängig davon, ob mit dem Ausschluss oder danach die Einziehung beschlossen wird.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wird das Verbot der Einziehung eines nicht vollständig eingezahlten Geschäftsanteils nicht aus dem Grundsatz der Kapitalerhaltung hergeleitet, sondern aus dem Grundsatz der Kapitalaufbringung. Eine Einziehung ist nur zulässig, wenn die auf den einzuziehenden Geschäftsanteil zu erbringende Einlageleistung vollständig erbracht ist. Das ergibt sich aus § 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG. Danach darf der Gesellschafter von seiner Pflicht zur Leistung der Einlage nicht befreit werden. Das würde aber geschehen, wenn ein Geschäftsanteil, auf den eine noch nicht fällig gestellte Einlage noch nicht eingezahlt ist, eingezogen würde.
Die Einziehung ist auch unzulässig, wenn die noch nicht geleistete Einlage bereits fällig gestellt wurde. Wurde die Einlage bereits fällig gestellt, haftet der betroffene Gesellschafter allerdings weiter für die Einlageforderung. Er kann dann nicht mehr im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 GmbHG durch die Einziehung von der Verpflichtung zur Leistung der Einlage befreit werden. Aber auch in diesem Fall bleibt die Einziehung wegen der damit verbundenen Gefahr für die Kapitalaufbringung unzulässig. Denn eine wirksame Einziehung vernichtet den Geschäftsanteil. Dann scheidet eine Verwertung des Geschäftsanteils und damit die Realisierung des in ihm verkörperten Einlageanspruchs aus. Es verbliebe lediglich die Haftung des betroffenen Gesellschafters für bereits fällig gestellte Einlageforderungen. Ist dieser zahlungsunfähig, scheitert die Kapitalaufbringung endgültig.
Beschließt die Gesellschafterversammlung erst nach dem Ausschluss über die Verwertung des Geschäftsanteils des Ausgeschlossenen, bringt dies für den Schutz der Kapitalaufbringung entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts keine Nachteile gegenüber einer zeitgleichen Beschlussfassung mit sich, wenn die Einlageleistung bereits fällig gestellt wurde.
Der Ausschluss der Klägerin wird unabhängig von der Zahlung einer Abfindung wirksam. Hat, wie vorliegend, ein rechtmäßiger Ausschließungsbeschluss der Gesellschafterversammlung nach der Satzung der GmbH die Wirkung, dass der betroffene Gesellschafter seine Gesellschafterstellung mit sofortiger Wirkung verliert, tritt diese Wirkung unabhängig von der Zahlung der dem Gesellschafter zustehenden Abfindung ein. Dies gilt für den Ausschluss eines Gesellschafters, der seine Einlage voll erbracht hat, in gleicher Weise wie für den Ausschluss eines Gesellschafters, dessen Einlage teilweise rückständig ist.
Die Gesellschafterstellung des Betroffenen lebt nicht wieder auf, wenn die Gesellschaft nicht in angemessener Frist die Einziehung des Geschäftsanteils beschließt oder seine Abtretung verlangt und nichts dazu tut, dass der Ausgeschlossene den Gegenwert seines Geschäftsanteils erlangt. Im Prozess über die Wirksamkeit des Ausschließungsbeschlusses kommt es daher nicht darauf an, dass lediglich die Ausschließung des Klägers beschlossen, nicht aber über seinen Geschäftsanteil Beschluss gefasst worden ist, und welchen Wert dieser Geschäftsanteil hat.
Das Berufungsurteil ist nicht aus anderen Gründen richtig: Der Ausschließungsbeschluss ist nicht deshalb anfechtbar, weil die Klägerin ihre Einlageverpflichtung nicht erfüllen muss. Die Klägerin hat im Wesentlichen darauf abgestellt, sie dürfe nicht ausgeschlossen werden, weil sie sich zu Recht dagegen wehre, die Einzahlungsverpflichtung zu erfüllen. Sämtliche Geldbeträge, die die Beklagte eingenommen habe, seien nicht für satzungsgemäße Zwecke verwendet, sondern lediglich "verbrannt" worden.
Bei dem Einwand, Gesellschaftsmittel würden nicht dem Gesellschaftszweck gemäß verwendet, handelt es sich der Sache nach um die Berufung auf ein Zurückbehaltungsrecht. Der Inferent kann gegen die Bareinlageforderung aber keine Zurückbehaltungsrechte geltend machen. Dies ergibt sich aus dem Aufrechnungsverbot des § 19 Abs. 2 Satz 2 GmbHG. Die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts gefährdet die Kapitalaufbringung und damit Gesellschafts- und Gläubigerinteressen in ähnlicher Weise wie die Aufrechnung.
Der Gesellschafter einer GmbH kann, obwohl er seine bereits fällig gestellte Einlage noch nicht vollständig erbracht hat, aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, ohne dass zugleich mit dem Ausschluss ein Beschluss über die Verwertung seines Geschäftsanteils gefasst werden muss.