Mit Urteil vom 29.06.2017 (Rs. C-288/16, L.C., HFR 2017, S. 983) schränkte der EUGH die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung für grenzüberschreitende Beförderungsleistungen ins Drittland auf die Leistungen der Hauptfrachtführer ein. Das BMF reagierte hierauf mit mehreren BMF-Schreiben und passte die Ausführungen im UStAE zur Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa) UStG an. Aufgrund einer Übergangsregelung können noch bis zum 31.12.2021 die Beförderungsleistungen der sog. Unterfrachtführer steuerfrei behandelt werden. Da diese Frist nunmehr endet, gehen Logistikunternehmen verstärkt auf ihre Kunden zu, um die zukünftig für die Steuerbefreiung erforderlichen Belege und Erklärungen einzufordern.
Änderung der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung und Anpassungserleichterungen
Laut Urteil des EuGH vom 29.06.2017 (Rs. C-288/16, L.C., HFR 2017, S. 983) ist die Steuerbefreiung für Umsätze aus der Beförderung von Gegenständen in einen Drittstaat nur für Leistungen des Hauptfrachtführers nicht aber für Leistungen des Unterfrachtführers zu gewähren.
Mit Schreiben vom 06.02.2020 (BStBl. I 2020, S. 235) änderte das BMF Abschnitt 4.3.2 Abs. 4 UStAE entsprechend und stellte klar, dass eine Anwendung der Steuerbefreiung nur für Beförderungsleistungen in Betracht kommt, die durch den Frachtführer unmittelbar an den Versender oder Empfänger der Güter erbracht werden. Betroffenen Unternehmern wurde mit einer bis 31.12.2021 verlängerten Nichtbeanstandungsregelung Zeit zur Umsetzung der neuen Rechtsauffassung gewährt (BMF-Schreiben vom 14.10.2020, BStBl. I 2020, S. 1015).
Da in der Praxis jedoch Fragen zur Bestimmung des Versenders und Schwierigkeiten bei der Umsetzung der neuen Vorgaben auftraten, konkretisiert das BMF mit Schreiben vom 27.09.2021 (BStBl. 2021 I S. 1810) den Begriff des Versenders (liefernder Unternehmer) und des Empfängers (Abnehmer der Waren) und geht auf Haupt- und Unterfrachtführerkonstellationen ein. Zudem wurden eine Nichtbeanstandungsregelung für gemischte Versendungen sowie eine Vertrauensschutzregelung bei Vorliegen entsprechender Bestätigungen des Auftraggebers der Beförderungsleistung aufgenommen.
Gemäß dem neu eingefügten Abschnitt 4.3.4 Abs. 3 UStAE ergeben sich folgende Grundsätze für die Behandlung der Beförderungsleistung:
- Grundsätzlich ist die Steuerbefreiung für grenzüberschreitende Beförderungsleistungen ins Drittland nur für die Leistung des Hauptfrachtführers anzuwenden.
- Ist Empfänger der Beförderungsleistung ein nicht als Versender oder Empfänger unmittelbar an der Ausfuhr beteiligter Unternehmer, kommt die Steuerbefreiung für die Leistung des sog. Unterfrachtführers nicht in Betracht.
- Bei sog. gemischten Sendungen, d.h. die Spedition wird sowohl in der Funktion als Versender der Ausfuhr und im Hinblick auf andere Gegenstände der Ausfuhr als Hauptfrachtführer (unter-)beauftragt, ist die Beförderungsleistung des Unterfrachtführers grundsätzlich in einen steuerpflichtigen und steuerfreien Teil aufzuteilen.
- Für Zwecke des Vorsteuerabzugs wird es bei diesen gemischten Sendungen nicht beanstandet, wenn die Leistung insgesamt als steuerpflichtig behandelt wird.
Zu beachten ist weiterhin, dass die Anwendung der Steuerbefreiung durch den Hauptfrachtführer nachzuweisen ist, hierfür stellt das BMF folgende Grundsätze auf:
- Der Nachweis kann grundsätzlich über eine beleghafte Erklärung über die Versendereigenschaft bei Beauftragung der Transportdienstleistung geführt werden.
- Stellt sich diese als unzutreffend heraus, kann die Steuerbefreiung gleichwohl aus Billigkeitsgründen gewährt werden.
Hinweis: Neben der nun erforderlichen beleghaften Erklärung des Auftraggebers der Transportdienstleistung, diese in der Eigenschaft als Empfänger oder Versender der Ausfuhr der Waren beauftragt zu haben, sind für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 UStG weiterhin die (bisherigen) Buch- und Belegnachweise nach §§ 20, 21 UStDV zu erbringen.
Zu beachten ist weiterhin, dass der Begriff des (umsatzsteuerlichen) Versenders nicht mit dem des Versenders im frachtrechtlichen Sinn (Versender/Shipper, somit der Auftraggeber des Speditionsvertrags) identisch ist.
Was bedeutet dies für Sie in der Praxis?
Zur Erfüllung dieser Nachweispflichten treten Logistik- und Transportunternehmen nun an ihre Kunden heran und bitten um Information, ob diese die beauftragten Transportleistungen im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Waren in Drittländer als Versender oder Empfänger der Waren in Auftrag geben und das Logistikunternehmen damit als Hauptfrachtführer handelt. Oftmals wird der Anfrage ein standardisiertes Antwortschreiben beigefügt. Mit diesem Schreiben kann erklärt werden, dass der Kunde stets in seiner Eigenschaft als (umsatzsteuerlicher) Versender oder Empfänger gegenüber dem Logistikunternehmer auftrete und die beauftragten Transportleistungen daher steuerfrei zu behandeln seien.
Sind Mischfälle denkbar, weisen die Speditionen häufig darauf hin, dass zukünftig eine zweite Kunden- / Exportnummer erforderlich sein wird. Diese ermöglicht es dem Transportdienstleister die unterschiedlichen Fälle auch in Zukunft abwickeln zu können.
Was gilt es für Sie zu beachten?
Werden seitens des Unternehmers gegenüber dem Logistikunternehmen keine Angaben gemacht, wird das Logistikunternehmen mangels erforderlichen Nachweises im Regelfall davon ausgehen, dass sämtliche Transportleistungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen sind. Daher sollten die Anfragen der Spediteure beantwortet werden, um das Risiko einer Vorsteuerversagung aus diesen Spediteursrechnungen zu vermeiden.
Erfolgt die Beauftragung des Spediteurs immer in der Eigenschaft als Versender oder Abnehmer der Ausfuhr, kann die gewünschte Bestätigung ausgestellt werden.
Aber Achtung im Konzernverbund oder bei sog. gemischten Sendungen: Wird neben der Beförderung eigener Waren auch die Beförderung von Waren verbundener Unternehmen beauftragt, kann dies zu einer sog. gemischten Sendung führen. Eine Beauftragung der Speditionsleistung durch einen Hauptfrachtführer, der gleichzeitig auch Versender ist, kann hierbei in Betracht kommen, so dass die Anwendung der Steuerbefreiung teilweise ausgeschlossen wäre. In diesem Fall kann die Bestätigung nicht uneingeschränkt ausgestellt und ggf. die Anforderung einer weiteren Kundennummer beim Spediteur erforderlich werden.
Daher sollten eingehende Anfragen durch einen umsatzsteuerlich geschulten Mitarbeiter beurteilt werden. Die Mitarbeiter in der Logistikabteilung sollten hierauf hingewiesen und ein Prozess für die Beantwortung der Anfragen der Spediteure implementiert werden.
Sind bei der Beauftragung von Speditionen zukünftig sog. gemischte Sendungen denkbar − dies dürfte häufig im Konzernverbund der Fall sein −, sollte eine Handlungsanweisung, die die unterschiedlichen Konstellationen im Hinblick auf die Beauftragung der Spediteure aufgreift, erarbeitet werden. Ferner sollten die für die Transportveranlassung verantwortlichen Mitarbeiter geschult werden.
Hinweis: Zu begrüßen ist in diesem Zusammenhang die Nichtbeanstandungsregelung. In Mischfällen kann dann bspw. die Handlungsanweisung vorsehen, dass der Transport insgesamt als Hauptfrachtführer und nicht als Versender durch Verwendung der entsprechenden Kundennummer bei der Spedition beauftragt wird.
Bei Fragen kommen Sie gerne auf uns zu.