Der EuGH wurde in einem Vorabentscheidungsverfahren zu der grenzüberschreitenden Sitzverlegung einer polnischen Kapitalgesellschaft angerufen. Die Gesellschaft war nach polnischem Gesellschaftsrecht gegründet und dort in das Handelsregister eingetragen worden. Sie verlegte ihren satzungsmäßigen Sitz nach Luxemburg und wurde in Luxemburg als Kapitalgesellschaft nach dortigem Recht in das zuständige Register eingetragen. Die Löschung aus dem polnischen Handelsregister wurde jedoch mit Hinweis auf eine polnische Regelung, wonach die Gesellschaft zuvor aufzulösen und abzuwickeln wäre, verweigert.
Der EuGH kommt mit Urteil vom 25.10.2017 (Rs. C-106/16, Polbud) zu dem Ergebnis, dass die polnische Regelung die Niederlassungsfreiheit beschränkt. Zwar könne eine solche Regelung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Eine allgemeine Verpflichtung zur Liquidation, ohne dabei zu berücksichtigen, ob tatsächlich eine Gefahr für Allgemeininteressen bestehe, und ohne eine Möglichkeit vorzusehen, weniger einschneidende Maßnahmen zu wählen, durch die diese Interessen ebenso geschützt werden könnten, sei jedoch unverhältnismäßig und damit EU-rechtswidrig.
Hinweis
Zwar ging der EuGH bereits mit der Vale-Entscheidung (s. vorgehend) auf die EU-Rechtskonformität der Regelungen im Fall eines grenzüberschreitenden Formwechsels im EU-Mitgliedstaat ein, in dem die Gesellschaft künftig ihren Sitz hat. Mit dem vorliegenden Urteil entschied das Gericht jedoch erstmals über die EU-Rechtskonformität der Regelungen eines EU-Mitgliedstaates, wenn eine Gesellschaft aus diesem Staat heraus in eine Gesellschaftsform eines anderen Mitgliedstaates formwechseln will. Die Entscheidung dürfte erneut einen Anstoß für die EU-Mitgliedstaaten geben, rechtliche Rahmenbedingungen für den Fall eines grenzüberschreitenden Formwechsels innerhalb der EU zu schaffen.