Der Sachverhalt:
Mit Bescheid vom 10.2.2009 setzte das zuständige Finanzamt die Grunderwerbsteuer fest. Dabei legt es den Kaufpreis von rd. 1 Mio. € zugrunde. Der Bescheid wurde bestandskräftig. Mit Urteil des LG wurde die BVVG verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. rd. 130.000 € zu zahlen. Das LG bewertete den Verkehrswert der von der Klägerin erworbenen Grundstücke als niedriger. Die BVVG zahlte den ausgeurteilten Betrag wie vereinbart an die Klägerin zurück.
Die Klägerin beantragte eine geänderte Festsetzung der Grunderwerbsteuer nach einer Bemessungsgrundlage von nunmehr rd. 870.000 €. Die Finanzbehörde lehnte dies ab. Den dagegen erhobenen Einspruch der Klägerin wies sie als unbegründet zurück, da die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 GrEStG nicht erfüllt seien und das Urteil des LG auch kein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO darstelle. Die Klägerin erhob Klage mit dem Ziel der Aufhebung des Ablehnungsbescheids und der Verpflichtung der Abänderung der Festsetzung der Grunderwerbsteuer. Die Klage hatte vor dem FG Erfolg. Die Revision wurde zugelassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO vorliegen.
Die Gründe:
Zwar liegen die Voraussetzungen für eine Änderung des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides nach § 16 GrEStG nicht vor. Die Klägerin hat aber einen Anspruch auf Änderung des angefochtenen Bescheids gem. § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.
Die Voraussetzungen für eine Änderung des Grunderwerbsteuerbescheides nach § 16 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG wegen einer Herabsetzung des Kaufpreises liegen nicht vor, da das Urteil des LG nicht innerhalb von zwei Jahren seit der Entstehung der Steuer ergangen ist. Nach § 38 AO entstehen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht anknüpft. Die Grunderwerbsteuer entsteht nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG grundsätzlich mit Abschluss des Kaufvertrags. Nach § 14 Nr. 2 GrEStG entsteht die Grunderwerbsteuer ausnahmsweise, wenn ein Erwerbsvorgang einer Genehmigung bedarf, erst mit der Erteilung der Genehmigung. Im Streitfall bedurfte es einer Genehmigung, die bis zum 1.12.2008 erteilt wurde. Das Urteil des LG aus 2015 ist somit erst lange nach Ablauf der zweijährigen Frist ergangen. Der Tatbestand des § 16 Abs. 3 Nr. 2 ist zudem nicht erfüllt, da die Vorschrift nur die Herabsetzung des Kaufpreises aufgrund von Mängeln des gekauften Grundstücks i.S.v. § 437 BGB n.F. erfasst. Im Streitfall liegen aber keine Mängel vor.
Der angefochtene Bescheid ist aber nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern, da die Herabsetzung des Kaufpreises aufgrund des Urteils des LG steuerliche Wirkung für die Vergangenheit hat. In diesen Fällen beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres in dem das Ereignis eintritt. Das Ereignis muss nachträglich eintreten, da nur dann die Notwendigkeit besteht, die Bestandskraft zu durchbrechen. Der Begriff rückwirkendes Ereignis des § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO umfasst alle rechtlich bedeutsamen Vorgänge, die steuerlich in der Weise in die Vergangenheit zurückwirken, dass nunmehr der veränderte anstelle des zuvor verwirklichten Sachverhalts der Beurteilung zugrunde zu legen ist. Als Ereignis ist dabei jeder rechtlich relevante Vorgang anzusehen. Es umfasst Tatsachen des Lebenssachverhalts, aber auch rechtliche Vorgänge.
Der Grunderwerbsteuerbescheid war daher nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern, da durch das Urteil des LG rückwirkend in eine wesentliche Besteuerungsgrundlage, den Wert der Gegenleistung, eingegriffen wurde. Die Entscheidung hat unmittelbar in den Vertrag eingegriffen, indem sie ausgehend von der vereinbarten Anpassungsklausel die Kaufpreisvereinbarung geändert hat. Der Umstand, dass das Gericht die BVVG zur Zahlung des Differenzbetrag verurteilt hat und nicht zur Anpassung des Vertrags ist der Abkürzung des Klagewegs geschuldet, ändert aber nichts an dem Ergebnis, dass die Entscheidung Einfluss auf die steuerliche Bemessungsgrundlage hat.
§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO ist auch neben der Spezialvorschrift des § 16 GrEStG anwendbar. Der Anspruch aus § 16 GrEStG lässt die materille Rechtsmäßigkeit eines einmal entstandenen Steueranspruchs unberührt. Darin unterscheidet er sich von den Tatbeständen der §§ 172 ff. AO.
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