Der Ergänzungstatbestand bei Personengesellschaften nach § 1 Abs. 2a GrEStG wurde mit Wirkung zum 01.07.2021 insb. dahingehend modifiziert, dass die maßgebliche Beteiligungsgrenze von 95 % auf 90 % gemindert wurde. Zudem ist bei der Prüfung des Überschreitens dieser Beteiligungsgrenze statt einem Fünf-Jahres- nun ein Zehn-Jahres-Zeitraum zu betrachten. Hierauf reagierte die Finanzverwaltung und fasste die bestehenden Erlasse mit Schreiben vom 10.05.2022 neu. Diese treten an die Stelle der Erlasse vom 12.11.2018 (BStBl. I 2018, S. 1314) und sind in allen offenen Fällen anzuwenden.
Mit Wirkung zum 01.07.2021 wurde ein neuer Ergänzungstatbestand für Kapitalgesellschaften in § 1 Abs. 2b GrEStG eingeführt, der eine spiegelbildliche Regelung zu dem für Personengesellschaften darstellten soll. In den Erlassen der obersten Finanzbehörden der Länder ebenso vom 10.05.2022 zur Anwendung dieser neuen Regelung wird u. a. auf das Verhältnis zum Ergänzungstatbestand der Anteilsvereinigung nach § 1 Abs. 3 GrEStG eingegangen. Grundsätzlich geht § 1 Abs. 2b GrEStG der Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG vor. Fallen jedoch die Zeitpunkte zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft (Signing), das zu einer Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG führen kann, und dem Übergang der Anteile (Closing), das grundsätzlich eine Festsetzung nach § 1 Abs. 2b GrEStG auslöst, auseinander, können zwei Festsetzungen erfolgen. Die Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG soll aufgehoben oder geändert werden, wenn das Signing erfolgt und Grundstücksidentität vorliegt. Zudem soll eine Festsetzung nach § 1 Abs. 3 GrEStG grundsätzlich nur geboten sein, wenn „bis zu einem Jahr nach Kenntnisnahme der Finanzverwaltung von dem steuerbegründenden Sachverhalt eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2b GrEStG nicht zu erwarten ist“.
Hinweis: Damit dürfte eine Anzeige nach § 19 GrEStG sowohl im Zeitpunkt des Signing als auch des Closing erforderlich sein. Neben Compliance-Aspekten ist zu beachten, dass im Falle einer Rückabwicklung des Anteilserwerbs die Anzeige eine Voraussetzung für die Aufhebung der Grunderwerbsteuer ist.